By Published On: 23. November 2022Categories: Wiki, Wirtschaft

„Ich bin nicht hier um mich weiterzuentwickeln“ – diese Aussage einer Mitarbeiterin der Deutschen Rentenversicherung gegenüber ihrem Abteilungsleiter macht nachdenklich. Sie impliziert den Unwillen eigener Reflexion und der fehlenden Bereitschaft hinzuzulernen. Was zunächst als private Angelegenheit gedeutet werden kann, hat aber ebenso Auswirkungen auf das Unternehmen. Organisationen stehen unter dem Einfluss der Megatrends vor zahlreichen Herausforderungen. Sie sind gezwungen, Strategien und Agitation an sich verändernde Realitäten anzupassen, um weiterhin erfolgreich zu sein. Die Fähigkeit Wissen zu generieren, aktualisieren und abzurufen, ist hierbei die Kernaufgabe organisationalen Lernens (Franken & Franken 2020, S. 197). Allerdings ist organisationales Wissens auch oft implizites Wissen, das sich bspw. in Prozeduren und Routinen äußert. Entscheidend ist also, dass individuelles Wissen auch der Organisation – und somit seinen Mitgliedern – zugänglich gemacht wird. Dies erfordert eine Kommunikation über sämtliche Hierarchien hinweg (Schildknecht 2020, S. 93). Eben dies macht es unbedingt notwendig, dass Mitarbeiter grundsätzlich die Bereitschaft zum individuellen Lernen und Fähigkeit zur Reflexion ihrer Handlungen mitbringen (Bertram et al. 2014, S. 2).

Formen des organisationalen Lernens

Organisationales Lernen kann in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen:

  • Vermitteltes Lernen in Unternehmen: Lernen entsteht aus den Erfahrungen eines anderen Unternehmens (z.B. durch Austausch der Mitarbeitenden auf Kongressen)
  • Organisationales Lernen durch Erfahrung und Lernen aus Fehlern: Lernen entsteht durch Versuch, Irrtum und gesammelten Erfahrungen
  • Inkorporation neuer Wissensbestände: Lernen entsteht durch die Aufnahme externen Wissens (z.B. durch Unternehmensfusionen, Experten oder neue Technologien) (Franken & Franken 2020, S. 217).

Damit die gewonnenen Erkenntnisse für die Organisation zugänglich sind und ein nachhaltiges Lernen erfolgen kann, muss dieses Wissen systematisiert werden (Schilling & Kluge 2013, S. 93).

Wissensmanagement: Schubladen für Erlerntes

Ein Instrument dafür ist das sogenannte Wissensmanagement. Wissenssysteme können in Form von Social Software-Technologien wie Experten-Suchdienste, Jobprofile oder Wissenslandkarten zur Verfügung stehen (Bertram et al. 2014, S. 25–26). Allerdings ist das Preisgeben von Wissen nicht zu unterschätzen. Das ‚Informations-Austausch-Dilemma‘ ist „Die dominante Strategie für den einzelnen Nutzer (…), möglichst wenig mit seinem Wissen zur gemeinsamen, öffentlichen Informationssammlung beizutragen. Wenn aber alle MitarbeiterInnen so handeln, muss das Wissensmanagement zwangsläufig scheitern.“ (Bertram et al. 2014, S. 29).

Individuelle Anreize können hier Abhilfe schaffen, z.B. durch Belohnungen (Bertram et al. 2014, S. 29). Im Hinblick auf ausscheidende Mitarbeiter und damit drohendem Wissensverlust kann als Praxisbeispiel das TransferWerk der Salzgitter AG angeführt werden. Hier bilden Wissensträger und Nachfolger (Wissensnehmer) ein Wissenstandem und fertigen mit der Unterstützung eines Moderators eine Jobmap mit allen wichtigen Informationen. Durch die daraus folgende Anerkennung und Wertschätzung durch Wissensnehmer und Moderator soll der scheidende Mitarbeiter zur großzügigen Wissensweitergabe animiert werden (Bertram et al. 2014, S. 33–34). Kritisch sei hier jedoch anzumerken, dass dies ein theoretischer Idealfall ist. Nicht immer gehen scheidende Mitarbeiter im Guten und mit dem Willen, ihr Wissen der Organisation gerne zur Verfügung zu stellen. Persönliche Differenzen mit Vorgesetzten oder Kollegen bzw. ein allgemeines, schlechtes Betriebsklima sind Faktoren, die eine große Rolle spielen. Auch bei Mitarbeitern, die im Unternehmen bleiben, darf der Aspekt des Konkurrenzdenkens nicht vergessen werden. Wissensweitergabe bedeutet auch eine Stärkung Anderer, die möglicherweise in einem potenziellen Konkurrenzkampf um Posten, Macht oder Belohnung stehen. Hier müssen andere Ansätze diskutiert werden.

Fazit

Lernende Organisationen sind nur möglich durch die individuelle Lernbereitschaft der Mitarbeiter und durch die Weitergabe von individuellem Wissen. Damit kein Wissensverlust droht, kann das Wissen systematisiert und somit allen Beteiligten zugänglich gemacht werden. Belohnungen und Wertschätzung bilden einen Anreiz, individuelles Wissen zu teilen und weiterzugeben.


Literatur

Bertram, J./Cress, U./Erlach, C./Knipfer, K./Kump, B./Matyssek, A. K./Moskaliuk, J./Scholl, A./Wessel, D./Wodzicki, K. (2014), Lernen und Wissensaustausch in Organisationen: Individuelle und kollektive Ansätze. In: Cress, U./Hesse, F. W./Sassenberg, K. (Hrsg.), Wissenskollektion, Wiesbaden, S. 1–53.

Franken, R./Franken, S. (2020), Organisationales Lernen. In: Franken, R./Franken, S. (Hrsg.), Wissen, Lernen und Innovation im digitalen Unternehmen, Wiesbaden, S. 197–243.

Schildknecht, K. (2020), Lernen im Wissenstransfer. In: Ackermann, B./Krancher, O./North, K./Schildknecht, K./Schorta, S. (Hrsg.), Erfolgreicher Wissenstransfer in agilen Organisationen, Wiesbaden, S. 71–97.

Schilling, J./Kluge, A. (2013), Organisationales Lernen. In: Krause, D. E. (Hrsg.), Kreativität, Innovation, Entrepreneurship, Wiesbaden, S. 233–250.


Bildquelle

Photo by Hubi .img on Unsplash, https://unsplash.com/photos/SiOJXlWeWc0, abgerufen am 13.11.2022

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