Schublade auf:
Die Generation Z drängt auf den Arbeitsmarkt und die Chefs und Angestellten eschauffieren sich ob ihrer haltlosen Ansprüche. Die so genannten Digital Natives oder die Generation Zombie besteht demnach aus verwöhnten, egoistischen, oberflächlichen Menschen und verweichlicht sind sie ohnehin.
„Wir haben noch draußen gespielt„
Wir. Die gute Generation. Besser als die anderen. Klar, wir hatten Kassetten, Telefonzellen, mussten nach Hause gehen, wenn die Straßenlaternen angingen, hatten echte Freunde und rebellierten gegen unsere Eltern. Wir wollten cooler sein. Und das waren wir auch, ganz eindeutig! Aber sind wir wirklich besser als die jüngeren Generationen? Klar. Aber ist diese Annahme wirklich tragfähig?
Entzweiung oder Kooperation? Generationen im Spannungsfeld
Wir hören oft, dass die jüngere Generation als nutzlos abgestempelt wird. Dabei sind sie nicht schlechter als wir. Wir waren anders. Jede Generation ist anders und doch haben wir sehr viel gemeinsam mit der Gen Z und können einiges von ihnen lernen.
Einen Schritt zurück. Wir wollten nicht so sein wie unsere Eltern. Auch in Punkto Erziehung. Also haben wir unsere Kinder besser behandelt, ihr Selbstvertrauen gestärkt, ihre Bedürfnisse und Gefühle ernst genommen und sie unterstützt. Wir wollen, dass unsere Kinder eigene stabile und tragende Werte entwickeln.
Und jetzt? Jetzt sind sie hier, selbstsicher und digital versiert, und ignorieren unsere berufliche Leidensfähigkeit. Sie legen damit einen Finger in gleich mehrere Wunden. Das schmerzt. Wir könnten von ihnen lernen, den nächsten Burn-Out oder Herzinfarkt zu vermeiden, aber es scheint leichter zu sein, automatisch ein „Die gegen Wir“-Szenario zu etablieren und eine ganze Generation abzuwerten. Dies stellt als dysfunktionale und maladaptive Strategie zwar kurzfristig eine Besserung her, muss aber konsequent aufrechterhalten werden. Gut, dass es vielen um uns herum genau so geht und es massenhaft Artikel zu geben scheint, die uns in unseren Annahmen bestätigen.
Generationen- oder Alterungsphänomen?
„Die Jugend liebt den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor den älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte. Die Jugend steht nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern und tyrannisieren die Lehrer.“
Als ich vor 20 Jahren dieses Zitat von Sokrates (469-399 v. Chr.) zum ersten Mal las, dachte ich, die Jugend werde schon immer als störend wahrgenommen. Dieses Zitat stammt aber tatsächlich aus Kenneth John Freemans Dissertation über das Schulwesen im antiken Griechenland. Er paraphrasierte die Klage eines Vertreters des Rechts über die Jugend in Akt 3, Szene 3 der Theaterkomödie „Die Wolken“ von Aristophanes und legte es Sokrates in den Mund. Dieses Stück wurde 423 v. Chr. uraufgeführt und es enthält eine herabsetzende Darstellung von Sokrates. Diesem wurde nämlich zu Lebzeiten vorgeworfen, die Jugend mit seinen naturwissenschaftlichen Gedanken zu verderben, was einer der Gründe für seine Verurteilung zum Tode war.
Der Inhalt des Zitats ist also wirklich ca. 2500 Jahre alt und immer noch aktuell. Dies zeigt erstens, dass die humane Entwicklung immer gleichen Prozessen unterworfen ist und zweitens, dass auch der gesellschaftliche Umgang mit den Jüngeren immer noch derselbe ist.
Das heranreifende Gehirn befindet sich einem strukturellen Wandlungsprozess und weist deshalb neuronale Funktionsweisen auf, die mit einer erhöhten Risikobereitschaft einhergehen. Zusätzlich fehlen Erfahrungswerte, die Erwachsene natürlich schon gemacht haben. Und genau das ist die Krux: In dem wir uns beschweren, bestätigen wir, dass wir alt sind.
Aber sind die Generationen untereinander so klar abgrenzbar, wie uns viele Ausführungen hierzu vormachen wollen? Ganz klar nein. Denn hierfür bräuchte es jeweils mindestens einen gesellschaftsstrukturellen Cut of Point, der geschichtswissenschaftlich nicht belastbar sein dürfte. Die klare Einteilung in datierte Gruppen, ist wahrscheinlich einfach dem Bedürfnis der Übersichtlichkeit geschuldet. Mehr nicht.
Arbeitswelt im Wandel: Rebellion als Antwort auf schädliche Strukturen
Während die Babyboomer oft schon mit 14 Jahren auf den Arbeitsmarkt geströmt sind, brauchen die jungen Menschen oft viel länger, um ihre Passion zu finden. Der Siedepunkt der Identitätsfindung der jungen Erwachsenen damals konnte innerhalb des Arbeitsplatzes stattfinden. Man war wer als der Bäcker, die Ärztin, der Maler, der Studienrat, die Erzieherin oder der Elektriker. Ein Leben lang. Ein Relikt dieser Zeit ist auch, den akademischen Bildungsgrad zu dem eigenen Namen hinzuzufügen, um diesen Teil der Identität für andere sichtbar zu machen.
Die Lebensrealität der jungen Generation könnte nicht weiter von diesem Bild abweichen. Sie durften ihre individuelle Persönlichkeit entwickeln und können eine selbst gewählte Bildung genießen. Nie war das Berufsangebot so vielfältig und ebenso überfordernd wie heute. Gleichzeitig verpflichten sich heute viele große Unternehmen eher dem Wachstum als der sozialen Verbindlichkeit ihren Arbeitskräften gegenüber.
„Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt“
Der als Darwiportunismus der Arbeitgeber geprägte Begriff des Saarbrücker Professors Christian Scholz, ist für uns alle harte Realität geworden. Viele Arbeitnehmer können heute nicht mehr sicher sein, ob ihr Job morgen Prozessen des Fusionierens, des Outsourcings, Verschiebungen einzelner Produktionsschritte in Billiglohnländer oder durch Restrukturierungen geopfert werden wird. Es ist kein Geheimnis, dass Unternehmen sich im Wettbewerb befinden und ständig bemüht sind, ihre Produktivität zu steigern und dabei ihre Kosten möglichst über die Stellschraube der Personalkosten zu justieren. Eine Anpassung der Arbeitenden in Punkto Flexibilität an die Aufkündigung moralischer Verträge der Unternehmen, scheint also die logische Konsequenz.
In einer Befragung wurde die Diskrepanz zwischen weniger engagiertem Arbeitsverhalten bei gleichzeitiger Erfolgsorientiertheit der Gen Z, mit dem Fazit untersucht, dass sich diese Generation grob in drei Untergruppen aufteilen lässt: Sozialinvestoren – die eine Work-Life-Balance anstreben, Chill-Worker-Bees – denen ein angenehmes Arbeitsklima wichtig ist und Go Getters – die an einer Karriere interessiert sind. Alle drei Untergruppen gaben an, Unternehmen mit hohen moralischen und ethischen Standards zu präferieren.
Beim Lesen dieser Studie fällt auf, dass sich wahrscheinlich jeder Mensch, ganz gleich welcher Generation er nun angehören mag, mit einem dieser Subtypen identifizieren kann. Das Einzige, was neu zu sein scheint, ist das Selbstbewusstsein, diese Erwartungshaltung durchsetzen zu wollen.
Vielleicht liegt unsere wahre Rebellion im anders Sein als die Generationen vor uns: in der Wertschätzung der Jüngeren, die noch die Kraft und den Willen haben etwas zu ändern. Dies könnte auch für uns von Vorteil sein.
Schublade zu.