By Published On: 9. März 2021Categories: Psychologie

Am Sonntag dem 07.03.2021 sagten 51.2% der  SchweizerInnen Ja zur sogenannten Burkaverbot Initiative. Dies heisst nun, dass es in Zukunft in der Schweiz nicht mehr erlaubt ist, eine Burka zu tragen (Hardegger & Sieber, 2021).  

Obwohl die Initiative nur knapp angenommen wurde, gilt dieses Gesetz in der Schweiz nun. Während die Befürworter des Gesetzes damit argumentierten, dass dies ein Zeichen gegen den politischen Islam ist, der durch die Burka gezielt Frauen unterdrückt, argumentierten die GegnerInnen der Initiative damit, dass es in einem liberalen Staat jeder und jedem selbst überlassen sein soll, was er oder sie anzieht und in der Verfassung keine Kleidervorschriften zu stehen haben (Hardegger & Sieber, 2021).  

Tatsächlich wurde im Rahmen der Initiative ein Phantom gejagt. Schätzungsweise tragen lediglich 95-135 Personen in der Schweiz eine Burka. Sieht man dennoch einmal eine Burka-Trägerin, so sind dies oftmals TouristInnen (SwissInfo.ch, 2019). 

Dennoch konnte die rechte Schweizerische Volkspartei erneut erfolgreich mit ihrer Kampagne an die Angst der Bevölkerung appellieren. Bereits im Rahmen der «Ausschaffungsinitiative» machten sie dies erfolgreich. Nun existiert in der Schweiz deshalb ein Gesetz, das besagt, dass kriminelle MigrantInnen in ihr «Heimatland» abgeschoben werden müssen (SVP, 2014).

Zurecht sollte man sich also die Frage stellen, weshalb die Partei mit ihren populistischen Kampagnen erfolgreich ist, auch wenn objektiv in der Gesellschaft ein Problem kritisiert wird, das vergleichsweise marginal ist.

Politik auf Grundlage der Sozialen Identität 

Die Schweizerische Volkspartei arbeitet stark mit den Kategorien von «Wir» und «Sie». In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betrachten, wie diese Konstrukte auf psychologischer Ebene genutzt werden. 

Wichtig ist dabei das psychologische Konzept der Sozialen Identität. Dieses Konzept geht davon aus, dass das situative Selbstkonzept im Wesentlichen durch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe definiert wird. Die soziale Gruppe wiederum definiert sich durch die Eigengruppe und die Fremdgruppe und bestimmt sich über Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der Gruppen. In diesem Zusammenhang gruppieren sich Menschen stets auf verschiedenen Ebenen. Eine Psychologiestudentin, welche sich als solche gruppiert, grenzt sich dadurch beispielweise von den MathematikstudentInnen ab. Gruppiert sie sich jedoch in einer anderen Situation als Studentin, so grenzt sie sich in diesem Moment von Personen ab, welche nicht studieren. Es handelt sich also stets um eine situative Betrachtung, die sich verändern kann. Neben der situativen Kategorisierung existieren jedoch auch konstante persönliche Präferenzen der Selbstkategorisierung (Kessler & Fritsche, 2017, S. 71). 

In einer Situation der Kategorisierung kann dieser Effekt dazu führen, dass sich Personen nicht mehr über ihre individuellen Merkmale definieren, sondern sich über die Gruppenmerkmale identifizieren. Sie definieren sich dann als Mitglieder der Eigengruppe und übernehmen auch die wahrgenommenen Stereotype dieser Gruppe (Kessler & Fritsche, 2017, S. 71). 

Die Schweizerische Volkspartei nutzt also diesen Effekt der sozialen Kategorisierung, indem sie durch ihre Kampagnen ein soziales Gruppengefühl konstruieren, in dem es die Eigen- und die Fremdgruppe gibt. Sie zeichnen dabei ein Bild der Bedrohung der Eigengruppe durch die Fremdgruppe. Sie fordern also dazu auf, dass sich die Eigengruppe verteidigen muss, damit die soziale Gruppe bestehen bleibt. Dabei arbeiten sie gezielt damit, dass die eigenen Werte und Identitäten der Eigengruppe angegriffen und bedroht werden. 

Der «Black-Sheep» Effekt

Wie bereits dargestellt, ist die Definition der Eigengruppe für die RechtspopulistInnen ein wichtiges Element. Haben sie diese Eigengruppe erfolgreich konstruiert, wird das Verhalten von Personen, welche nicht zu dieser Eigengruppe gehören, systematisch kritischer beurteilt. Eine wichtige Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist der «Black-Sheep» Effekt. 

Fühlt man sich einer Gruppe zugehörig, so kann negatives Verhalten der gruppenzugehörigen Mitglieder auch auf sich selbst zurückfallen. Dies wiederum bedroht das Gefühl der eigenen Identität. Die Menschen neigen dazu, negatives Verhalten der eigenen Gruppenmitglieder stärker zu verurteilen und positives Verhalten der eigenen Gruppenmitglieder stärker hervorzuheben. Ziel dabei ist es eine allgemeine positive Distinktheit aufrechtzuerhalten. Die Gruppe definiert sich dabei durch Werte und Normen, werden diese nun durch Gruppenmitglieder verletzt, werden diese Verletzungen nun als negativer wahrgenommen, wenn sie durch die eigenen Gruppenmitglieder stattfinden, als wenn sie ausserhalb der Gruppe vorkommen.  Es handelt sich dabei also um ein motivationales Phänomen, durch das die eigene Gruppe und die eigene soziale Identität geschätzt werden soll (Cohrs, 2003). 

Die Schweizerische Volkspartei konstruiert dabei eine Gruppe der SchweizerInnen, dies sind die Personen, welche in der Schweiz leben. Dabei konstruieren sie ein Bild einer Gruppe, welche situativ auf die Kampagnen angepasst sind. Im Falle des Burkaverbots zeichnen sie ein Bild der Schweiz, welche sich auf «fortschrittliche» Werte beruft. Als fortschrittlich definieren sie dabei die Ablehnung des politischen Islams und der damit einhergehenden Unterdrückung der Frau. Das von dieser Norm abweichende Verhalten innerhalb der eigenen Gruppe, also von jenen Personen, die in der Schweiz leben, soll nun bestraft werden. So interessiert es sie nicht, wenn die Burka in anderen Kulturen getragen wird, aber in der eigenen Gruppe soll es bestraft werden. 

Auch im Rahmen der Ausschaffungsinitiative arbeiteten sie mit diesem doppelten Standard. Vermeintliche AusländerInnen, welche in die Gruppe durch die Einwanderung eingetreten sind, müssen sich umso stärker an die Regeln und Gesetze der Gruppe halten. Machen sie dies nicht, werden sie aus der Gruppe ausgeschlossen. Dabei werden sie nicht nur sozial ausgeschlossen, nein, sie werden sogar vom «Territorium» der Gruppe durch die Ausschaffung verwiesen. 

Alternativen zum Populismus

Bei der Bildung der sozialen Identität hat wie dargestellt die Gruppenzugehörigkeit eine entscheidende Rolle. Dies ist nicht per se schlecht, es dient dazu unsere Identität zu stabilisieren und gibt den Menschen Sicherheit. Jedoch hat dies aber auch negative Effekte. So kann es dazu führen, dass wir im Rahmen der Gruppenidentifikation selbst die Stereotypen der Gruppe annahmen und dabei die eigene Individualität begrenzen. 

Auch der Black-Sheep Effekt führt zu Verzerrungen, in dem die eigene Gruppe überproportional gut bewertet wird und negatives Verhalten einzelner Gruppenmitglieder überproportional stark negativ bewertet wird. 

Doch wie kann eine aufgeklärte Gesellschaft diesen Effekten entgegentreten, wenn sie gezielt eingesetzt werden, um einzelne Gruppenmitglieder anzugreifen und ein nationalistisches Klima geschaffen wird?

Wichtig dabei ist die Aufklärung über eben diese Mechanismen und das Hinterfragen der konstruierten Gruppenbilder. Die Bildung nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Dies zeigte sich auch in der Abstimmungsanalyse zur Ausschaffungsinitiative. Je tiefer der Bildungsstand war, desto höher war die Zustimmung in der Bevölkerung zur Ausschaffungsinitiative (Milic & Vatter, 2010). 

Eine liberale Gesellschaft sollte durch Bildung darauf einwirken, dass sich die Menschen der Bedeutung des Individuums bewusst sind. Das Wissen darüber, dass wir uns situativ Kategorisieren und dass dabei auch das Risiko besteht, andere Gruppen abzuwerten und die eigene Gruppe aufzuwerten, ist dabei zentral. Auch eine kritische Betrachtung des Black-Sheep Effekt ist von grosser Bedeutung. Die Menschen müssen sich erneut bewusstwerden, dass Kollektivismus nicht der Weg in die Freiheit ist, sondern der Weg in die Tyrannei der Gruppe. 

In einer liberalen Demokratie muss das Individuum das Zentrum der Freiheit sein, und diese Freiheit endet erst, wenn sie die Freiheit von anderen beschränkt. 

Quellen:

Cohrs, J. (2003). Von konstruktiven Patrioten und schwarzen Schafen: Nationale Identifikation und Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit. Bielefeld: Universität Biefeld.

Hardegger, A., & Sieber, F. (07. 03 2021). nzz.ch. Von https://www.nzz.ch/schweiz/verhuellungsverbot-e-id-freihandelsabkommen-schweiz-stimmt-ab-ld.1603139?reduced=true abgerufen

Kessler, T., & Fritsche, I. (2017). Sozialpsychologie. Wiesbaden: Springer.

Komitee, E. (2021). www.egerkingerkomitee.ch. Von https://egerkingerkomitee.ch abgerufen

Milic, T., & Vatter, A. (2010). Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 28. November 2010. Bern: Universität Bern.

SVP. (21. 05 2014). svp.ch. Von https://www.svp.ch/news/artikel/medienmitteilungen/staenderat-verschleppt-umsetzung-der-ausschaffungsinitiative-weiter/ abgerufen

SwissInfo.ch. (12. 12 2019). SwissInfo.ch. Von https://www.swissinfo.ch/ger/verhuellung_wird-die-burka-in-der-schweiz-verboten-/45430824 abgerufen

Bild, Pixabay https://pixabay.com/de/photos/spielfigur-symbolik-anführer-gruppe-598036/

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