Manchmal verliebt man sich in den falschen Menschen. Dann findet man sich in einem Desaster wieder, obwohl doch alles wie im Liebesfilm angefangen hat. Doch Liebe ist leider nicht verliebt sein, „ …darum wird beim Happyend im Film jewöhnlich abjeblendt“, sagte Kurt Tucholsky einst.
Jeder von uns kann auf manipulative und egozentrische Menschen hereinfallen. Doch wenn das häufiger geschieht, könnte ein eigenes inneres Muster dahinterstecken, weswegen es sinnvoll ist, die eigenen Anteile zu erkennen, um sich zukünftig bestmöglich vor toxischen Menschen schützen zu können. Eins vorab: Du bist dem Beziehungsdilemma nicht hilflos ausgeliefert!
Die verlockend süße heiß-kalte Liebesfalle
Das anfängliche Verliebtsein ebbt in jeder Beziehung ab. Das ist normal. Die rosarote Brille wird abgesetzt, und wenn alles gut geht, sehen wir in unserem Gegenüber immer noch einen wundervollen Menschen, der sich weiterhin bemüht und positiv in die Beziehung einbringt. Laut einer Online-Umfrage im Jahr 2021 auf Parship, hatten jedoch 36 Prozent der Deutschen schon einmal eine toxische Beziehung, die strukturell immer ähnlich und vorhersagbar verläuft:
Toxische Beziehungen starten immer mit einer „Heiß-Phase“ in der sehr intensives Love Bombing erlebt wird. Es kommt schnell zu innigen Liebesschwüren, wahnsinnig heißem Sex, und zauberhaften Zukunftsplänen. Es fühlt sich so an, als ob man endlich die wahre Liebe oder sogar den Seelenverwandten gefunden hat! Das Gegenüber ist so begeistert von dir, dass du mit Lob und Anerkennung überschüttet wirst. Und wer hört nicht gern, der oder die schönste, beste, verständnisvollste, leidenschaftlichste und entspannteste Partner:in zu sein, den oder die das Gegenüber jemals hatte? In dieser Phase spielt vor allem die Phantasie beider Partner:innen die Hauptrolle, etwas Kostbares gefunden zu haben, was man in dieser Form so nie wieder finden wird. So fühlt sich narzisstische Aufwertung an. Einfach großartig.
In der „Kalt-Phase“ wechseln sich dann schleichend steigernde Streitigkeiten und emotionale „heiße“ Versöhnungen ab. Die kritischen Äußerungen des Gegenübers werden lauter und fordernder oder es werden vom Gegenüber unüberwindbare Tatsachen geschaffen, die die Einhaltung der gemeinsamen wundervollen Zukunftspläne unmöglich realisierbar machen. Es wird in Folge also immer schwieriger, dem glanzvollen Idealbild des Partners oder der Partnerin gerecht zu werden oder sich von der Hoffnung nach einer unfassbar schönen Zukunft zu lösen. Die (Sehn-)Sucht nach der ersten schönen Liebesphase wird lauter, weswegen folglich der Versuch unternommen wird, dem Idealbild des Partners oder der Partnerin möglichst wieder zu entsprechen.
Aber warum machen viele von uns das bis zum eigenen emotionalen Zusammenbruch mit, obwohl die innere Stimme und viele Freunde uns immer wieder warnen? Es gibt neben diesen süchtig machenden Mechanismen noch andere Faktoren, die toxische Beziehungen aufrechterhalten.
Eigene Beziehungserfahrungen und Liebeserwartungen
Gibt es denn den guten und den bösen Beziehungspartner eigentlich?
Unsere eigenen Erwartungen an Beziehungen wurden schon in unseren ersten Lebensjahren durch das unbewusste Verhalten unserer Eltern uns gegenüber geprägt. Wenn wir beispielsweise verinnerlicht haben, dass eine gute Beziehung besonders stabil ist, wenn wir uns zurücknehmen oder dass wir sehr liebenswert sind, wenn wir uns besonders bemüht zeigen und Verantwortung für andere übernehmen, dann werden wir in späteren Partnerschaften oft unbewusst nach diesem Beziehungsmuster suchen, weil es sich vertraut anfühlt.
Dies kann zur Folge haben, dass wiederkehrende Missverständnisse und Konflikte mit einem Liebespartner nicht wirklich in ihrer vollen Konsequenz geklärt werden, sondern eigene innere Bewältigungsstrategien greifen, um kurzfristig wieder Harmonie herzustellen. In solchen Dynamiken wird das Fehlverhalten des Gegenübers schnell auf äußere Faktoren, wie Stress im Job oder persönliche Probleme geschoben oder der Versuch unternommen, die unangenehme Situation im Vorhinein so zu beeinflussen, dass eine Eskalation vermieden wird. Dies verhindert jedoch, dass das Gegenüber selbst Verantwortung für sein Handeln und die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse übernimmt.
Wer an dieser Stelle mit seiner Aufmerksamkeit bei dem Gegenüber bleibt und kein eigenes Missverhalten erkennt, kann ein Co-abhängiges Verhalten entwickeln oder schon von Haus aus haben. Dieses Verhalten ist unweigerlich Teil einer toxischen Dynamik. Und genau hier liegt die eigene Macht: jeder kann aus der Opferrolle austreten und Verantwortung für eigene Grenzen und Bedürfnisse erlernen. Beziehung ist nämlich kein Synonym für Zurückstellen.
Raus aus der Liebessucht
Wir kennen viele Menschen, die vielleicht schon mit einem Narzissten liiert waren. Und das entstandene Leid ist unweigerlich nicht von der Hand zu weisen! Im Netz kursieren zudem haufenweise Narzissmus Experten, die oft keine sind. Und alle miteinander rücken den Narzissten in den Mittelpunkt. Aber warum eigentlich? Und gehören diese Menschen denn überhaupt in den eigenen Mittelpunkt? Ganz klar: nein! Es sollte eine bewusste Entscheidung sein, einem Menschen so viel Macht zu geben.
Die Verantwortung für Veränderung, trägt jeder von uns am Ende des Tages für sich selbst. Der Partner oder die Partnerin ist niemals veränderbar! Es ist deshalb ratsam, dir selbst Hilfe zu suchen, bei der wirklich nur du im Mittelpunkt stehst. Eine psychologische Psychotherapie ist hierbei immer der Goldstandard, aber in Anbetracht der langen Wartezeiten und der eventuell aktuell belastenden Beziehungsdynamik, manchmal schwierig realisierbar. Im Internet gibt es einige psychotherapeutische Angebote, die eine Wertvolle akute Unterstützung darstellen können, diese ungesunde Dynamik zu durchbrechen. Wenn du möchtest, kannst du z.B. hier und hier reinschauen oder dich selbst aktiv auf die Suche machen.
Ich wünsche dir viel Kraft auf deinem Weg.
Quellen
[1] Tucholsky, K. (1930). Gedicht: Danach. Johannes Gutenberg Universität Mainz [2] Parship. (2021). Waren Sie in Ihrem Leben bereits in einer toxischen Beziehung? Statista [3] Bauer, C. (2022, November 19). Toxische Beziehung: Wie ich sie erkenne und beende [4] Gauger, A. (2021, April 30). Der toxische Kreislauf. Hilfe für Betroffene von narzisstischem Missbrauch! [5] Biesinger, R. (2019). Dopamin und das Belohnungssystem. In R. Biesinger (Hrsg.), Ohne Dop(amin)e ist alles doof: Aktive Veränderungsarbeit im Persönlichkeitstraining nach Kokainmissbrauch (S. 63–71). Springer Fachmedien [6] Rohmann, E., Bierhoff, H.-W., & Schmohr, M. (2011). Narcissism and Perceived Inequity in Attractiveness in Romantic Relationships. European Psychologist, 16(4), 295–302 [7] Brisch, K. H. (2023). Wie Kinder Bindung lernen. Pädiatrie, 35(1), 64–67 [8] Hazan, C., & Shaver, P. (2007). Romantic Love Conceptualized as an Attachment Process. In Interpersonal Development: Bd. 1st Edition (S. 14). Routledge [9] Bartosch, E. (2000). Wiederholungszwang. In G. Stumm & A. Pritz (Hrsg.), Stumm, G., Pritz, A. (eds) Wörterbuch der Psychotherapie. (S. 780–781). Springer [10] Festinger, L. (2012). Theorie der kognitiven Dissonanz. Huber [11] Grilz, P. (2022). Aktuelle Konflikte in Partnerschaften vor dem Hintergrund vergangener Beziehungserfahrungen. Psychotherapie Forum, 26(1), 35–40 [12] Happ, Z., Bodó-Varga, Z., Bandi, S. A., Kiss, E. C., Nagy, L., & Csókási, K. (2023). How codependency affects dyadic coping, relationship perception and life satisfaction. Current Psychology, 42(18), 15688–15695Bild
„Verliebtes Paar“; eigene Darstellung; erstellt mit ChatGPT