Durch die derzeitig herrschenden Kriege, steigt auch die Anzahl der Asylanträge in Europa an. Deutschland nimmt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die meisten Flüchtlinge auf. Doch inwieweit kann Deutschland eine so hohe Anzahl an Flüchtlingen bewältigen?
Aktueller Stand der Flüchtlingssituation in Deutschland
Laut dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 werden Personen zu Flüchtlinge erklärt, wenn sie sich außerhalb ihres Landes, dessen Staatangehörigkeit sie besitzen, befinden und aus Angst aufgrund ihrer Religion, Nationalität, Rasse, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugungen verfolgt zu werden, nicht mehr dorthin zurückkehren können und dadurch den Schutz ihres eigenen Landes aus Befürchtung der Verfolgung nicht mehr in Anspruch nehmen können oder wollen (UNHCR, 1967, S. 2). Derzeit herrschen noch immer Kriege. Viele Menschen flüchten aus Kriegsgebieten und suchen Asyl. Unter den europäischen Ländern ist Deutschland das Land mit den meist aufgenommenen Flüchtlingen.
Aktuelle Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge [BAMF] (2023) zeigen, dass von Januar bis November 2023 bereits 304.581 Erstanträge für Asyl eingegangen sind. Im Vorjahr waren es im Vergleichszeitraum 189.998 Erstanträge. Die Antragszahl ist zum Vorjahr um 60,3% gestiegen. Die Großzahl der Asylsuchenden stammt aus den Ländern Syrien, Afghanistan und Türkei (S.3).
Nicht in der oben dargestellten Statistik enthalten, sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Diese müssen in den EU-Ländern kein Asylverfahren durchlaufen, weswegen sie nicht als Asylanten gelten. Sie erhalten einen temporären Schutzstatus auch ohne ein Visum und ohne Prüfung ihres Aufenthaltsrechtes. Bis Oktober 2023 sind in Deutschland ungefähr 1,1 Mio. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eingereist (BAMF, 2023).
Das Asylverfahren in Deutschland
Gelangen Asylsuchende nach Deutschland, so werden sie zunächst in der nächstgelegenen Aufnahmeeinrichtung registriert. Dort erhalten alle Asylsuchenden ein Ankunftsdokument als temporäres Ausweisdokument, welches dazu berechtigt, staatliche Leistungen wie z.B. Unterbringung, Verpflegung und medizinische Grundversorgung in Deutschland zu erhalten (BAMF, 2021). Die erste Aufnahmeeinrichtung verteilt die Asylsuchenden nach dem Quotensystem EASY auf die Bundesländer (BAMF, 2022). Innerhalb der Bundesländer erfolgt meist eine weitere Verteilung auf die Kommunen, bei der die Landesbehörden entscheiden, ob die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder in einer eigene Wohnung erfolgt (BAMF, 2019). Die Kommunen sind am Ende für die Unterbringung und Versorgung der ihnen zugeteilten Flüchtlinge zuständig. Laut einer Umfrage sehen sich 40 % der Kommunen mit der Flüchtlingssituation überlastet. Den Kommunen fehlen finanzielle Mittel sowie Unterkünfte. Sie sind auf ehrenamtliche Helfende sowie Spenden angewiesen, um die Situation überhaupt bewältigen zu können. Besonders Dolmetscher und Sprachlehrer werden benötigt (Herbst & Kretschmer, 2023). Zudem erhalten alle Asylsuchende nach Antragstellung auf Asyl zunächst ein Beschäftigungsverbot von 3 Monaten, welches sich bei den meisten Asylanten aufgrund bestimmter Faktoren unterschiedlich verlängert. Auch wenn der Wunsch nach Arbeit bei den Asylsuchenden besteht, werden sie vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Daher müssen sie aufgrund des Beschäftigungsverbotes Sozialleistungen beziehen. Dies ist sowohl für die Flüchtlinge eine unbefriedigende Situation, da sie monatelang im Nichtstun verweilen als auch für die deutschen Staatsbürger, die diese Sozialleistungen mitfinanzieren müssen. Die Akzeptanz von geflüchteten Menschen wird durch dieses Verfahren bei den deutschen Staatbürgern nicht gerade gefördert. Nachdem das Arbeitsverbot aufgehoben ist, dürfen die Asylanten und Asylantinnen zwar einer Arbeit nachgehen, müssen jedoch der Ausländerbehörde das konkrete Arbeitsangebot zunächst vorlegen und sich eine Zustimmung einholen, was wieder zu Problemen führt, da es nahezu unmöglich ist, zeitnah dafür einen Termin zu erhalten. Bis die Ausländerbehörde der Arbeit zustimmt, vergehen mehrere Wochen, in denen die Stelle mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits anderweitig besetzt wird. Geflüchtete Personen aus sogenannten sichereren Herkunftsstaaten wie Albanien, Kosovo oder Ghana erhalten ein absolutes Beschäftigungsverbot. Nur mit einem Aufenthaltstitel wird ihnen die Arbeitsaufnahme gewährt (Pro Asyl, 2023).
Eine erste Verbesserung des Asylverfahrens wurde bereits umgesetzt. Durch das neue Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren, welches zum 01. Januar 2023 in Kraft getreten ist, soll das Asylrecht in der Praxis vereinfacht und die Asylklageverfahren, welche bisher durchschnittlich über 2 Jahre andauerten, verkürzt werden. Dadurch sollen nicht nur die Verwaltungsgerichte, sondern auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entlastet werden (Bundesministerium des Innern und für Heimat, 2023).
Durch die hohe Flüchtlingsaufnahme und die schnellen Hilfemaßnahmen positioniert sich Deutschland zwar als eines der solidarischsten Länder Europas. Eine schnelle und gute Integration im Bereich Bildung und Arbeit wird jedoch durch die deutsche Bürokratie und durch fehlende Ressourcen erschwert. Zumal herrscht ohnehin in den Bildungseinrichtungen Fachkräftemangel. Sowohl Erzieher als auch Lehrer werden durch die Flüchtlingsaufnahme umso mehr benötigt. Auch auf dem Arbeitsmarkt ist es ohne Sprachkenntnisse umso schwerer einen Einstieg zu finden. Auch hier wird den geflüchteten Menschen der Einstieg in die Arbeitswelt durch die Bürokratie erschwert. Die Integration erfordert Zeit. In dieser Zeit muss für die Flüchtlinge gesorgt werden, sodass sie Essen, Kleidung, medizinische Versorgung und eine warme Bleibe haben. Hierfür werden zusätzliche finanzielle Mittel benötigt.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Eine genaue Vorhersage, wie Deutschland die aktuelle Flüchtlingskrise bewältigen wird, ist schwierig zu treffen, da dies von vielen Faktoren wie politische Entscheidungen abhängig ist, die sich im Laufe der Zeit ändern können.
Auch wenn die Politik bereits Maßnahmen zur Bewältigung umgesetzt hat, ist nach wie vor viel Handlungsbedarf notwendig, um die Flüchtlinge schnell und erfolgreich in Deutschland integrieren zu können. Besonders im Bildungsbereich müssen Fachkräfte gefunden werden, damit die Asylantinnen und Asylanten schnell die Sprache erlernen und Anschluss im Land finden. Es müssen neue Arbeitsmodelle geschaffen werden, um sie auch schneller in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Davon könnte auch Deutschland künftig profitieren, denn gut integrierte Migrantinnen und Migranten in der Arbeitswelt bieten eine gute Möglichkeit, dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken. Deutschland muss vermehrt daran arbeiten, die Bevölkerung über die Flüchtlingssituation aufzuklären, da derzeit viel Verärgerung und Unruhe in Deutschland aufgrund der Flüchtlingskrise herrscht. Die Bevölkerung muss weiterhin sensibilisiert und aufgeklärt werden, um Vorurteile gegenüber Flüchtlingen abzubauen. Ebenso müssen sich aber auch die Flüchtlinge in die deutsche Kultur integrieren und den Normen anpassen. Ansonsten stoßen beide Seiten auf Frust und Widerstand. Dies kann durch Informationskampagnen und interkulturellen Austausch erfolgen. Die Flüchtlinge müssen von den deutschen Mitbürger*innen in das Land und die deutsche Kultur aktiv eingeführt werden, anstatt die Flüchtlinge von der deutschen Bevölkerung abzuschotten. Hierbei ist jedoch essenziell, dass vorher ein psychologisches Gutachten erfolgt, ob die Flüchtlinge psychisch stabil sind, um in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Nicht nur die schrecklichen Erlebnisse des erlebten Krieges, sondern auch die Trennung von der Heimat und Familie, sowie die oftmals beschwerliche Flucht aus dem Heimatland können Traumata und andere psychische Erkrankungen auslösen. Daher ist es besonders wichtig, dass labile Flüchtlinge zunächst psychisch behandelt werden, um keine Gefahr für die Bevölkerung darzustellen. Auch müssen die europäischen Länder eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge abstimmen. Hierbei muss die Stärkung der EU-Asylpolitik gefördert werden und eine solidarische Zusammenarbeit der EU-Länder erfolgen. Gemeinsam könnte die EU die Fluchtursache in den Herkunftsländern der Flüchtlinge mehr bekämpfen. Dies kann durch Entwicklungshilfe und den Einsatz für Frieden und Stabilität in den Konfliktregionen erfolgen.
Literatur:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Dezember 2023). Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern in Deutschland im November 2023. In Statista. Zugriff am 07.11.2023. Verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/154287/umfrage/hauptherkunftslaender-von -asylbewerbern/#:~:text=Ende%202022%20lebten%20bereits%20rund,insgesamt%20rund%2021.000%20Folgeantr%C3%A4ge%20gestellt.
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2023). Überblick über das bisherige Berichtsjahr 2023. Aktuelle Zahlen. 11/2023, S. 3.
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2022). Erstverteilung der Asylsuchenden (EASY). Aufgerufen am 10.11.2023. Verfügbar unter https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Erstverteilung/erstverteilung-node.html
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021). Ankunft und Registrierung. Aufgerufen am 10.11.2023. Verfügbar unter https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/AnkunftRegistrierung/ankunftregistrierung-node.html
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019). Persönliche Antragstellung. Aufgerufen am 10.11.2023. Verfügbar unter https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Antragstellung/antragstellung-node.html
Bundesministerium des Innern und für Heimat (2023). Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren. Aufgerufen am 09.11.2023. Verfügbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/beschleunigung-asylgerichtsverfahren.html#:~:text=Zum%201.,Fl%C3%BCchtlinge%20(BAMF)%20entlastet%20werden.
Herbst, F., Kretschmer, C. (2023). Kapazitäten in den Kommunen_ Flüchtlingshelfer an der Belastungsgrenze. Aufgerufen am 16.11.2023. Verfügbar unter https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/migration-kommunen-helfer-100.html
Pro Asyl (2023). Der steinige Weg in den Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen. Aufgerufen am 10.08.2023. Verfügbar unter https://www.proasyl.de/news/der-steinige-weg-in-den-arbeitsmarkt-fuer-gefluechtete-menschen/
UNHCR (1967). Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951. Aufgerufen am 09.11.2013. Verfügbar unter https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/03/Genfer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf
Titelbildquelle:
Bild von Kalhh (2016). In Pixabay. Aufgerufen am 13.08.2023. Verfügbar unter https://pixabay.com/de/illustrations/fl%C3%BCchtlinge-europa-retten-asyl-1156245/