Psychotherapeuten sind dafür bekannt, dass sie in der Lage sind eine gute Bindung zu ihren Klienten aufzubauen. In der Verhaltenstherapie beispielsweise setzen Therapeuten auf eine Arbeitsbeziehung, die aufgaben- und lösungsorientiert gestaltet wird sowie eine positive und ressourcenorientierte Grundhaltung auf Seiten des Therapeuten voraussetzt (Lammers, 2017, S.40). Unabhängig der Therapieschule sollte der Therapeut flexibel sein, wenn es um das Beziehungsangebot geht (Lammers & Schneider, 2009, S.469-485). Die therapeutische Einstellung sollte darüber hinaus von unbedingter Wertschätzung und Empathie für den Patienten geprägt sein, was sich entsprechend in empathischem und unterstützendem Verhalten widerspiegelt (Margraf & Schneider, 2018, S.388). Doch nicht nur innerhalb der Psychotherapie ist es wichtig gute Bindungen durch Wertschätzung und Empathie aufzubauen. Ebenso relevant ist der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen auf dieser Basis im beruflichen Kontext.
Wertschätzung ist in der Arbeitsumwelt noch ausbaufähig
Dass an dieser Stelle ein Bedarf besteht, zeigen Ergebnisse einer Umfrage, bei der 33% der Deutschen angaben, dass sie sich mehr Wertschätzung für ihre Arbeit wünschen (Nier, 2017). Eine weitere Befragung jüngerer Generationen von Geburtsjahrgang 1985 bis Jahrgang 2002 über Gründe für einen Arbeitsplatzwechsel in den nächsten zwei Jahren ergab, dass durchschnittlich 19% (minimal 15%, maximal 23%) der Teilnehmer aufgrund fehlender entgegengebrachter Wertschätzung den Arbeitsplatz wechseln wollen (Pawlik, 2020). Nun stellt sich aus Sicht der Arbeitgeber die Frage danach welche Vorteile es für sie gibt, wenn die Mitarbeiter sich in ihrem Arbeitsumfeld wertgeschätzt fühlen und auch dazu existieren bereits einige Forschungsdaten.
Vorteile, wenn Mitarbeiter sich und ihre Tätigkeit wertgeschätzt empfinden
Dafür sind zunächst die Arbeiten des finnischen Instituts für Arbeitsmedizin zu nennen, welche in langjährigen Studien nachweisen konnten, dass die Anerkennung durch Vorgesetzte zu einer 3,6fach erhöhten Chance führt die Arbeitsfähigkeit eines Mitarbeiters zu verbessern. Der Zusammenhang funktionierte dabei auch in die entgegengesetzte Richtung: Mitarbeiter, bei denen Wertschätzung und Anerkennung vermindert werden, haben ein 2,4fach höheres Risiko der Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit (Geißler, Bökenheide, Schlünkes & Geißler-Gruber, 2007, S.33). Fehlende oder mangelnde Anerkennung im Zusammenhang mit Leistung bei moderner Erwerbsarbeit verdopple nach weiteren Untersuchungen außerdem das Risiko des Auftretens einer stressassoziierten Erkrankung (Rieder, 2011, S.25). Nicht zuletzt kann hinzugefügt werden, dass die Wertschätzung guter Arbeit von Mitarbeitern dazu führt, dass diese Aufgaben auch in künftigen Projekten motivierter erledigen (Gerlof, 2015, S.58). Insgesamt lässt sich also festhalten, dass Arbeitgeber insbesondere von der erhöhten Produktivität der Mitarbeiter profitieren, wenn ihre Mitarbeiter sich und ihre Tätigkeit als wertgeschätzt und anerkannt erleben. Dabei ist auch der indirekte Produktivitätsgewinn zu nennen, der durch weniger krankheitsbedingte Fehltage im Zusammenhang mit Stress begründet werden kann. Somit liegen allerhand Gründe vor, um Verbesserungen in Bezug auf die Anerkennung und Wertschätzung im Berufsleben vorzunehmen.
Wie kann Wertschätzung im Arbeitsumfeld umgesetzt werden?
Eine wichtige Voraussetzung für Wertschätzung im Beruf ist dabei, dass ein Beziehungsrahmen geschaffen wird, in welchem eine gleichgestellte Beziehung auf Augenhöhe entstehen kann (Massini, 2019. S.31). Im psychotherapeutischen Kontext wird dabei auch von bedingungsloser positiver Beachtung gesprochen, worunter zu verstehen ist, dass die Person um ihretwillen geachtet wird und damit so wie sie ist (Weinberger, 1980, S.22). Für eine Führungsperson bedeutet das selbstverständlich nicht, dass über sämtliche tätigkeitsbezogene Fehler hinweggesehen werden muss, sondern vielmehr, dass Mitarbeiter unabhängig der Position und der jeweiligen Persönlichkeit gleichwertig behandelt werden sollten.
Wenn diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, können Vorgesetzte beginnen aktiv zu loben und die Menschen in ihren Unternehmen wertzuschätzen. In der Praxis bedeutet das in Meetings oder im direkten Gespräch authentisches und motivierendes Feedback zu geben oder sich für erzielte Ergebnisse zu bedanken. Abzuwägen gilt es in diesem Zusammenhang wann und wie oft dies angebracht ist. Schließlich könnte eine Überhäufung mit positivem Feedback dazu führen, dass dieses seine motivierende Wirkung verliert. Wenn es um den zeitlichen Abstand geht, so sollte darauf geachtet werden, dass Lob und Anerkennung möglichst nah mit der belohnten Tätigkeit zusammenhängen, damit diese korrekt assoziiert werden (Massini, 2019, S.33).
Ebenfalls kann die Wertschätzung dadurch gezeigt werden, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern zutrauen bestimmte Aufgaben in Eigenverantwortung zu lösen (Massini, 2019, S.35). Auf diese Weise wird deutlich, dass die Führungskräfte Vertrauen in die Kompetenz der Mitarbeiter besitzen, wodurch diese ihre Tätigkeit als sinnhaft und für das Unternehmen als wichtig erleben.
Die letzte Möglichkeit, die an dieser Stelle erläutert werden soll, um wertschätzendes Verhalten im Arbeitsumfeld zu verankern, basiert auf dem Modelllernen. Dementsprechend färbt sich das Verhalten von Führungskräften auch auf ihre Mitarbeiter ab, da in sozialen Zusammenhängen ebenso Nachahmungseffekte wirksam werden (Bak, 2019, S.41). Somit sollten Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um das Zeigen von Wertschätzung geht, damit sich infolgedessen auch die Mitarbeiter von diesem Verhalten anstecken lassen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine wertschätzende Grundhaltung und die damit einhergehende Anerkennung wichtig sind, damit Mitarbeiter ihre Arbeit in Unternehmen motiviert, produktiv und gesund bewältigen können. Für Führungskräfte, Vorgesetzte und Arbeitgeber bedeutet das die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. Das ist keinesfalls immer einfach, zumal Betriebsstrukturen sich stark unterscheiden können, genauso wie die Menschen, die in ihnen tätig sind. Dennoch besitzen Konzepte rund um die Wertschätzung im Arbeitsumfeld wohl auch in Zukunft sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf sozialer Ebene großes Potenzial, um Unternehmen nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Literatur
Bak, P. M. (2019). Lernen, Motivation und Emotion. Allgemeine Psychologie II – das Wichtigste, prägnant und anwendungsorientiert.
Geißler, H., Bökenheide, T., Schlünkes, H. & Geißler-Gruber, B. (2007). Faktor Anerkennung: Betriebliche Erfahrungen mit wertschätzenden Dialogen. Campus Verlag, 1. Edition.
Gerlof, H. (2015). Zur modernen Mitarbeiterführung gehört Motivation, Wertschätzung und Offenheit. Gynäkologie + Geburtshilfe 20, 58.
Lammers, C. (2017). Therapeutische Beziehung und Gesprächsführung. Techniken der Verhaltenstherapie. Beltz Verlag, 1. Auflage.
Lammers, C & Schneider, W. (2009). Die therapeutische Beziehung. Psychotherapeut 54,469–485
Margraf, J. & Schneider, S. (2018). Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1, Grundlagen, Diagnostik, Verfahren und Rahmenbedingungen psychologischer Therapie. Springer, Berlin, Heidelberg.
Massini, G. (2019). Klarheit und Wertschätzung in der Führung. Ein Leitfaden für Vorgesetzte und Führungskräfte in Unternehmen und Organisationen. Springer, Gabler, Wiesbaden.
Rieder, J. (2011). Anerkennung, Respekt & Wertschätzung! Pro Care 16, 25.
Weinberger, S. (1980). Klientenzentrierte Gesprächsführung. Beltz Verlag.
Internetquellen
Nier, H. (2017). Berufliche Vorsätze für das neue Jahr. Verfügbar unter:
https://de.statista.com/infografik/8036/berufliche-vorsaetze-fuer-das-neue-jahr/
Zuletzt aufgerufen am: 31.01.2021
Pawlik, V. (2020). Millennials und die Generation Z zu Gründen für den Arbeitgeberwechsel 2019. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1024579/umfrage/millennials-und-die-generation-z-zu-gruenden-fuer-den-arbeitgeberwechsel/
Zuletzt aufgerufen am: 31.01.2021
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