By Published On: 3. September 2020Categories: Gesundheit, Pädagogik, Psychologie

Einleitung

Was verbirgt sich hinter dem Wort Stress, ist er eine Modeerscheinung oder eine ernsthafte Belastung mit Folgekrankheiten, die ein Abbild unserer Zeit darstellt?  Der Begriff ist jedenfalls schon zu einem Schlagwort geworden und betrifft nahezu alle Bevölkerungsschichten vom hochrangigen Manager bis zum einfachen Arbeiter. Auslöser sind in ständiger Überlastung, zunehmenden Erfolgs- und Zeitdruck zu sehen. In immer kürzerer Zeit soll Arbeitsleistung bei gleicher Qualität erbracht werden. Ähnlich wie bei einem Hamsterrad dreht sich die Spirale immer schneller und auf der Strecke bleibt der Mensch. Die ständige Überforderung kann schwere Erkrankungen nach sich ziehen, wie Depressionen, Burn-out bis hin zum Suizid. Doch bevor es so weit kommt, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Stress

Ursprünglich stammt der Ausdruck Stress aus dem technischen Bereich und bezeichnet die auf ein Objekt einwirkende Kraft und ihre vorübergehenden bzw. bleibenden Auswirkungen (Vgl. Becker-Carus, 2004, S. 483). Psychologisch gesehen wird darunter ein psychosomatisches Geschehen, das bezüglich seiner Intensität und/oder Dauer von der üblichen Norm abweicht, verstanden ( Erdmann/Janke, 2008, S. 19; zitiert nach Schmidt/Atzert, 2012, S. 274). Es entsteht die Angst mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bzw. Ressourcen die Anforderungen nicht zu bewältigen (Vgl. Aronson/Wilson/Akert, 2014, S. 549).

Das allgemeine Adaptationsmodell von Selye nimmt dazu drei Phasen der Stressreaktion an:

1. Alarmreaktion, in der Ressourcen mobilisiert werden

2. Widerstand gegen den Stressor

3. Erschöpfungsphase nach der Stressreaktion (Selye, 1956; zitiert nach Pawlik, 2006, S. 675)

Biologische Faktoren

Stress wird durch Gefahrensituationen bzw. in der heutigen Zeit durch Überforderung und Zeitdruck ausgelöst. Durch das die Nebennierenrinde stimulierende Hormon ACTH, auch Corticotrophin genannt, wird die Produktion von Cortisol, Aldosteron und Androgene angeregt. Bei der ersten Stressachse wird Adrenalin und Noradrenalin freigesetzt, um Energien zu mobilisieren. Infolge kommt es durch die Ausschüttung eines weiteren Hormons (CRH) des Hypothalamus, das zu einer Aktivierung der Hypophyse führt. Zusätzlich wird bei chronischem Stress die zweite Stressachse angeworfen, dabei entfaltet ACTH seine Wirkungsweise. Es wird die HHNA (Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinden- Achse) ausgelöst, wodurch die Freisetzung von ACTH die Cortiolausschüttung in die Blutbahn einleitet (Vgl. Holsboer, 1993). Die schädlichen Auswirkungen reichen von Herz-Kreislauferkrankungen, Hypertonie, Depression, Burn-out, bis zu Gedächtnisstörungen, sogar Zelluntergang im Hippocampus wurde diagnostiziert. Dies ist nur ein Teilbereich von Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die direkt oder indirekt auf chronischen Stress zurückzuführen sind. Zudem wird von einer Reaktionsspezifität ausgegangen, worunter eine individuelle Prädisposition für die Entwicklung bestimmter Krankheiten verstanden wird.

Maßnahmen

Die Schädlichkeit von Dauerstress ist unumstritten und in das Bewusstsein aller gedrungen. Trotzdem geraten viele immer wieder in die Stressfalle. Dabei stehen viele psychologische Modelle zur Verfügung, um eine Verbesserung belastender Lebenssituationen zu erreichen. Eine anerkannte und effektive Methode ist im „Transaktionalen Stressmodell“ von Lazarus und Folkmann zu sehen. Sie führen das Stressempfinden auf die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen zurück (Vgl. Becker-Carus, 2004, S. 507). Die Überlastung resultiert aus zu hohen Anforderungen, geringem Handlungsspielraum und mangelnder Ressourcenkapazität. Im Gegensatz zu früheren Theorien sehen Lazarus und Folkmann den Stressauslöser nicht im Reiz, sondern in der Bewertung jedes Einzelnen (Vgl. Frey/Irle, 2002, S. 107). Die Stresssituation selbst besteht aus einer Abfolge von Ereignisbewertungen (primary appraisal), zur Beurteilung ob Gefahr droht, und  Bewältigungsmöglichkeiten (secondary appraisal), die zur Beurteilung der vorhandenen Ressourcen dienen (Vgl. Pawlik, 2006, S. 675). Mittels Interventionen soll eine Neubewertung ausgelöst werden. Lazarus und Folkmann entwickelten Bewältigungsstrategien, um die Stressreaktion zu reduzieren, im besten Fall auszuschalten oder eine Neubewertung herbeizuführen. Für dieses Verfahren wurde der Begriff Coping geprägt, das eine Methode zur Stressbewältigung darstellt. Differenziert wird zwischen:

Problemorientiertes Coping (adaptives Coping): worunter Problemlösung mittels Informationssuche, Unterstützung oder Vermeidung verstanden wird

Emotionsorientiertes Coping (maladaptives Coping): dabei sollen interne Einflüsse  der Belastungen uminterpretiert werden, wie bspw. durch Ruhepausen oder Entspannungstechniken (Vgl. Nerdinger, Blickle, Schaper,   2019, S. 583)

Bewertungsorientiertes Coping: Neubewertung

Umsetzung

Eine gute Nachricht: Der allgegenwärtige Stress, ob in der Arbeitswelt, familiär, schulisch oder durch Mehrfachbelastung kann durchbrochen werden. Endlich gibt es wirksame Maßnahmen, deren Durchführung für jeden praktikabel  und zudem an die individuelle Problematik angepasst ist. Der erste Schritt liegt in der Erkenntnis der Überlastung und der Bereitschaft Veränderungen durchzuführen. Die vielfachen Anwendungsmöglichkeiten erlauben es sowohl dem gestressten Manager als auch den überforderten Studenten, Schülern oder Hausfrauen Copingstrategien durchzuführen. Sei es in Form von Arbeitsumstrukturierung, Delegation, Ruhepausen oder einem schönen Urlaub,  aber auch Entspannungsübungen wie PMR von Jacobson (Vgl. Hainbuch, 2010), Selbstwirksamkeitsstrategien, positive Glaubenssätze oder unterstützende Literatur  wie bspw. “ 12 Rules for life – an antidote to chaos“ von Peterson (Vgl. Peterson, 2018) können hilfreich sein. Uminterpretieren, sowie Neubewertung  sind zusätzliche hilfreiche Möglichkeiten. Zudem schließen sich die einzelnen Copingvarianten nicht aus, sondern können ergänzend Anwendung finden.

Ausblick

Durch die Unterstützung psychologischer Methoden stehen wirksame Verfahren zur Stressbekämpfung zur Verfügung. Die Bedeutung und Berechtigung lassen sich allein durch die Stressfolgeerkrankungen ableiten. Jeder Einzelne sollte allein aufgrund von Eigenverantwortung, sich Stress eingestehen und rechtzeitig Hilfe in Anspruch nehmen. Die Zeit in Bewältigungsstrategien zu investieren, ist wesentlich sinnvoller und angenehmer als lange Spitalsaufenthalte oder chronische Erkrankungen.  Somit kann jeder seinen Weg zu einem glücklicheren, erfüllten Leben finden.

Es ist aber nicht nur die persönliche Tragweite zu sehen, auch volkswirtschaftlich schlägt sich diese Problematik nieder. Gezielte Präventivmaßnahmen könnten in Form von Vorträgen  und Kursen in den Unternehmen angeboten werden, um so die Betroffenen auf die Folgen von Überforderung aufmerksam zu machen und Unterstützung anzubieten. Dadurch wären viele Erkrankungen schon im Ansatz abzuwenden.

Fazit

Die Erkenntnisse von Lazarus und Folkmann stellen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität dar und dienen darüber hinaus als Präventivmaßnahme zur Vermeidung von schwerwiegenden stressbedingten Folgeerkrankungen. Welcher Priorität der Stressbekämpfung inne wohnt und wie bedeutend ein wirksames Konzept dazu ist, zeigen die steigenden Zahlen der Krankenstände, die auf Überforderung zurückzuführen sind. Das „Transaktionale Stressmodell“ bietet einen Ausweg aus einem Teufelskreis, den Betroffene oftmals nicht von alleine zu durchbrechen vermögen.

Literatur

Aronson, E., Wilson, T., Akert, R., (2014), Sozialpsychologie, Hallbergmoos: Pearson

Becker-Carus, C. (2004), Allgemeine Psychologie (1. Auflage), München: Spektrum Verlag

Frey, D., Irle, M. (2002), Theorien der Sozialpsychologie (2. Auflage), Bern: Huber

Hainbuch, F., (2010), Progressive Muskelentspannung, München: Gräfe und Unzer Verlag

Holsboer, F., (1993), Stress und Hormone, Zugriff am 13.08.2020, Verfügbar unter https://www.spektrum.de/magazin/stress-und-hormone/820829

Nerdinger, F. W., Blickle, G., Schaper, N., (2019), Arbeits- und Organisationspsychologie (4. Auflage), Heidelberg: Springer Verlag

Pawlik, K., (2006), Handbuch Psychologie, Heidelberg: Springer-Verlag

Peterson, J. (2018), 12 Rules of Life -an antidote to chaos, Kanada: Penguin Random House

Schmidt- Azert, L., Amelang, M., (2006), Psychologische Diagnostik (5. Auflage) Berlin, Heidelberg: Springer Verlag

Beitragsbild: Teich, 2020, fotografiert von Susanne Svejda

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