Mit großer Aufmerksamkeit werden aktuell (November 2022) die Ereignisse in Scharm al-Scheich, einer Stadt in Ägypten am Roten Meer, verfolgt. Dort findet vom 6. bis zum 18.11.2022 die 27. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen statt. Ziel dieser Weltklimakonferenz ist es, die globale Erwärmung zu bekämpfen und die Emission von Treibhausgasen zu senken (Kiel & Richter 2022).
Auch wenn in den letzten Jahren zunehmend die Auswirkungen des menschlichen Handels auf die Umwelt thematisiert wird, so handelt es sich dabei um ein Themengebiet, das bereits seit Jahren betrachtet und diskutiert wird. In vielen Veröffentlichungen und Diskussionen wird dabei auf den Begriff der Nachhaltigkeit zurückgegriffen, der in diesem Beitrag näher definiert werden soll.
Definition Nachhaltigkeit
Eine der ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen, in denen sich der Nachhaltigkeit zugewandt wird, ist die Publikation Sylvicultura oeconomica des Oberberghauptmanns Hans Carl von Carlowitz aus dem Jahr 1713. Dieser hatte den Auftrag bekommen, die dauerhafte Nutzung des Waldes für den Bergbau im Erzgebirge sicherzustellen. In seiner Schrift empfahl von Carlowitz, dass nur so viel Holz geschlagen werden dürfe, wie anschließend nachwachsen kann. Dies wurde von ihm als eine „nachhaltende Nutzung“ bezeichnet (Kropp, 2019, S. 7).
Als Auslöser der heutigen Nachhaltigkeitsdebatte kann die 1972 veröffentliche Studie The Limits to Growth durch den Club of Rome angesehen werden (Mayer 2020, S. 1). Bei dem Club of Rome handelt es sich um einen Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Wirtschaft, Politik und Verwaltung, der mit dieser Studie die Probleme untersuchen wollte, „die ein exponentielles Wachstum der Erdbevölkerung, der Produktion von Nahrungsmitteln, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung und der Ausbeutung von Rohstoffen mit sich bringen würde“ (Kinne, 2020, S. 12). Auch wenn die Studie nicht von Kritik verschont wurde, so hat sie zwei wesentliche Aspekte im Bewusstsein vieler Menschen verankert: die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und die Notwendigkeit einer internationalen Umweltpolitik (Mayer 2020, S. 1).
Im Jahr 1987 wurde der Bericht Our Common Future vorgestellt, der auch als Brundtland-Bericht bekannt ist. Dabei handelt es sich um das Ergebnis der UN-Kommission World Commission on Environment and Development (WCED), die bereits vier Jahre zuvor im Jahr 1983 ihre Arbeit unter der Führung der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland aufgenommen hatte (Kropp, 2019, S. 7; Mayer, 2020, S. 1-3). Dieser Bericht definiert eine nachhaltige Entwicklung wie folgt:
“Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. It contains within it two key concepts:
– the concept of ’needs‘, in particular the essential needs of the world’s poor, to which overriding priority should be given; and
– the idea of limitations imposed by the state of technology and social organization on the environment’s ability to meet present and future needs.”
(World Commission on Environment and Development 1987, Kap. 2, S. 1)
Diese Definition verankerte sich als Schlüsselbegriff ziemlich schnell in der Fachliteratur der 1990er-Jahre. Auch wenn die Definition des Begriffs Nachhaltigkeit immer noch Gegenstand von Diskussionen ist, so ist seit dem Brundtland-Bericht unbestritten, dass damit ökologische, wirtschaftliche und soziale Ziele verfolgt werden (Zimmermann, 2016, S. 5). Nachhaltigkeit wird heute oft als verantwortungsvolles und ressourcenbewahrendes zukunftsorientiertes Verhalten aufgefasst (Schellinger, et al. 2019, S. 1).
Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Spätestens seit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 wird Nachhaltigkeit als ein Konstrukt definiert, das aus drei Dimensionen gebildet wird (Kenning, 2014, S. 7-9, Kropp, 2019, S. 11-12):
- Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Eine Wirtschaft gilt als nachhaltig, wenn sie nicht über ihre Verhältnisse lebt und dauerhaft innerhalb der ökologischen Grenzen betrieben werden kann.
- Soziale Nachhaltigkeit: Hier werden Aspekte wie weltweiter Wohlstand und Frieden, aber auch Faktoren wie Freiheit oder soziale Unterstützung betrachtet.
- Ökologische Nachhaltigkeit: Diese Dimension wurde lange als Kern der Nachhaltigkeitsdebatte betrachtet. Die natürlichen Ressourcen sollen so beansprucht werden, dass sie sich auch regenerieren können.
Zur Visualisierung wird dabei oftmals auf das sogenannte Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit zurückgegriffen, bei dem die Nachhaltigkeit als Dach von drei Säulen getragen wird (siehe Abbildung 1). Auch wenn die Säulen in diesem Modell als gleichwertig angesehen werden sollen, so wird bei der Leserichtung von links nach rechts der wirtschaftlichen Dimension eine vorrangige Stellung zugewiesen (Vieweg, 2019, S. 26-27).
Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit wird zusätzlich auch kritisiert, weil das Modell den Eindruck erweckt, dass das Dach auch nur von zwei der drei Säulen getragen werden kann (Kropp, 2019, S. 12). Ausgehend von dieser Kritik wurden auch andere Modelle entwickelt, z.B. das Venn-Diagramm der Nachhaltigkeit (siehe Abbildung 2). In diesem Modell wird Nachhaltigkeit als Schnittmenge der drei Dimensionen angesehen (Vieweg, 2019, S. 28).
Fazit
Auch wenn die Nachhaltigkeitsdebatte aktuell omnipräsent ist, so wird bereits seit Jahrhunderten über eine nachhaltige Lebensweise nachgedacht. Als wesentliche Meilensteine der heutigen Nachhaltigkeitsdiskussion können die Veröffentlichungen The Limits to Growth durch den Club of Rome und der Bericht Our Common Future der WCED angesehen werden. Nachhaltigkeit wird oftmals als ein Konstrukt betrachtet, das aus den drei Dimensionen ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit gebildet wird, und das ein verantwortungsvolles und ressourcenbewahrendes zukunftsorientiertes Verhalten ausdrücken soll.
Literatur
Kenning, P. (2014). Sustainable Marketing – Definition und begriffliche Abgrenzung. In: Meffert, H., Kenning, P. & Kirchgeorg, M. (Hrsg.). Sustainable Marketing Management – Grundlagen und Cases (S. 3-20). Wiesbaden: Springer Gabler.
Kiel, V. & Richter, R. (2022). COP27 – Darum geht es bei der UN-Klimakonferenz. Zugriff am 09.11.2022. Verfügbar unter https://www.zeit.de/green/2022-11/cop27-klimakonferenz-aegypten-vereinte-nationen
Kinne, P. (2020). Nachhaltigkeit entfesseln! Einsichten und Lösungen jenseits der Klimadebatte. Berlin: Springer.
Kropp, A. (2019). Grundlagen der nachhaltigen Entwicklung – Handlungsmöglichkeiten und Strategien zur Umsetzung. Wiesbaden: Springer Gabler.
Mayer, K. (2020). Nachhaltigkeit: 125 Fragen und Antworten – Wegweiser für die Wirtschaft der Zukunft (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
Schellinger, J., Berchtold, P. & Tokarski, K. O. (2019). Nachhaltige Unternehmensführung: Leitprinzip und Handlungsfelder in der Praxis. In: Tokarski, K. O, Schellinger, J. & Berchtold, P. (Hrsg.). Nachhaltige Unternehmensführung – Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis (S. 1-11). Wiesbaden: Springer Gabler.
Vieweg, W. (2019). Nachhaltige Marktwirtschaft – Eine Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
World Commission on Environment and Development (1987). Our common future. New York, NY: United Nations.
Zimmermann, F. M. (2016). Was ist Nachhaltigkeit – eine Perspektivenfrage? In: Zimmermann, F. M. (Hrsg.). Nachhaltigkeit wofür? Von Chancen und Herausforderungen für eine nachhaltige Zukunft (S. 1-24). Berlin, Heidelberg: Springer Spektrum.
Bildquelle
Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) (o.D.). Was bedeutet Nachhaltigkeit? Zugriff am 09.11.2022. Verfügbar unter https://www.dgq.de/fachbeitraege/was-bedeutet-nachhaltigkeit/