By Published On: 20. August 2024Categories: Gesundheit

Jeden Tag anderen Menschen helfen, belastende Situationen erleben, auch unter Stress stets empathisch sein, ständig seine Tätigkeiten unterbrechen, zu jeder Tageszeit konzentriert und möglichst fehlerfrei arbeiten und das alles unter starkem Zeit- und Personalmangel. Wie lange kann eine Person das durchhalten, ohne selbst darunter zu leiden?

Der anhaltende Zeit- und Leistungsdruck prägt den Arbeitsalltag der Pflegekräfte. Ihr Beruf ist durch hohe psychische und physische Belastungen gekennzeichnet (Rohwer et al., 2021, S. 39)  und dazu kommt die Angst, Pflegebedürftige nicht adäquat versorgen zu können (Ebbers, 2018, S. 30). Als langfristige Folge dieses fortwährenden Stresszustandes gelten Pflegekräfte als überdurchschnittlich häufig von Burnout betroffen (Michalsen und Hillert, 2011a, S. 24; Mojtahedzadeh et al., 2021, S. 163). Klinikpersonal, das während der COVID-19-Pandemie tätig war, insbesondere auf Intensivstationen, war zu Beginn der Pandemie von einem zunehmenden Burnout betroffen aufgrund der gesteigerten Stressbelastung (Kramuschke et al., 2024, S. 485).

Burnout: Definition und Symptome

Aktuell wird Burnout in der ICD-10 unter „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ klassifiziert und nicht als eigenständige psychiatrische Diagnose. In der Diagnostik sind die Burnout-Screening-Skalen (BOSS I-III) im deutschsprachigen Raum klinisch relevant, während das Maslach Burnout Inventory (MBI) global genutzt wird. Ein speziell für Beschäftigte in sozialen und medizinischen Bereichen geeignetes Messinstrument ist das Maslach Burnout Inventory-Human Services Survey (MBI-HSS). Burnout wird als ein Syndrom definiert, das als Folge von anhaltendem Stress am Arbeitsplatz entsteht, der nicht erfolgreich bewältigt wird. Es umfasst folgende Symptom-Trias: Gefühle von Erschöpfung oder Energielosigkeit, erhöhte Distanz zur Arbeit/ negative Gefühle gegenüber der Arbeit sowie ein Gefühl der Ineffektivität und Leistungsunfähigkeit. Zusätzlich können weitere Symptome wie Minderwertigkeitsgefühle, Reizbarkeit, Hoffnungslosigkeit, Konzentrationsprobleme und Schlafstörungen auftreten. Eine Burnout-Diagnose spiegelt insgesamt die Auswirkungen einer Überlastung am Arbeitsplatz wider (Kramuschke et al., 2024, S. 485-486).

Stressoren in der Pflege

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sieht den hohen Zeit- und Leistungsdruck, also die Arbeitslast, in der Pflege aufgrund des Fachkräftemangels als Hauptursache für das erhöhte Burnout-Risiko. Viele Pflegekräfte empfinden es als frustrierend, dass ihre harte Arbeit weder angemessen entlohnt noch ausreichend gewürdigt wird. Die Unfähigkeit, Pflegebedürftige fachgerecht zu versorgen, löst Schuldgefühle aus. Das Pflichtgefühl gegenüber den Bedürftigen und dem Team kann zu einem enormen psychischen und moralischen Druck führen (Ebbers, 2018, S. 30). Die Anforderungen, Schichtarbeit sowie die evidenzbasiert zunehmende Gewalt und Aggression gegenüber Pflegekräften -durch Kranke und Angehörige- erhöhen das Stressempfinden und wirken sich auf die Gesundheit aus. Des Weiteren sind Pflegekräfte oft mit Emotionsarbeit konfrontiert, die aus Leid, Krankheit und Tod entsteht. In diesen belastenden Situationen müssen sie Professionalität, Zuversicht und Ruhe ausstrahlen (Klingenberg, 2022, S. 86–88). Weiterhin bestehen organisationale Rahmenbedingungen, Technostress, kulturelle und individuelle Unterschiede, welche mit den genannten Stressoren in Wechselwirkung stehen (Klingenberg, 2022, S. 88–89).

Präventive Maßnahmen

Eine Voraussetzung für erfolgreiche Prävention ist die Kombination von verhaltens- und verhältnisorientierten Maßnahmen sowie eine zielgruppenspezifische Ausrichtung dieser (Mojtahedzadeh et al., 2021, S. 163). Auf Verhältnisebene können organisationale Maßnahmen wie Autonomie und Variabilität am Arbeitsplatz, klare Aufgabenbereiche und Hierarchien, Begrenzung der Arbeitszeit, Schichtwunschäußerungen, Pausenkultur, Rückzugsorte, Freistellung für Fortbildungen und vor allem eine adäquate Personalstärke von Bedeutung sein (Michalsen und Hillert, 2011, S. 35–36). In der primären bis tertiären Prävention auf Verhaltensebene stehen die Konzepte der Stressreduktion und des Stressmanagements im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) im Vordergrund. Als Maßnahmen zur Stressreduktion können regelmäßige interne/externe Fortbildungsangebote zu Entspannungstechniken (z.B. progressive Muskelentspannung), Bewältigungsstrategien, Umgang mit den persönlichen Stressverstärkern oder Konfliktmanagement sein. Auch Supervisionen im Team (z.B. nach besonderen Ereignissen) sind sinnvoll (Michalsen und Hillert, 2011, S. 35–36). Im persönlichen Bereich sind die Work-Life-Balance, sowie stabile soziale Beziehungen mit Familie, Freunden und im Team wichtig. Diese gelten unter anderem als Schutzfaktoren von Resilienz, einem bedeutenden Faktor in der Burnout-Prävention. Denn diese fördert letztendlich die Workability, die Empathie, effektives Coping, die Emotionslage und damit auch die Arbeitszufriedenheit. Weitere Schutzfaktoren sind Selbstwirksamkeit, Humor, Optimismus und realistische Einschätzungen (Klingenberg, 2022, S. 94–95). Auch die Erhaltung der körperlichen Fitness und Hobbys sind wichtig. Entscheidend ist oft auch eine angemessene Gratifikation für die erbrachte Leistung. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Vergütung, sondern vor allem darum, ob der Wert der Gratifikation, wie das Arbeitsklima, Wertschätzung und Fairness, den individuellen Erwartungen entspricht (Michalsen und Hillert, 2011, S. 35-36).

Fazit und Ausblick

Pflegekräfte sind einer Vielzahl von langanhaltenden Stressoren ausgesetzt, was ihr Risiko für Burnout erhöht. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern. Ohne effektive Interventionen werden die Zahl der Erkrankten und der Personalmangel weiter zunehmen. Die größten Hindernisse hier sind gesetzliche und wirtschaftliche Barrieren, welche die Verhältnisprävention in der BGF ausbremsen (Mojtahedzadeh et al., 2021, S. 167). Doch die Pflegenden in Deutschland kämpfen für ihr Recht auf bessere Arbeitsbedingungen: Nach langen Verhandlungen und mehrtägigen Warnstreiks an verschiedenen Uniklinika hat die ver.di Baden-Württemberg ein Zukunftspaket erreicht. Es beinhaltet Entgelderhöhungen, erhöhte Zuschläge für Nacht-/ Sonntagsschichten, mehr freie Tage, die Implementierung von Systemen zur Erfassung von Belastungssituationen und individuellen Belastungsausgleich. Damit wird angestrebt, Belastungen zu vermeiden und eine positive Entwicklung für die Beschäftigten zu gewährleisten (ver.di Baden-Württemberg, 05.07.2024).

Abbildungsverzeichnis

Titelbild: Bild von Markus Kammermann (Nutzername: makabera) (2022). Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/photos/faust-raufen-nachdenken-7391611/.

Literaturverzeichnis

Ebbers, Beate (2018): Burnout vermeiden. In: Pflegez 71 (12), S. 30–31. DOI: 10.1007/s41906-018-0801-5 .

Klingenberg, Ingo (2022): Forschungsstand zur Stressbewältigung durch Pflegekräfte und empirisches Vorgehen. In: Ingo Klingenberg (Hg.): Stressbewältigung durch Pflegekräfte: Konzeptionelle und empirische Analysen vor dem Hintergrund des Copings und der Resilienz.: Springer Nature; Springer Gabler, S. 81–102. DOI: 10.1007/978-3-658-37438-9_3.

Kramuschke, M.; Renner, A.; Kersting, A. (2024): Burnout : Symptomatik, Diagnostik und Behandlungsansätze. In: Der Nervenarzt 95 (5), S. 484–493. DOI: 10.1007/s00115-024-01649-x .

Michalsen, A.; Hillert, A. (2011): Burn-out in Anästhesie und Intensivmedizin. Teil 2: Epidemiologie und Bedeutung für die Versorgungsqualität. In: Der Anaesthesist 60 (1), S. 31–38. DOI: 10.1007/s00101-010-1805-8 .

Mojtahedzadeh, Natascha; Neumann, Felix Alexander; Rohwer, Elisabeth; Augustin, Matthias; Zyriax, Birgit-Christiane; Harth, Volker; Mache, Stefanie (2021): Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege. In: Präv Gesundheitsf 16 (2), S. 163–169. DOI: 10.1007/s11553-020-00800-1 .

ver.di Baden-Württemberg (05.07.2024): Verhandlungsergebnis Zukunftspaket erreicht. Stuttgart. Becker, Jakob. Online verfügbar unter: https://gesundheit-soziales-bildung-bawue.verdi.de/themen/tarifrunde-uniklinika-bawue-2024/++co++9bf9b7d2-3ac3-11ef-879c-17169a227011.

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