„Dort wo die Macht der Worte endet, beginnt die Musik“, sagte Richard Wagner einmal.
Bereits im Spätmittelalter haben Philosophen versucht, die Musik in Beziehung zum menschlichen Herzschlag zu setzen. Dabei versuchte Michele Savonarola (1384 – 1468) die verschiedenen Pulsfrequenzen den musikalischen Tempi zuzuordnen. Die Renaissance entwickelte sich zum Zeitalter der Anatomie (Gasenzer & Leischik, 2018, S. 45).
Die Musik prägt uns bereits im Mutterleib und von Geburt an. Sie berührt unser tiefstes Inneres, entspannt uns, kann uns zu Höchstleistungen treiben und sogar Schmerzen lindern. Musiktherapie ist in den S3-Leilinien für 15 Behandlungsgebiete anerkannt (Sabic, 2021, S. 41). Was steckt hinter diesen therapeutischen Fähigkeiten?
Neuronale und emotionale Verarbeitung von Musik
Die Musik nimmt neben den physiologischen Vorgängen auch Einfluss auf die Psyche des Menschen. Das Zentralnervensystem (ZNS) wird besonders über die Strukturen des limbischen Systems durch Musik „angesprochen“. Das limbische System ist für das Genießen und Verstehen von Musik unabdingbar. Es regelt emotionale Vorgänge und ist bei der Gedächtnisbildung und beim Lernen involviert. Musikalische Reize werden vor dem limbischen System im Thalamus moduliert. Im limbischen System wirkt das Belohnungssystem mit und zusammen kommt es zur emotionalen Verarbeitung der Musik (Gasenzer & Leischik, 2018, S. 47).
Alle an der Musikverarbeitung beteiligten neuronale Strukturen werden über ein Rückkopplungssystem über absteigenden Projektionen aus der Großhirnrinde miteinander verschaltet. Auch die inneren Organe sind in diesem Rückkopplungssystem involviert und empfangen über den Nervus Vagus efferente Signale aus den „tiefen“ neuronalen Strukturen. Diese Strukturen arbeiten unwillkürlich und sorgen dafür, dass wir uns der Wirkung der Musik nur schwer entziehen können. Das erklärt den Einfluss von Tempo, Rhythmus und Harmonie auf physiologische Funktionen wie die Herzarbeit (Gasenzer & Leischik, 2018, S. 47).
Vegetative Wirkung von Musik
Zu der vegetativen Wirkung von Musik wurden einige Studien durchgeführt, besonders zur Musik des Barocks und der Klassik. Während des Hörens von Musik wurden Probanden und Probandinnen in einem Magnetresonanztomographen untersucht. Es konnten erhöhte zerebrale Aktivitäten in den präfrontalen, auditorischen und parietalen Arealen, Gyrus cinguli und Gyrus frontalis inferior nachgewiesen werden. Diese Strukturen arbeiten eng mit dem limbischen System zusammen und beeinflussen auch kardiopulmonale Mechanismen (Tabei, 2015, S. 1).
Es konnte in den verschiedenen Studien ein positiver Einfluss auf kardiovaskuläre Parameter wie Herzfrequenz und Blutdruck durch die Musik von J.S. Bach festgestellt werden. Weitere physiologische Veränderungen zeigen sich in der Atemfrequenz, Atemtiefe und Regelmäßigkeit (Harrer & Harrer, 2008, S. 242).
Musiktherapie
In der Psychotherapie und psychosomatischen Medizin bezieht sich die Musiktherapie auf bestehende psychotherapeutische Ansätze. Diese werden mit dem musiktherapeutischen Behandeln und Instrumentarium verknüpft. Musiktherapie wirkt grundsätzlich auf die Emotionsregulation, Affektwahrnehmung und Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Sie wird in der klinischen psychosomatischen und psychotherapeutischen Praxis bei einem breiten Spektrum an Erkrankungen angewendet. Dazu zählen Depressionen, Zwangsstörungen, Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, PTBS, Essstörungen, Schmerzstörungen und somatoforme/somatopsychische Störungen. Diese Symptomkomplexe können sowohl gruppentherapeutisch als auch in der Einzelmusiktherapie behandelt werden (Körber, 2013, S. 90). Über die Diagnose und Anamnese wird die Art der Musiktherapie bestimmt.
Fazit
Die Musiktherapie erweitert die Behandlungsmöglichkeiten von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Doch neben den vielen positive Effekten der Musiktherapie sind auch die Kontraindikationen dieser Therapieform zu berücksichtigen. Dazu gehören akute Suizidalität, traumatische Erfahrungen mit Musik, aktuelle psychische Traumata, fehlende Krankheitseinsicht, fehlende Motivation, Migräne, Tinnitus, Suchtprobleme und Entzugserscheinungen sowie eine fehlender Therapieauftrag (Körber, 2013, S. 91). Trotz des vielen Wissens über die Musiktherapie bleiben noch weitere Fragen über den Wirkungsmechanismus offen. Es werden noch weitaus mehr prospektive Studien benötigt, um weitere Wirkungen umfangreich zu untersuchen.
Bildnachweis
Titelbild: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-paar-menschen-entspannung-6252181/
Literaturverzeichnis
Gasenzer, E. R., & Leischik, R. (2018). Music, pulse, heart and sport. Herz, 43(1), 43–52. https://doi.org/10.1007/s00059-016-4520-7
Harrer, G., & Harrer, M. E. (2008). Emotionale vorgänge beim hören von musik und ihre resonanz im vegetativum. Neurologie und Rehabilitation, 14(5), 238–246.
Körber, A. (2013). Music therapy: Current developmental status and mode of action of a special therapy. Psychotherapeut, 58(1), 79–99. https://doi.org/10.1007/s00278-012-0958-0
Sabic, C. (2021). Kraft der Musik. Springer.
Tabei, K. I. (2015). Inferior Frontal Gyrus Activation Underlies the Perception of Emotions, while Precuneus Activation Underlies the Feeling of Emotions during Music Listening. In Behavioural Neurology (Bd. 2015). https://doi.org/10.1155/2015/529043