By Published On: 3. April 2021Categories: Pädagogik, Psychologie

In meinem Bekanntenkreis arbeiten viele ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen. Oft fallen dabei die Gesprächsthemen auch auf den Einfluss von Sozialen Medien auf die Kinder und Jugendlichen. Die subjektive Einschätzung der ErzieherInnen ist klar, die Sozialen Medien beeinflussen die SchülerInnen stark. Insbesondere die Beschäftigung mit äusserst intensivem Cybermobbing stellt die Lehrkräfte immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Problematik sehen sie insbesondere darin, dass das Internet nicht vergisst und diffamierende Inhalte über Betroffene sich rasch und weit verbreitet. Während früher ein Kind vielleicht von einige in der Klasse gemobbt wurden, werden diffamierende Inhalte heutzutage bereits Schulen übergreifend verschickt und sich dadurch das Mobbing stark ausweitet. 

Den Höhepunkt erreichte meine persönliche Erfahrung, als mich ein Arbeitskollege anrief und sagte, er könne heut nicht zu Arbeit kommen, da er mit seiner Tochter zur Polizei müsse, um eine Aussage zu machen. Der Grund des «Besuchs» bei der Polizei. Seine Tochter ist in der Schule in einen schweren Cybermobbing-Fall involviert, indem ein Junge der Klasse mit einer diffamierenden, peinlichen Bild von ihm erpresst wurde. 

Mit seinen zwei Töchtern beschäftigen ihn die Auswirkungen der Sozialen Medien auf sie stark. Um genau zu sein, sie belasten ihn. Die 10 und 12 Jahre alten Töchter verbringen viel Zeit auf den Sozialen Medien. Sie verbreiten auch selbst Inhalte auf Instagram, Snapchat und TikTok. Nun stellte er bei beiden Töchtern Verhaltensveränderungen fest. Sie wirken beide vermehrt traurig, die ältere Tochter stärker als die Jüngere. Sie ist nun sogar in Behandlung aufgrund einer depressiven Episode. Erschwert hat sich die Situation zusätzlich durch einen Umzug und einen damit zusammenhängenden Schulwechsel. Bei Gesprächen sagte er mir, dass sich die Kinder stets auf den Sozialen Medien vergleichen. Seine jüngere Tochter zu ihm am Nachttisch gesagt habe, sie möchte nicht viel essen, da sie «hässlich» sei. Grund genug sich intensiver damit zu beschäftigen, ob die Sozialen Medien mitverantwortlich für diese Verhaltensveränderungen sind. 

Negative Effekte der Social Media Nutzung auf Kinder- und Jugendliche

Englische ForscherInnen untersuchten in einer Längsschnittstudie mit insgesamt 866 Jugendlichen im Alter von 13 bis 16 Jahre die Auswirkungen der Sozialen Medien auf die Jugendlichen. Dabei stellten sie insbesondere Zusammenhänge zwischen der Nutzungsdauer von Sozialen Medien und der psychischen aber auch der physischen Gesundheit fest. Ein hoher Nutzungsgrad der Sozialen Medien führt gemäss dieser Studie dazu, dass die Jugendlichen weniger schlafen und sich das Risiko von Cyber-Mobbing erhöht. Bei Mädchen wurde dabei jedoch ein vergleichsweise kleiner Effekt gefunden. Eine hohe Nutzungsintensität der Sozialen Medien erhöhte die Chance einer schlechten psychischen Gesundung um 1,3. Bei Jungen erhöht sich das Risiko jedoch um 1,67. Jedoch besteht bei dieser Studie die Gefahr, dass der erkannte Zusammenhang ein Artefakt darstellt. Ob die negative psychische Gesundheit tatsächlich lediglich auf die Nutzungsdauer der Sozialen Medien zurückgeführt werden kann, müsste noch weiter überprüft werden (Viner, et al., 2019).

Eine weitere umfassende Studie bezüglich des Einflusses der Sozialen Medien auf Jugendliche wurde ebenfalls in England durch die Royal Society for Public Health im Jahre 2017 durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden die Daten von 1479 Jugendlichen im Alter von 14-24 Jahren ausgewertet. Auch in dieser Studie konnten negative Effekte der Nutzung der Sozialen Medien auf den Schlaf und die psychische Gesundheit festgestellt werden. Ausschlaggebend für die detaillierte Untersuchung war, dass die Anzahl von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen, insbesondere Angsterkrankungen, in England in den letzten 25 Jahren um 7% gestiegen sind. Insbesondere stellten die ForscherInnen fest, dass sich die Sozialen Medien negativ auf das eigene Selbstbild auswirken. So gaben 90% der befragten Mädchen an, dass sie mit ihrem Körperbild unzufrieden sind. Ganze 70% gaben an, dass sie sich vorstellen könnten, durch chirurgische Eingriffe den Körper zu verändern. Weitere 70% gaben an, dass sie bereits einmal Opfer von Cyber-Mobbing geworden sind. Es wurden jedoch auch positive Aspekte von Sozialen Medien festgestellt. So waren 70% der Befragten der Meinung, dass sie durch Online.Communities wichtige soziale Unterstützung erhalten. Weiter zeigt sich, dass die Jugendlichen Soziale Medien auch für den Wissenserwerb nutzen. Der negativste Effekt auf die Jugendlichen konnte bei Instagram festgestellt werden, die Plattform hält sie stark vom Schlaf ab und beeinflusst ihr Selbstwertgefühl. Positive Effekte konnten bei der Plattform YouTube festgestellt werden (Cramer & Inkster, 2017). 


Wie sollen Jugendliche mit Sozialen Medien umgehen?

Für betroffene Eltern stellt sich nun berechtigterweise die Frage, wie sie ihre Kinder beim Umgang mit den Sozialen Medien unterstützen können, damit negative Effekte eingedämmt werden können. Richtwerte sprechen dabei insbesondere bei der Nutzungsdauer bei 6-9-Jährigen pro Wochen von max. 5 Stunden und bei Jugendlichen von 10-12 Jahre von maximal 10 Stunden Bildschirmzeit pro Woche. Diese Begrenzung ist wichtig, damit Jugendliche und Kinder sich in ihrer Freizeit auch mit Bewegung beschäftigen und sich an der frischen Luft bewegen (Süss & Gärtner, 2019).

Wichtig dabei ist auch, dass Eltern gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen das Thema Soziale Medien, ihre Chancen und Risiken thematisieren. Ein offenes Verhältnis ist dabei zentral. Die Kinder sollen stets wissen, dass sie sich bei Fragen oder Ängsten in diesem Zusammenhang an die Eltern wenden können. Wichtig ist auch, dass die Eltern dafür sorgen, dass die Privatsphäre-Einstellungen der Kinder richtig definiert sind und sie so im Internet geschätzt sind (Süss & Gärtner, 2019).

Ein wichtiger Faktor ist aber auch die gezielte Vermittlung von Medienkompetenz durch die Schule. So soll den Kindern der richtige Umgang mit Medien in der Schule nähergebracht werden. Insbesondere soll auch auf die Problematik des Cybermobbing sowie der verzerrten Realität in den Sozialen Medien besprochen werden. So können die Kinder lernen, die Sozialen Medien und deren Inhalte differenziert wahrzunehmen. Dies soll dazu dienen, dass Kindern eine realistische Einschätzung von Körperbildern erhalten, was Ängsten und Angriffen auf das Selbstwertgefühl entgegentreten soll (Süss & Gärtner, 2019). 

Fakt ist, dass Soziale Medien auch in Zukunft für Kinder und Jugendliche von hoher Relevanz sein werden. Die Chancen und Gefahren gilt es dabei zu betrachten und den negativen Effekten in Form von Prävention entgegenzutreten. Dafür müssen aber sowie Eltern als auch LehrerInnen für diese Thematik sensibilisiert und aufgeklärt sein. Es würde also durchaus Sinn machen, in diesem Bereich staatlich unterstütze Präventionsprogramme für Schulen und Eltern zur Verfügung zu stellen. 

Quellen:

Bild, Pixabay https://pixabay.com/de/illustrations/wie-ich-typografie-muster-wie-5972690/

Viner, R., Gireesh, A., Stiglic, N., Hudson, L., Goddings, A.-L., & Ward, J. (13. August 2019). Role of cyberbulling, sleep, and physical activity in mediating the effects of social media use on mental health and wellbeing among young people in England: a secondary analysis of longitudial data. The Lancet Child & Adolescent Health.

Cramer, S., & Inkster, B. (2017). Status of Mind: Social media and young peoples mental health and well being. London: Royal Society for Public Health.

Süss, D., & Gärtner, L. (2019). Medienkompetenz: Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Medien. Zürich: Zürcher Hochschule für angwadnte Wissenschaften.

Abbildungsverzeichnis

Beitragsbild, Pixabay

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