Krisenmodus ist das Wort des Jahres 2023[1] und ich habe das Gefühl, dass es nicht nur die globale, gesellschaftliche Lage beschreibt, sondern auch meinen persönlichen Status als junge Erwachsene. Die globalen Krisen wie die Corona-Krise, die Klima-Krise mit einer Zunahme einer weltweiten Migration, ein Krieg in Europa, die Krise in Nahost und hieraus resultierende Flüchtlingskrise begleiten mich täglich, einige seit mehreren Jahren. Laut einer aktuellen Trendstudie „Jugend in Deutschland“[2] leidet fast die Hälfte (46 Prozent) aller 14 – 29-Jährigen unter Stress. 35 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlen sich erschöpft und haben Selbstzweifel. Die aktuellen Krisen belasten jüngere Altersgruppen stärker als Ältere.
Hinzu kommt für die Altersspanne zwischen 20 und 30 Jahren eine Entwicklungskrise, die Quaterlife Crisis (QLC). Eine Studie von smart insights in Deutschland ergab, dass 47 Prozent der Befragten im Alter von 20 bis 30 Jahren an einer QLC leiden. Als Auslöser werden Zukunftsängsten genannt.[3] Diese werden meines Erachtens durch den bereits vorhandenen weltweiten Krisenmodus verschärft. Das bevorstehende Ende meines Studiums in diesem Jahr ist eng mit Ängsten und Zweifeln an meine eigenen Voraussetzungen für einen beruflichen Start verbunden. Wo ist mein Platz in dieser aufgewühlten Gesellschaft? Werde ich einen sinnstiftenden Job finden und entspricht meine bisherige Ausbildung den Anforderungen? Wie kann ich einen Balanceakt zwischen beruflichem Start und Familienplanung vollziehen? In diesem Beitrag möchte ich näher erläutern, was eine QLC ist, warum gerade die Generation Z betroffen ist und welche Maßnahmen und Hilfestellungen Betroffene finden können.
Was ist eine Quarterlife Crisis?
Die Entwicklungspsychologie setzt sich mit den physischen, kognitiven und sozialen Entwicklungen des Menschen auseinander. Der Übergang ins Erwachsenalter wird als „emerging adulthood“ bezeichnet, wobei die wissenschaftliche Betrachtung der Jahre in den Mittzwanziger erst in den letzten Jahren eine besondere Aufmerksamkeit erhalten hat.[4] Die QLC ist eine Entwicklungskrise, die insbesondere zum Zeitpunkt Ende des Studiums und mit Eintritt in die Berufstätigkeit auftreten kann.[5] Gefühle der Verunsicherung, Selbstzweifel, Orientierungslosigkeit und Zukunftsängste, die sich auch in einer Depression manifestieren können, sind kennzeichnend für diese Zeit des Übergangs von einer Lebensphase in die andere. Populär wurde der Begriff „Quarterlife Crisis“ durch die beiden US-amerikanischen Autorinnen Robbins und Wilner, die im Jahr 2001 ihr Buch mit dem Titel „Quaterlife Crisis: Die Sinnkrise der Mittzwanziger“ veröffentlichten. Beide Frauen waren damals Mitte Zwanzig und befanden sich nach eigenen Angaben selbst in einer Krise und suchten den Austausch mit anderen Betroffenen. Sie gelten als Pionierinnen, da sie die Krise als eine echte Krise ernst nahmen und diese erstmals öffentlich thematisierten.[6]
Konkrete Hilfestellungen
Zu den jüngsten Studien (2015) zählt die von Robinson, der die QLC in vier Phasen gliedert: in der 1. Phase geht der junge Erwachsene einem Beruf nach, bzw. verfolgt ein Berufsziel und hat vielleicht eine feste Partnerschaft, wobei sich in dieser Phase einige seiner Entscheidungen nicht nach seinen Wünschen entwickeln. Zweifel an der eigenen Identität und den vorgegebenen gesellschaftlichen Rollen entstehen. Dieser innere Konflikt gilt als Vorstufe zur Krise. In der 2. Phase gestaltet sich die Krise durch den Willen, Veränderungen herbeizuführen, wobei der Entscheidungsprozess durch Ängste begleitet wird, die Fragen zur eigenen Person und zur Gesellschaft beinhalten. Die 3. Phase ist gekennzeichnet durch einen Wandel der Lebensstruktur und den Mut zur Veränderung, auch wenn weiterhin eine Zerrissenheit über die eigentlichen Ziele vorherrscht. Vermehrter Meinungswechsel ist die Folge und eine Konzentration auf die eigene Person zur Stabilisierung der Lage. In der 4. Phase übernimmt der Betroffene bewusst und aus eigener Überzeugung bestimmte Rollen und erlangt eine Authentizität. Die gewonnene Stabilität führt dazu, dass der junge Erwachsene durch äußere Einflüsse immer weniger aus dem Gleichgewicht gerät.[7]
Verschärfende Faktoren der Quaterlife Crisis für die Generation Z
Alle Phasen der QLC erscheinen allerdings durch den aktuellen Krisenmodus der Generation Z, geboren zwischen 1995 und 2010, besonders belastet. Die Komplexität der Transition in die Berufswelt wird für diese Generation in der wissenschaftlichen Literatur im Vergleich zu vorherigen Generationen als besonders herausfordernd erachtet. Die Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten und beruflichen Optionen, die sich abzeichnenden Veränderungen in der Arbeitswelt durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, die generelle Informationsflut und ständigen Vergleiche durch soziale Medien bieten für die Generation Z multiple Stressoren, die sie für die Krise besonders anfällig machen.[8]
Mittlerweile bieten viele Krankenkassen ausführliche Informationen zur QLC sowie Hinweise zu professioneller Hilfe an.[9] Auch Kliniken mit dem Schwerpunkt der Behandlung psychischer Krankheitsbilder, wie die Oberberg-Fachkliniken,[10] beschäftigen sich mit dieser Krise. Die Oberberg-Klinik unterscheidet zwischen einer „Ausgeschlossenen Krise“, die häufig zwischen dem 21 – 25 Lebensjahr auftritt und einer „Gefangenen Krise“ im Alter zwischen 25 – 35 Jahren. Selbstfürsorge, Sport, Digital Detox und das Senken zu hoher Erwartungen an sich selbst werden als Hilfestellung bei einer leichten Form gesehen. Auch Universitäten nehmen die Thematik ernst. So bietet die SRH Heidelberg eine Vielzahl von Beratungs- und Coachingsangeboten an. Das Studierendenprojekt „Open Ear“ wird von Studierenden des Studiengangs „Soziale Arbeit: Psychosoziale Beratung und Gesundheitsförderung“ durchgeführt, wobei einige Beratende bereits fertig ausgebildete Sozialarbeiter sind oder einen Bachelor in Gesundheitsförderung haben.
Fazit und Ausblick
Mein Verständnis für meine eigene Situation und meine schwankende Gefühlswelt hat sich durch die Auseinandersetzung mit den Ursachen der QLC, den Besonderheiten für meine Generation und den möglichen Hilfestellungen geschärft. Dies bedeutet nicht, dass ich keine Ängste mehr vor den Entscheidungen, den beruflichen Perspektiven und Zweifel an meinen Fähigkeiten hätte, aber ich weiß, dass diese Krise ein wichtiger Teil meines Weges ist.
[1] Tagesschau (2023): „Krisenmodus“ ist das Wort des Jahres. Zugriff am 10.12.2023. https://tagesschau.de/inland/gesellschaft/wort-des-jahres-krisenmodus/tagesschau.de.
[2] Schnetzer, S. (2023): Trendstudie Jugend in Deutschland. Aktuelle Krisen belasten Jüngere stärker als Ältere. Ein Generationenkonflikt bleibt aus. Zugriff am 15.12.2023. https://simon-schnetzer.com/jugendstudien/.
[3] Marktforschung(2020): Studie von Smart Insights. Quaterlife Crisis – fast die Hälfte der jungen Erwachsenen sind betroffen. Zugriff am 10.12.2023. https://www.marktforschung.de/marktforschung/a/quaterlife-crisis-fast-die-haelfte-der-jungenerwachsenen-sind-betroffen/marktforschung.de.
[4] Vgl. Myers (2014), S. 215.
[5] Vgl. Martin (2017), S. 4.
[6] Vgl. Prattes, Zwander (2019), S. 70.
[7] Vgl. Prattes, Zwander (2019), S. 73.
[8] Vgl. Maas(2017): Generation thinking und Gen Z. In: Institut für Generationenforschung. Zugriff am 15.12.2023. https://www.generation-thinking.de.
[9] Vgl. Kleinschmidt (2023): Quaterlife Crisis – die Sinnkrise nach Ausbildung und Studium. Zugriff am 16.12.2023. https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/psyche/psychische-gesundheit/quarterlife-crisis-1154912.
[10] Vgl. Oberberg-Kliniken (2023): Hilfe bei einer Quaterlife Crisis. Die Sinnkrise in den Mittzwanzigern und was dagegen hilft. https://www.oberbergkliniken.de/artikel/hilfe-bei-einer-quarterlife-crisis.