Persönliche Grenzen sind wie unsichtbare Linien, die unser inneres Territorium markieren und unsere physischen, emotionalen und mentalen Räume definieren. Sie basieren auf unseren individuellen Werten, Erfahrungen und Überzeugungen und sind entscheidend für unser Wohlbefinden und unsere Beziehungen. Doch oft fällt es uns schwer, diese Grenzen zu setzen und ein klares Nein auszusprechen. Warum ist das eigentlich so? Und warum ist es wichtig, diese Kunst des Grenzensetzens zu beherrschen? (Ruffer & Ruffer, 2019, S.19)
Warum sind Grenzen wichtig?
Grenzen sind nicht nur Abgrenzungen, sondern auch Schutzräume, in denen wir uns sicher und geborgen fühlen. Sie definieren unsere Identität, beeinflussen unsere Beziehungen und entscheiden darüber, wie wir unser Leben gestalten. Sie geben uns ein Gefühl der Sicherheit und Autonomie und helfen uns dabei, unsere Bedürfnisse zu kommunizieren und zu schützen. Wenn wir unsere eigenen Grenzen nicht erkennen, respektieren oder äußern, laufen wir Gefahr, den Blick für das Wesentliche zu verlieren, uns zu überfordern und in ein Chaos von ständigen Einflüssen von außen zu geraten. Grenzen zu setzen ist daher ein wesentlicher Bestandteil eines gesunden Selbstwertgefühls und einer ausgeglichenen psychischen Gesundheit (Baus, 2015, S.99; Riedl, 2022, S.2-4).
Warum fällt es vielen Menschen schwer, Grenzen zu setzen?
Es gibt zahlreiche Menschen, die damit kämpfen, ihre eigenen Grenzen zu setzen, weil sie Angst vor Ablehnung oder Konflikten haben. Manche fühlen sich schuldig, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse priorisieren, oder haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle und Grenzen zu erkennen und auszudrücken, was zu einem Gefühl der Grenzenlosigkeit führt. Sie sind stark von den Gefühlen anderer abhängig und verlieren dabei oft das Bewusstsein für ihre eigenen Emotionen. Diese Schwierigkeiten beim Setzen von Grenzen haben ihre Wurzeln oft in der Kindheit, in Erfahrungen, in denen die individuellen Grenzen nicht respektiert wurden. Oftmals haben sie gelernt, dass es egoistisch oder unhöflich ist, die eigenen Grenzen zu verteidigen, und so unterdrücken sie ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer.
Doch es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht egoistisch ist, für sich selbst einzustehen und seine Bedürfnisse zu kommunizieren. Im Gegenteil, es ist ein Akt der Selbstachtung und Selbstfürsorge. Indem wir lernen, unsere Grenzen zu erkennen, zu respektieren und „Nein“ zu sagen, schaffen wir Raum für authentische Beziehungen und ein erfülltes Leben, das im Einklang mit unseren eigenen Werten und Bedürfnissen steht (Grün & Robben, 2007, S. 7-8).
Praktische Tipps zum Grenzen setzen:
- Selbstreflexion: Nimm dir Zeit, um deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen: Was brauchst du, um dich wohlzufühlen? Was ist dir wichtig?
- Klare Kommunikation – Lerne „Nein“ zu sagen: Ein Nein kann auch auf eine respektvolle Weise kommuniziert werden, indem man es bspw. zwischen zwei positive Aussagen packt (z.B. Danke für die Einladung, leider passt es mir heute nicht, aber ich schätze die Geste sehr) (Baus, 2015, S. 99-101).
- Sei konsequent: Halte an deinen Grenzen fest und lass dich nicht von anderen überreden oder manipulieren, diese zu überschreiten.
- Selbstfürsorge: Mach dir klar, dass ausgenutzt werden nicht die Grundlage für Anerkennung und Zuneigung sein darf – deine Selbstachtung und -liebe sind wichtiger, als die Meinung anderer (Quernheim, 2018, S. 159-160).
- Übung macht den Meister: Es erfordert Mut und Selbstbewusstsein, sich gegenüber anderen abzugrenzen. Aber je öfter du es tust, desto leichter wird es dir fallen. Sei geduldig mit dir selbst, und nimm dir Zeit, diese Fertigkeit zu entwickeln.
Fazit
„Glück heißt seine Grenzen zu kennen- und sie zu lieben“
~Romain Rolland (Grün & Robben, 2007, S.9)
Der französische Schriftsteller Romain Rolland betont, dass der Schlüssel zum Glück darin liegt, nicht nur seine Grenzen zu kennen, sondern sie zu lieben. Das bedeutet, wir sollten nicht nur lernen uns abzugrenzen, sondern dankbar für unsere Begrenztheit sein, aber auch die Begrenztheit anderer akzeptieren (Grün & Robben, 2007, S. 9).
In einer Welt, die oft von Stress, Überlastung und den Erwartungen anderer geprägt ist, kann das Setzen und Aufrechterhalten von Grenzen eine Herausforderung sein. Doch es ist eine Fähigkeit, die erlernt und entwickelt werden kann und die entscheidend für unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität ist und uns ermöglicht, uns vor Überbelastung zu schützen, sowie ein tieferes Verständnis für uns selbst und unsere Bedürfnisse zu entwickeln. Wer sich nicht abgrenzen kann, riskiert im Strudel der ständig wachsenden Anforderungen den Überblick, oder sich selbst zu verlieren. Daher ist es wichtig, dass wir uns hin und wieder durch ein klares „Nein“ behaupten können, um Raum für das zu schaffen, was wirklich wichtig ist (Baus, 2015, S.99). Dennoch muss jeder selbst herausfinden, wo diese Grenzen liegen. Das ist deshalb so wichtig, weil diese oft nicht offensichtlich bzw. „unsichtbar“ sind. Wir können nicht davon ausgehen, dass andere Menschen automatisch erkennen, wo diese Grenzen liegen und entsprechend handeln, wir müssen selbst auf sie aufpassen und dies klar zum Ausdruck bringen (Müller, 2024, S.14).
Abbildung:
Titelbild: Bild von Luisella Planeta (Nutzername: „sweetlouise“) (2021). In Pixabay. Zugriff am 29.05.2024. Verfügbar unter https://pixabay.com/de/photos/nein-verweigern-negativ-6800696/
Quellen:
Baus, L. (2015). Selbstmanagement: Die Arbeit ist ein ein ewiger Fluss. Wiesbaden: Springer Fachmedien. doi: 10.1007/978-3-658-09593-2
Grün, A. & Robben, R. (2007). Grenzen setzen- Grenzen achten (11. Aufl.). Freiburg im Breisgau: Herder GmbH.
Müller, T. (2024). Resilienz stärken, Grenzen setzen. MMW Fortschr Med, 166, S.12-17. doi: 10.1007/s15006-023-3514-7
Quernheim, G. (2018). Und jetzt Sie!- Selbst- und Zeitmanagement in Gesundheitsberufen (2. Aufl.). Berlin: Springer. doi: 10.1007/978-3-662-57465-2
Riedl, M. (2022). Nein sagen & Grenzen setzen. Ort unbekannt: Westchester Verlag.
Ruffer, G. & Ruffer, H. (2019). Selbstbewusst Nein sagen. Paderborn: Junfermann Verlag.