By Published On: 13. August 2024Categories: Digitalisierung, Soziales, Technologie

In unserer zunehmend digitalisierten Welt wird der Zugang zu Informationen und Dienstleistungen über das Internet ein immer wichtigerer und damit unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Lebens. Doch während die digitale Transformation fortschreitet, bleibt ein wesentlicher Aspekt oft unberücksichtigt: die Barrierefreiheit. Millionen von Menschen, die mit Einschränkungen leben, stoßen im digitalen Raum auf Hindernisse, die ihre Teilhabe erheblich einschränken. Digitale Barrierefreiheit ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Inhalten haben. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die Bedeutung digitaler Barrierefreiheit, die vielfältigen Barrieren, denen Nutzer begegnen, und zeigt Schritte auf, wie diese Barrieren überwunden werden können.

Was bedeutet digitale Barrierefreiheit genau?

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen, unabhängig von ihren körperlichen, sensorischen oder kognitiven Fähigkeiten, Zugang zu digitalen Technologien und dem Internet haben. Die internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 aus dem Jahr 2018 stellen die Grundlage für die Gestaltung von digitalen Inhalten dar, sie definieren Standards, die sicherstellen, dass Websites und digitale Anwendungen für Menschen mit verschiedenen Einschränkungen zugänglich und nutzbar sind (Dobroschke, 2019, S. 724; Jacobi, 2020, S.159).

Barrierefreiheit basiert demnach auf vier grundlegenden Prinzipien: digitale Inhalte und Funktionen (Websites, Dokumente etc.) müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sein, um allen Nutzern eine uneingeschränkte Nutzung zu ermöglichen. Dies umfasst unter anderem die Verwendung von klaren und leicht verständlichen Texten, die Bereitstellung alternativer Inhalte für Bilder und Videos für sehbehinderte Nutzer, die Gewährleistung einer einfachen Navigation für Menschen mit motorischen Einschränkungen, sowie die Kompatibilität mit Bildschirmleseprogrammen für blinde Online- Besucher (LBIT Hessen, 2024).

Warum ist Barrierefreiheit wichtig?

Digitale Barrierefreiheit fördert die Inklusion und stellt sicher, dass alle Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten, die gleichen Chance haben, auf Informationen zuzugreifen und an der digitalen Welt teilzunehmen, was zu betonen ein grundlegendes Menschenrecht darstellt. Zudem zeigen Studien, dass Menschen mit Behinderungen das Internet besonders schätzen, weil „in der digitalen Welt kein Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Behinderung besteht“ (Jacobi, 2020, S.160). Es ist für sie ein wichtiges Mittel, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, Kontakte zu knüpfen und behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Die digitale Welt ermöglicht ihnen damit mehr Selbstbestimmung und Teilhabe an der gesellschaftlichen Kommunikation (Jacobi, 2020, S. 160).

Bei dem Thema Barrierefreiheit denken viele zunächst einmal an Hilfsmittel für Menschen mit körperlichen Behinderungen, wie etwa Inhalte mit Untertiteln oder Gebärdensprachdolmetscher. Das Thema ist jedoch viel breiter gefasst und kommt einer Vielzahl von Menschen zugute, das wird auch deutlich an den folgenden Zahlen:

In Deutschland leben etwa 7,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung, was 9,4 % der Bevölkerung entspricht. Etwa 470.000 Menschen haben Legasthenie, 1,3 Millionen leiden an Demenz und etwa 7,5 Millionen Menschen sind funktionale Analphabeten- das ist jeder siebte Erwachsene in Deutschland. Darüber hinaus sind 78 % der Menschen über 55 Jahre alt, was einer bedeutenden gesellschaftlichen Gruppe entspricht, die von barrierefreier Kommunikation profitieren kann (Schach, 2023, S.311).

Ältere Menschen profitieren von benutzerfreundlichen Designs und Menschen, die gerade Deutsch lernen, verstehen Inhalte in einfacher Sprache besser. Insgesamt sind also, wenn man alle möglichen Überschneidungen der Betroffenengruppen berücksichtigt, ca. 50 Millionen Menschen betroffen – was im Umkehrschluss bedeutet, dass in Deutschland jeder Zweite von digitaler Barrierefreiheit profitieren würde. Es unterstreicht die enorme Bedeutung dieses oft unterschätzten Themas und verdeutlicht, dass barrierefreie Kommunikation vielen Menschen erst die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht (Horcher, 2024a, S.22; Schach, 2023, S.308).

Beispiele für digitale Barrieren

Häufig anzutreffende Barrieren sind: (Jacobi, 2020, S.160-164)

  • fehlende Textalternativen zu Bildern/Videos
  • fehlende Lautalternativen zu Texten
  • schwache Farbkontraste
  • schwer verständliche Fachsprache
  • überladene Informationsinhalte mit Werbung
  • komplexe Navigation
  • Fake News o. Fake Buttons

Digitale Barrieren sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar und können praktisch in jeder Situation auftreten. Neben den aufgeführten Punkten existieren noch viele weitere Hindernisse, die sowohl klar ersichtlich, als auch verborgen sein können. Aus diesem Grund erfordert es eine tiefe Auseinandersetzung, um diese zu identifizieren und zu beseitigen. Zudem wird dadurch deutlich, wie vielen Hindernissen Nutzer im Internet ausgesetzt sind und wie wichtig es ist, kontinuierlich an der Verbesserung und Beseitigung aller Barrieren zu arbeiten, um eine zugängliche digitale Umgebung für alle zu schaffen (LBIT Hessen, 2024).

Der European Accessibility Act (EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von 2019)

In Deutschland wird der European Accessibility Act durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umgesetzt. Dieses neue Gesetz erweitert erstmals den Kreis der Akteure, die zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet sind, nun auch um private Wirtschaftsakteure. Die grundlegende Vorgabe lautet, dass digitale Angebote ab dem 29. Juni 2025 barrierefrei (er) gestaltet werden müssen, indem sie über mehr als einen Sinneskanal zugänglich gemacht werden. Das bedeutet, dass Produkte und Dienstleistungen, die üblicherweise für den Zugang zum Internet und für Vertragsabschlüsse genutzt werden, entsprechend angepasst werden müssen. Dazu zählen Computer, Smartphones sowie Telekommunikations- und Bankdienstleistungen. Diese Maßnahme betont die aktuelle Relevanz des Themas und die wachsende Aufmerksamkeit, die der digitalen Barrierefreiheit zuteil wird. Trotz der steigenden Sensibilisierung und Bemühungen um digitale Barrierefreiheit bleibt noch viel zu tun. Viele Institutionen, Websites und Anwendungen weisen nach wie vor erhebliche Zugangsprobleme auf, die es schwer machen, sich online zurecht zu finden. Dennoch ist dieses Gesetz ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung (Horcher, 2024b, S.22).

Fazit

Digitale Barrierefreiheit erleichtert vielen Menschen den Zugang zu Informationen und ist ein zentraler Bestandteil gesellschaftlicher Teilhabe. Egal ob digital oder analog, es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Teilhabe aktiv zu fördern. Dieser Blogbeitrag gibt einen kurzen Überblick, doch das durchaus komplexe Thema bietet Anlass für eine tiefere Auseinandersetzung. Das „Handbuch Barrierefreie Kommunikation“ von Maaß und Rink (2019) ist eine wertvolle Ressource, um sich umfassend zu informieren. Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich im Portal Barrierefreiheit umzuschauen, um weitere Informationen und Ressourcen zu diesem Thema zu finden. Barrierefreiheit sollte nicht als zusätzliche Last, sondern als Chance zur Verbesserung der Kommunikation für alle verstanden werden (Schach, 2023, S. 324).

„Behindert ist man nicht – behindert wird man.“

(Horcher, 2024a, S.22)

Abbildung:

Titelbild: eigene Grafik, erstellt mit Microsoft Copilot

Quellen:

Dobroschke, J. (2019). Digitale Barrierefreiheit: Tipps und Informationen zur Barrierefreiheit in Dokumenten und im Internet. BuB- Forum Bibliothek und Information, 2019, S.724-726.

Horcher, G. (2024a). Barrierefrei kommunizieren für Unternehmen. Wiesbaden: Springer Fachmedien. doi: 10.1007/978-3-658-44230-9

Horcher, G. (2024b). BFSG- konforme Projekte und Services. Wirtschaftsinformatik & Management, 16 (1), S. 21-28. doi: 10.1365/s35764-024-00511-8

Jacobi, P. (2020). Barrierefreie Kommunikation im Gesundheitswesen. Berlin: Springer. doi: 10.1007/978-3-662-61478-5

LBIT Hessen, Bitkom e. V., DIN, Bundesfachstelle Barrierefreiheit (2024). Digitale Barrierefreiheit. Zugriff am 19.05.2024. Verfügbar unter https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/barrierefreie_it/digitale-barrierefreiheit/digitale-barrierefreiheit-node.html

Schach, A. (2023). Diversity & Inclusion in Strategie und Kommunikation. Wiesbaden: Springer Fachmedien. doi: 10.1007/978-3-658-40153-5

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