Haben Sie schon einmal Ihren Atem beobachtet? Atmen sie langsam oder schnell? Tief oder flach? Laut oder leise? Wie oft pro Minute atmen Sie ein?
Unsere Atmung ist ein geniales System. Genauer gesagt ist sie das einzige Organsystem unseres Körpers, das wir bewusst steuern können. Damit könnte sie der Schlüssel zu unserer Gesundheit sein – denn mit der Atmung können wir die Funktionen unseres gesamten Organismus beeinflussen (Smolka, 2022, S. 13). Umso unerfreulicher, dass ein Großteil unserer Gesellschaft an Atemstörungen (z.B. Asthma, COPD, chronische Hyperventilation, etc.) leidet (Smolka, 2022, S. 14). Hier setzt die Buteyko-Methode an. Nachdem sie tausenden von Menschen mit Atemproblemen geholfen hatte, geriet sie mit Aufblühen der Pharmaindustrie in den 1980er Jahren in den Hintergrund und schließlich in Vergessenheit (Smolka, 2022, S. 18). Haben wir durch weniger Atmung wirklich mehr Luft? Das schauen wir uns in diesem Beitrag an.
Das Prinzip der Buteyko-Atmung
Weniger ist mehr – gilt das auch für unsere Atmung? Zumindest ist dies das Prinzip, für das die Buteyko-Methode steht. Menschen mit Atemstörungen sollen mit ihr lernen, weniger, dafür aber effektiver zu atmen (Smolka, 2022, 14). Dabei kommt die Frage auf: Wenn wir weniger atmen, fehlt uns dann nicht Sauerstoff (O2)?
Unter Anwendung der Methode atmen wir zwar weniger O2 ein, ein Sauerstoffmangel entsteht dabei jedoch nicht. Denn entscheidend für unsere Sauerstoffversorgung ist das Verhältnis unserer Blutgase zueinander. Atmen wir reduzierter, steigt der CO2-Gehalt unseres Blutes an. In der Folge weiten sich die Bronchien und die glatte Muskulatur der Blutgefäße entspannt, sodass die Sauerstoffaufnahme und Nährstoffversorgung verbessert wird. Eine höhere CO2-Konzentration ist also die Voraussetzung für eine gute Sauerstoffversorgung unseres Körpers! Diese Wirkung können wir uns mit einer Atemreduktion unmittelbar zunutze machen (Smolka, 2022, S. 15–16).
Anwendungsgebiete – für wen ist Buteyko-Atmung hilfreich?
Die Buteyko-Methode ist insb. bei Atemwegserkrankungen wirksam. Am erfolgreichsten scheint sie gegen Asthma zu sein (Nestor, 2021, S. 126). Laut Smolka (2022) wirkt sie u.a. auch bei: chronischem Schnupfen, chronischer Nasennebenhöhlenentzündungen, chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Lungenemphysemen, erhöhter Infektanfälligkeit, Bluthochdruck, Schlafproblemen, Schlafapnoe, Symptomen von Long- und Post-Covid, Angst- und Panikzuständen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, dem Reizdarmsyndrom, Diabetes Mellitus etc. (S. 29-61). Darüber hinaus bietet sie jedoch auch einen erfolgversprechenden Ansatz für die Steigerung der allgemeinen physischen und psychischen Gesundheit und Lebensqualität. So findet sie auch im Leistungssport Anwendung (Smolka, 2022, S. 18). Der Erfolg der Atemtechnik (dauerhaft verbessertes Atemmuster) ist dabei unbedingt von konsequentem, regelmäßigem Atemtraining und der Körperwahrnehmung der Übenden abhängig (Smolka, 2022, S. 64).
Ziele & Wirksamkeit – Was sagt die Forschung?
Die Buteyko-Methode ist unter verschiedenen Namen bekannt, wie z.B. Hypoventilation, Hypoxietraining, normobarisches Hypoxietraining oder Atemreduktion (Nestor, 2021, S. 123). Das Ziel der Atemtechnik ist eine Gewöhnung des Atemzentrums an höhere CO2-Werte, sodass in Ruhe- und Belastungsphasen unbewusst weniger geatmet und mehr O2 freigesetzt wird (Nestor, 2021, S. 118–119). Betroffene sollen ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechend entspannt atmen können. Dabei muss ein gewisser „Lufthunger“ akzeptiert werden, um sich an ein „normales“ Atemniveau zurück zu gewöhnen (Smolka, 2022, S. 17).
Zurück zu unserer Eingangsfrage: Haben wir durch reduzierte Atmung wirklich mehr Luft? Eine Studie am Mater Hospitals in Brisbane zeigte, dass Asthmatiker, die nach Buteyko atmeten, ihre Asthmaanfälle um 70% und ihren Medikamentenbedarf um 90% senken konnten (ARCIM Institute, 2017, zitiert nach Nestor, 2021, S. 129). In einer weiteren Studie konnten Forschende zeigen, dass 80% der an Asthma leidenden Patienten ihren CO2-Ruhewert durch die Buteyko-Methode angehoben hatten. Sie erlitten signifikant weniger Asthmaanfälle, zeigten eine bessere Lungenfunktion und die Symptome waren beträchtlich vermindert oder gänzlich verschwunden (Ritz, Rosenfield, Steele, Millard & Meuret, 2014, S. 1237–1242). Darüber hinaus konnte in einer randomisierten, kontrollierten Studie gezeigt werden, dass einige Wochen Training mit Hypoventilation im Gegensatz zu normalem Training die Ausdauer signifikant steigerten, überschüssiges Körperfett reduzierten, die Herz-Kreislauf-Funktion optimierten und die Muskelmasse steigerten (Dudnik, Zagaynaya, Glazachev & Susta, 2018, S. 341). Die Auswirkungen der Atemreduktion können grundsätzlich als immer die gleichen beschrieben werden: Eine beträchtliche Leistungssteigerung, im Alltag genauso, wie im Spitzensport (Nestor, 2021, S. 123).
Let’s breathe!
Bevor Sie die Methode ausführen, informieren Sie sich bitte über Kontraindikationen und/oder sprechen Sie vorher mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt. Für einen ersten Einstieg in die Methode lohnt es sich, die untenstehenden Quellen zu nutzen.
Die Übungen der Buteyko-Methode sind sehr umfangreich und bedürfen einer intensiven Auseinandersetzung, die den Umfang dieses Artikels überschreiten würde. Für einen ersten, kurzen Einstieg in die Atemreduktion können Sie das unhörbare und unfühlbare Atmen üben (Smolka, 2022, S. 118–119):
Unhörbar Atmen Unfühlbar Atmen Beobachten Sie ihren Atem. Atmen sie so sanft, dass Sie Ihren Atem nicht mehr hören können Halten Sie einen Finger quer unter Ihre Nase. Atmen Sie so langsam und sanft ein und aus, dass Sie Ihren Atemstrom nicht mehr am Finger spüren
Literaturverzeichnis
Dudnik, E., Zagaynaya, E., Glazachev, O. S. & Susta, D. (2018). Intermittent Hypoxia-Hyperoxia Conditioning Improves Cardiorespiratory Fitness in Older Comorbid Cardiac Outpatients Without Hematological Changes: A Randomized Controlled Trial. High Altitude Medicine & Biology, 19(4), 339–343. https://doi.org/10.1089/ham.2018.0014
Nestor, J. (2021). Breath. The new science of a lost art. New York: Riverhead Books.
Ritz, T., Rosenfield, D., Steele, A. M., Millard, M. W. & Meuret, A. E. (2014). Controlling asthma by training of Capnometry-Assisted Hypoventilation (CATCH) vs slow breathing: a randomized controlled trial. Chest, 146(5), 1237–1247. https://doi.org/10.1378/chest.14-0665
Smolka, S. (2022). Die Buteyko-Atmung. Die erstaunliche Wirkung der Atem-Reduktion: Soforthilfe bei Asthma, Sinusitis und COPD, Linderung für Migräne, Bluthochdruck, Panikattacken und andere Beschwerden (1. Auflage). Stuttgart: TRIAS.
Bildquellen
Titelbild: https://pixabay.com/photos/woman-meditation-inhale-wellness-6022486/