Maria Montessori – dieser Name ist eng verbunden mit der Reformpädagogik des beginnenden 20. Jahrhunderts und vielen Menschen ein Begriff. In diesem Blogbeitrag werden die Grundzüge der von ihr begründeten Montessori-Pädagogik beleuchtet, indem zunächst das Bild des Kindes dargestellt wird, und ein zentraler Aspekt ihrer Pädagogik, die sogenannte Montessori-Methode vorgestellt wird.
Werdegang von Maria Montessori
Maria Montessori wurde im Jahr 1870 als Tochter eines Finanzbeamten im italienischen Chiaravalle geboren. Ihre Mutter hatte ambitionierte Pläne für sie und sah für Maria Montessori schon früh eine Karriere als Wissenschaftlerin vor (Böhm, 2012, S. 106). So nahm Montessori ein Studium der Naturwissenschaften sowie der Medizin in Rom auf und entwickelte ein besonderes Interesse im Bereich der Biologie, genauer in der Embryologie, den Evolutionstheorien und der Erforschung der Erbfaktoren (Böhm, 2012, S. 106). Dieses Interesse an der Evolutionsbiologie spiegelte sich später auch in ihrem Verständnis von kindlicher Entwicklung wider: sie hatte großes Vertrauen in die „Naturgesetze im Allgemeinen“ sowie in die „Gesetz[e] der natürlichen Entwicklung des Kindes“ (Böhm, 2012, S. 107) und war der Überzeugung, dass diese „einen göttlichen Ursprung“ (Böhm, 2012, S. 107) hätten. Noch bevor sie im Jahr 1907 ihr Wirkungsgebiet von der Medizin und der Naturwissenschaft zur Pädagogik verlagerte, erlangte sie die Promotion in Medizinischer Psychiatrie und habilitierte schließlich im Jahr 1904 in Pädagogischer Anthropologie (Böhm, 2012, S. 106-107). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Montessori wenig Berührungspunkte mit Pädagogik, was sich jedoch durch ein Angebot eines Bauunternehmens aus Rom im Jahr 1907 änderte, die wissenschaftliche Betreuung eines Projektes mit Kindern berufstätiger Eltern zu übernehmen. Montessori nahm dieses Angebot an und gründete die casa dei bambini, das Kinderhaus. Die Arbeiten in dieser Zeit bildeten die Grundlage für die Entwicklung der Montessori-Methode (Böhm, 2012, S. 107).
Montessoris Bild des Kindes
Um die Montessori-Pädagogik verstehen zu können, ist es wichtig, sich mit Montessoris Bild des Kindes zu beschäftigen. Dieses ist beeinflusst durch ihr zuvor erwähntes Interesse an der embryonalen Entwicklung sowie der Evolutionsbiologie. Sie ging davon aus, dass ab dem Zeitpunkt der Entstehung eines neuen Lebens, genauer ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle, zwei Anlagen existieren. Die erste Anlage sei ein „immanente[r] Bauplan“ (Montessori 1964; zitiert nach Böhm, 2012, S. 109), der einen vollständigen Plan des Individuums und seines Wesens enthielt, während die zweite Anlage eine „Antriebskraft“ (Montessori 1964; zitiert nach Böhm, 2012, S. 109) sei, die Montessori Hormé (griechisch, zu Deutsch Motor) nannte. Diese Antriebskraft helfe dem Individuum, sich aus sich heraus gemäß seines individuellen Bauplans zu entwickeln. Damit diese Entwicklung gelingt, sei es entscheidend, dass die Umgebung des Kindes nicht in diesen Prozess eingreift (Böhm, 2012, S. 109). Dieses Verständnis hat insbesondere Auswirkungen auf die Rolle und das Selbstverständnis der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Lehrerinnen und Lehrer in der Montessori-Methode.
Vier Stufen der Entwicklung
Nach Montessori vollzieht sich die Entwicklung eines Kindes zum Erwachsenen in vier Stadien, wobei lediglich die ersten beiden Phasen auf das Kindesalter bezogen sind. Das erste Kindheitsstadium dauert bis zum sechsten Lebensjahr an und sei besonders prägend für das Kind, „da sich die Persönlichkeit, die Fähigkeiten, der Geist und die Psyche des Kindes formen.“ (Studienkreis GmbH, o. D.). Nach dem sechsten Lebensjahr beginnt das zweite Kindheitsstadium, welches bis zum 12. Lebensjahr andauert. Diese Entwicklungsphase sei besonders geprägt durch eine Vergrößerung des Wirkungskreises des Kindes, da sich unter anderem die Anzahl und die Bedeutung von sozialen Kontakten außerhalb der Kernfamilie stark vergrößert. Darauf folgt im Alter zwischen 12 und 18 Jahren die Phase des jungen Erwachsenen, die geprägt ist durch viele Entscheidungen und Veränderungen, die beispielsweise mit der Wahl eines Berufes einhergehen. Die kindliche Entwicklung ist mit Erreichen des 19. Lebensjahres abgeschlossen (Studienkreis GmbH, o. D.).
Eine weitere Besonderheit der kindlichen Entwicklung nach Montessori sind die sensiblen Phasen, in denen Kinder besonders aufnahmefähig für die Entwicklung neuer Fertigkeiten und Fähigkeiten seien (Fischer & Ludwig, 2014, S. 1110). In Abhängigkeit vom Alter des Kindes bestimmt sich der Bereich, in dem die Entwicklung stattfindet: so seien Kinder beispielsweise in den ersten Jahren besonders empfänglich für die Entwicklung ihrer Bewegungs- und Sprachfähigkeiten sowie der zugehörigen -fertigkeiten (Studienkreis GmbH, o. D.).
Die Montessori-Methode
Während ihrer Zeit als wissenschaftliche Betreuerin im Kinderhaus beobachtete Montessori, dass Kinder immer wieder tief in ihr Spiel versanken und sie im Anschluss „in ihrer Entwicklung gestärkt, geistig erfrischt, emotional ausgeglichen, aufgeschlossen für soziale Beziehungen“ (Fischer & Ludwig, 2014, S. 1110) seien. Sie nannte diese Phase der tiefen Konzentration und Fokussierung auf eine Aufgabe Polarisation der Aufmerksamkeit – ein Schlüsselelement ihrer Pädagogik (Fischer & Ludwig, 2014, S. 1110).
Damit Kinder in diese Phase tiefer Konzentration gelangen können, ist eine vorbereitete Umgebung hilfreich, die durch vier Elemente gekennzeichnet ist: einen kindgerecht gestalteten Raum, sogenanntes didaktisches Material, einen Erzieher oder eine Erzieherin mit einer zurückhaltenden und beobachtenden Art, sowie weitere Kinder unterschiedlichen Alters (Fischer & Ludwig, 2014, S. 1110). Das didaktische Material wurde von Montessori selbst zusammengestellt, teilweise sogar von ihr selbst entwickelt, und deckt fünf Entwicklungsbereiche ab: Übungen des praktischen Lebens, wie zum Beispiel das Schneiden, Sinnesmaterial zur Entwicklung der Sinne, Sprach- sowie Mathematikmaterial zur Entwicklung der sprachlichen beziehungsweise der mathematischen Fähigkeiten sowie abschließend das Material für die kosmische Erziehung (Böhm, 2012, S. 109). Das Material für kosmische Erziehung zielt zum einen darauf ab, Kindern ein Grundwissen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge zu vermitteln, soll jedoch darüber hinaus auch ein Verständnis von den wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen sowie zwischen dem Menschen und der Natur schaffen (Verlag Herder GmbH, 2019). Grundsätzlich bietet die vorbereitete Umgebung für die Kinder in ihrer sensiblen Phase anregende und unterstützende Bedingungen, sodass das Kind in der Auseinandersetzung mit dieser „unbewusst, leicht und spielerisch“ (Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg e. V., 2023) lernen kann. Das zentrale Motto der Montessori-Methode lautet ‚Hilf mir, es selbst zu tun‘, denn die Aufgabe der Erzieherinnen und Erzieher ist es, die Umgebung so vorzubereiten und zu gestalten, dass sich die Kinder selbstständig gemäß ihres eigenen inneren Bauplans entwickeln können.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Maria Montessoris Bild des Kindes und ihre darauf basierende Pädagogik für die damalige Zeit außergewöhnlich war. Der starke Fokus auf die Autonomie des Kindes sowie das Vertrauen in seine erfolgreiche Entwicklung bei einer entsprechend gestalteten Umgebung sind Elemente, die ihre Pädagogik kennzeichnen. Der mit ihr verbundene Ausspruch ‚Hilf mir, es selbst zu tun‘ bringt diese Haltung auf den Punkt. Abschließend ist kritisch anzumerken, dass ähnlich wie bei Rudolf Steiners Waldorfpädagogik eine empirische Untersuchung der Montessori-Methode noch aussteht (Böhm, 2012).
Titelbild
Cody, P. (2020). [Fotografie eines Jungen, vertieft im Spiel]. Abgerufen am 17.05.2023. Verfügbar unter https://unsplash.com/de/fotos/FHFfHWWzbCc.
Literatur
Böhm, W. (2012). Die Reformpädagogik. Montessori, Waldorf und andere Lehren. München: C.H.Beck.
Fischer, C. & Ludwig, H. (2014). Montessori-Pädagogik. In M. Wirtz (Hrsg.). Lexikon der Psychologie (17. Auflage). S. 1110. Bern: Verlag Hans Huber.
Studienkreis GmbH (o. D.). Montessori-Schule. Abgerufen am 10.05.2023. Verfügbar unter https://www.tutoria.de/schule-ratgeber/alternative-schulsysteme/montessori-schule.
Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg e. V. (2023). Montessori-Pädagogik. Abgerufen am 10.05.2023. Verfügbar unter https://www.verein-fuer-menschen.de/_media/pdf/MontessoriPaedagogik.pdf?m=1583156225&.
Verlag Herder GmbH (2019) (Hrsg.). Kosmische Erziehung (Montessori). Abgerufen am 04.05.2023. Verfügbar unter https://www.herder.de/kindergarten-paedagogik/kita-leitung/handlungskonzepte-und-profile/kosmische-erziehung-montessori/.