Die Anonymität des Internets verleitet so scheint es, viele dazu alles sagen zu dürfen, unabhängig davon an wen oder was es gerichtet ist. Dabei berufen sie sich auf ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit gilt Hate Speech als freie Meinungsäußerung und ab wann sind solche Äußerungen strafbar.
Was ist Hate Speech?
Der Linguist Jörg Meibauer (2013) definiert Hate Speech als „den sprachlichen Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen, insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen“ (Ernst, 2021). Für Hate Speech wird keine persönliche Beziehung zwischen dem Hassenden und den Gehassten benötigt. Denn Hass steigert sich vor allem, wenn zu wenig oder gar kein Kontakt zu der gehassten Gruppe besteht. Häufig spielt hierbei auch das Machtverhältnis zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheitsgruppen eine wichtige Rolle (Garms-Homolová, 2022). Personen oder Personengruppen mit folgenden Hintergründen sind häufig von Hate Speech betroffen:
- Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
- Antisemitismus und Hass gegen Religionen
- Sexismus (insbesondere gegen Frauen)
- Homo- und Transphobie
- Behindertenfeindlichkeit
- Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft und des Aussehens (Hofmann, 2018).
Wie äußerst sich Hate Speech auf Social Media?
Eine aktuelle Forsa-Studie (2022) zur Wahrnehmung von Hassrede im Internet zeigt, dass 77 Prozent der Befragten bereits mit Hate Speech in Kontakt gekommen sind. Somit ist der Anteil zum Vorjahr (76 Prozent) geringfügig gestiegen.
Die sozialen Medien bieten eines der besten Instrumente zur Verbreitung von Hate Speech. Denn mit steigender Popularität steigt auch die Frequenz von Hate Speech. Der Ertrag von Hasskommentaren oder -postings sind zudem unverhältnismäßig groß, da solche Äußerungen millionenfach angeklickt und gelesen werden. Diese Postings reflektieren zum einen die Vorurteile und zum anderen können daraus neue, negative Stimmungen gegenüber der Personen oder der Gruppe induziert werden (Garms-Homolová, 2022). Laut Fischer und Kollegen (2018) sind insgesamt drei Faktoren für die Hasskommunikation in den sozialen Medien verantwortlich:
- Hate Speech wird zwischen den Gruppenmitgliedern geteilt. Somit wird der Hass zwischen ähnlich gesinnten Personen oder Mitgliedern einer Gruppe verbreitet.
- Menschen, die sich benachteiligt fühlen, übertragen dieses Gefühl auf die nachfolgende Generation.
- Die Einstellung gegenüber einer gehassten Person oder Gruppe kann nicht korrigiert werden, wenn die persönliche Kommunikation fehlt.
Im Allgemeinen sind Social-Media Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter und Co. gesetzlich dazu verpflichtet, Hate Speech zu identifizieren und zu entfernen. Dies muss innerhalb von 24 Stunden nach Veröffentlichung erfolgen. Denn diese Plattformen dürfen keine Anstachelung zum Hass oder zur Gewalt aufgrund von Rasse, Herkunft, Religion und Abstammung veröffentlichen. Außerdem dürfen sie keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen billigen, leugnen oder verharmlosen. Um dies gewährleisten zu können, gibt es eine Auswahl an Tools, die dabei behilflich sind, Hate Speech zuverlässig und automatisch zu erkennen und zu entfernen (Garms-Homolová, 2022).
Wie ist die Rechtslage?
Viele gehen davon aus, dass das Internet bzw. die Social-Media Plattformen als „rechtsfreier Raum“ gelten. Deshalb wird häufig davon ausgegangen, dass das Verfassen von Hasskommentaren nicht strafrechtlich verfolgt werden kann. Hierbei berufen sich die Verfasser von Hate Speech auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Allerdings gilt das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht uneingeschränkt. Auch wenn Hate Speech keinen feststehenden juristischen Begriff darstellt, können Betroffene rechtlich dagegen vorgehen. Sobald die Menschenwürde tangiert, das Persönlichkeitsrecht verletzt oder herabwürdigende Kritik geäußert wird, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) & klicksafe.de, 2016). Mögliche Strafbeständen sind zum Beispiel:
- Volksverhetzung (§ 130 StGB),
- Beleidigung (§ 185 StGB),
- Verleumdung (§ 187 StGB),
- Nötigung (§ 240 StGB),
- Bedrohung (§ 241 StGB),
- Öffentliche Aufforderung zur Straftat (§ 111 StGB).
Es werden zunehmend Listen mit Verunglimpfungen und Beleidigungen angefertigt, die dabei helfen sollen, Hassrede und Hassinhalte zu erkennen. Dies hat vor allem eine rechtliche Bedeutung, denn die Gerichte müssen immer wieder darüber entscheiden, ob eine beleidigende und verunglimpfende Äußerung den Tatbestand der Hassrede erfüllt oder ob es sich dabei um freie Meinungsäußerung handelt. Generell gilt Hassrede mit rassistischen und fremdenfeindlichen Inhalten müssen von EU-Mitgliedsstaaten verfolgt werden, auch wenn keine Strafanzeige durch die Opfer erfolgt (Garms-Homolová, 2022).
Was kann jeder Einzelne gegen Hate Speech tun?
Es gibt verschiedene Maßnahmen, wie jeder Einzelne aktiv gegen Hate Speech auf Social Media vorgehen kann:
- Für andere einstehen: Hate Speech ist für Betroffene sehr belastend. Zudem können solche Äußerungen auch (unbeteiligte) Beobachtende verunsichern. Nichtsdestotrotz ist schweigen keine Lösung. Aus diesem Grund ist es wichtig Hassrede zu entlarven und Betroffene Unterstützung anzubieten (z.B. in Form von Beweismaterialien sammeln).
- Gegenrede: Hiermit kann ein Zeichen gesetzt werden. Dabei geht es weder darum die Hassenden umzustimmen noch auf Hass mit Gegenhass zu reagieren. Gegenrede sollte auf Fakten basieren und möglichst Humor mit einbinden.
- Unangebrachte Inhalte melden: Es ist ratsam unangebrachte Inhalte von Hate Speech auf Social Media zu melden. Zudem sollte auch der Verfasser auf der jeweiligen Plattform gemeldet und blockiert werden.
- Aufklärung & Sensibilisierung: Jeder kann sowohl online als auch offline in seinem privaten Umfeld über Hate Speech aufklären (Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) & klicksafe.de, 2016; Wachs et al., 2021).
Literaturverzeichnis
Ernst, J. (2021). Medienkritik zwischen Hass- und Gegenrede: Videobasierte Rekonstruktion des medienkritischen Lernens Jugendlicher zu Hasskommentaren, Propagandavideos und Gegenbotschaften in schulischen Lernarrangements: Bd. Digitale Kultur und Kommunikation. Springer VS.
Fischer, A., Halperin, E., Canetti, D., & Jasini, A. (2018). Why we hate? Emotion review, 10(4), 309– 320. https://doi.org/10.1177/1754073917751229
Garms-Homolová, V. (2022). Sozialpsychologie der Zuneigung, Aufopferung und Gewalt: Über Liebe, prosoziales Verhalten, Aggression und Hass. Springer.
Hate Speech forsa-Studie 2022: Zentrale Untersuchungsergebnisse. (2022). [Ergebnisbericht einer Studie]. Landesanstalt für Medien NRW. https://www.medienanstalt-nrw.de/themen/hass/forsa-befragung-zur-wahrnehmung-von-hassrede.html
Hofmann, A. A. (2018). Hate Speech—Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Netz (Nr. 118; Themenblätter im Unterricht). Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), & klicksafe.de (Hrsg.). (2016). Hate Speech—Hass im Netz: Informationen für Fachkräfte und Eltern. Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS).
Wachs, S., Koch-Priewe, B., & Zick, A. (Hrsg.). (2021). Hate Speech—Multidisdisziplinäre Analysen und Handlungsoptionen: Theoretische und empirische Annäherungen an ein interdisziplinäres Phänomen. Springer VS.
Bildquelle
Photo by Jon Tyson on Unsplash, https://unsplash.com/photos/IYtVtgXw72M, abgerufen am 03.01.2023