Identität ist ein komplexer Begriff, der nur sehr schwer zu definieren ist. Identität wird geprägt durch unverwechselbare Merkmale, die eine Person charakterisiert und von anderen unterscheidet. Die Identität einer Person kann in drei Ebenen existieren. Zum einem die Persönliche Identität, welche die individuellen Merkmale sind. Die Gesellschaftliche oder soziale Identität, diese wird durch dritte zugewiesen und bezieht sich auf die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wie bspw. Religion oder politische Zugehörigkeit. Als drittes gibt es die kulturelle Identität, die sich auf gemeinsame Werte und Normen einer bestimmten Gruppe bezieht. (5) Die Frage nach der Identität ist eine existentielle menschliche Sinnfrage und bezieht sich auf die Verortung eines jeden Menschen. Wer bin ich? Was bin ich? Wo gehöre ich hin? Dies kann sich sowohl auf spirituelle, soziale oder auch geografische Orte beziehen. Gelingt die Antwort darauf nicht, endet dies in Verwirrung, Angst oder Sinnentleerung. (1)
Du hast ja asiatische Gesichtszüge. Woher kommst du?
Antwort 1: „meine Mama kommt von den Philippinen und mein Papa ist Brasilianer“.
Antwort 2: „ich komme aus Hamburg“.
Identitätsprobleme im Zuge von Migration
Die Frage nach der Identität bei Migranten und im speziellen bei Kindern kann sehr schwierig werden. Sie müssen ihre Identität in mehreren Kulturen zeitgleich finden, die oft von widersprüchlichen Normen geprägt sind. Kinder haben Vorstellungen über die eigene und fremde Nation. Ein zusammenhängendes Weltbild entwickelt sich aber erst in der Adoleszenz, dort wird sich erst der eigenen ethnischen Identität bewusst und die individuelle Position in Bezug auf die Nation beginnt sich zu entwickeln.(1)Bis dahin ist die Frage woher jemand kommt für den Betroffenen selbst schwer zu beantworten, da die eigene Position noch nicht gefunden wurde. (4) Auch erwachsene Migranten befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen personaler und sozialer Identität sowie zwischen Herkunfts- und Aufnahmekultur. Es kommt zu einem Wechsel von Normen und Werten, Verhaltensweisen und der Kultur, die sehr unterschiedlich zu dem sein kann, was bislang bekannt war. Sie erleben Fremdsein in der neuen Heimat und mussten sich verabschieden von dem bekannten Umfeld, von Verwandten oder der Sprache. (6)
Migration kann aber auch eine Bereicherung für die Persönlichkeit und Identität sein. So werden Sprachfähigkeiten verbessert, unterschiedliche Kulturen kennengelernt, was zu einem offeneren Weltbild führen kann. Das eigene Selbstbild wird häufiger hinterfragt und ist somit gefestigter. Zudem erweisen sich die häufigeren Identitätskrisen im Nachhinein als positiv für die Identitätsentwicklung. Anpassungsfähigkeiten und soziale Kompetenzen werden schneller und umfangreicher erlernt. (4)
Fremdenfeindlichkeit durch ungeklärte Identitätsfragen
Die Frage Wer bin ich? Verschiebt sich auf die Frage Zu wem gehöre ich? Dies kann durch ungeklärte Konflikte in der Kindheit oder Adoleszenz ausgelöst werden, die nicht immer vollständig beantwortet werden. Die Überforderung und Angst die eigene Identität nicht zu finden und somit nicht zu wissen, wer man selbst ist, kann überfordernd sein. Unter diesem Aspekt ist Fremdenfeindlichkeit auch ein Ausdruck von Überforderung das sich im abstrakten Bild des Ausländers zeigt. (1) Es kann sich eine ethnische Identität zum Herkunftsland entwickeln, die sich durch eine Identifikation mit öffentlichen und politischen Institutionen und den dort lebenden Menschen auszeichnet. Dies ist der patriotische Nationalstolz, der so erstmal nichts Schlechtes ist. Es gibt aber auch den ethnozentrischen Nationalstolz, der durch Überheblichkeit und Abwertung des Fremden geprägt ist. Hier entspringt die Fremdenfeindlichkeit. (3)
Multikulturelle Identität
Die Entwicklung einer Multikulturellen Identität ist insbesondere in Verbindung von Migration von Vorteil. So verschmelzen Aspekte des Herkunfts- und des Aufnahmelandes. Die individuelle Entwicklung erfährt einen Wandel, der es ermöglicht, neue kulturelle Elemente zu integrieren, ohne dabei Teile der eigenen bzw. alten Identität opfern zu müssen und ermöglicht es diesem Teil treu zu bleiben. Die personale Identität bezieht sich auf die Herkunftskultur und die kulturelle bzw. soziale Identität auf die Einflüsse der Aufnahmekultur. Um eine Veränderung der kulturellen Identität zu ermöglichen und somit eine multikulturelle Identität aufzubauen, ist es entscheidend, dass die persönliche Identität gefestigt wird.(2)
Fazit
Eine multikulturelle Identität und eine offene Einstellung zu Fremden können eine Chance sein sich persönlich weiterzuentwickeln. So werden Kulturen verbunden und das Beste für einen herausgepickt. Breite Kenntnisse und eine hohe Flexibilität und Akzeptanz ermöglichen eine weltoffene und Respektvolle Weltanschauung, die zu einem Inklusiven und friedlichen Zusammenleben von unterschiedlichsten Personen führt. Allerdings kann dies auch zu Entwurzelung oder zu einem „Zwischen-die-Kulturen-Fallen“ führen, dass nur noch mehr Verwirrung und Angst auslösen könnte. Grundsätzlich muss keine Entkopplung einer nationalen oder kulturellen Identität stattfinden. Dominanzverherrlichung der einen und Abwertung der anderen Gesellschaft oder Nation führt zu negativen Entwicklungen und Dynamiken. Es wirkt sich negativ auf die Gesellschaft aus bspw. in einem gewaltvollen Umgang miteinander, aber auch auf die persönliche Entwicklung, da nicht vom Fremden gelernt wird.
Literaturverzeichnis
1- Buchmann, R. (2004). Identität, Migration und Nationalismus: Von der positiven Kraft kultureller Identifikation. Psychotherapie Forum, 12(4), 197–206. https://doi.org/10.1007/s00729-004-0067-9
2- Calliess, I. T., Bauer, S. & Behrens, K. (2012). Kulturdynamisches Modell der bikulturellen Identität. Psychotherapeut, 57(1), 36–41. https://doi.org/10.1007/s00278-011-0879-3
3- Fleiß, J., Höllinger, F. & Kuzmics, H. (2009). Nationalstolz zwischen Patriotismus und Nationalismus? Berliner Journal für Soziologie, 19(3), 409–434. https://doi.org/10.1007/s11609-009-0104-1
4- Guth, S. (Heimat abroad, Hrsg.). (2020, 12. November). Coaching Thema des Monats: Identitätsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen im Ausland. Verfügbar unter: https://heimatabroad.com/articles/kinder-schule/alltag-mit-kindern/coaching-des-monats-identitatsentwicklung-bei-kindern-und-jugendlichen-im-ausland-woher-komme-ich-wer-bin-ich
5- Meints, M. (2006). Identität. Datenschutz und Datensicherheit – DuD, 30(9), 576. https://doi.org/10.1007/s11623-006-0147-9
6- Zapotoczky, H. G. (2011). Migration – Folgewirkungen in der nachfolgenden Generation. Psychopraxis, 14(4), 20–22. https://doi.org/10.1007/s00739-011-0307-z
Bildquellen
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