By Published On: 14. August 2024Categories: Gesundheit, Psychologie

Stell dir vor, du könntest die inneren Prozesse deines Körpers bewusst steuern – Herzschlag, Atmung, Muskelspannung und sogar Hirnwellen. Biofeedback macht genau das möglich. Es ist eine Methode, die uns durch gezieltes Training und Technologie dabei unterstützt, eine neue Ebene der Selbstkontrolle und Gesundheit zu erreichen. In diesem Beitrag erkunden wir die Wissenschaft des Biofeedbacks und entdecken, wie diese Technik uns dabei helfen kann, unser volles Potenzial auszuschöpfen.

Das Prinzip von Biofeedback

Das Hauptziel der Biofeedback-Therapie besteht darin, durch Lernprozesse körperliche Funktionen und das allgemeine Wohlbefinden positiv zu beeinflussen und eine Selbstkontrolle über körperliche Vorgänge zu entwickeln. Im Gegensatz zu vielen medizinischen Interventionen, die neben dem gewünschten Effekt oft auch zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen haben, zielt Biofeedback darauf ab, spezifisch nur jene Körperfunktionen zu verändern, deren Anpassung für den Heilungsprozess erforderlich sind. Infolgedessen zählt Biofeedback zu den Therapieansätzen mit den geringsten Nebenwirkungen (Birbaumer & Rief, 2011, S.1).

Biofeedback kann eine Vielzahl von physiologischen Funktionen beeinflussen, einschließlich (Birbaumer & Rief, 2011, S.2; Martin & Rief, 2009, S.18):

  • Muskelaktivität, Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfunktion
  • Haut- und Körpertemperatur, Schweißdrüsenaktivität, neuronale Aktivitäten
  • chronische Schmerzstörungen wie Spannungskopfschmerzen, Migräne & Rückenschmerzen
  • Wiederherstellung neuromuskulärer Funktionen nach einem Schlaganfall (bspw. bei Lähmungen) etc.

Darüber hinaus findet Biofeedback Anwendung bei psychischen und psychosomatischen Beschwerden wie Angststörungen, Schlafstörungen, Aufmerksamkeitsdefizitstörungen, Stress, Tinnitus, Bluthochdruck und sexuellen Funktionsstörungen (Martin & Rief, 2009, S.18). Die Anzahl der erforderlichen Trainingseinheiten variiert je nach Individuum und Art der Störung und kann von wenigen bis zu 50 oder mehr Sitzungen reichen. Häufig zeigen Patienten jedoch bereits nach 8 bis 12 Sitzungen positive Ergebnisse (McKee, S. 31, 2008).

Wie funktioniert Biofeedback?

Im Rahmen einer Biofeedback-Sitzung werden Sensoren an verschiedenen Körperstellen angebracht, um relevante Daten wie Herzfrequenz, Muskelspannung und Gehirnaktivität zu messen und in Echtzeit anzuzeigen. Diese Daten werden meist in Form von Diagrammen oder Grafiken dargestellt, wodurch Patienten Veränderungen in ihren Körperfunktionen wahrnehmen und verstehen können, wie bestimmte Techniken und Verhaltensweisen diese beeinflussen. Mithilfe operanter Konditionierungsstrategien lernen die Patienten, ihre Körperprozesse gezielt zu steuern und zu trainieren. Gelingt es ihnen, die Biofeedback-Signale in gewünschter Weise zu verändern, erhalten sie sofort visuelle oder akustische Bestätigungssignale. Die Rückmeldung der Biosignale hilft den Patienten, hilfreiche Strategien zu erkennen und das Signal in wünschenswerter Weise zu beeinflussen. Wenn ein Zielkriterium sicher erreicht wird, steigt der Schwierigkeitsgrad, bis das übergeordnete Ziel erreicht ist (Birbaumer & Rief, 2011, S.2; Blume et al., 2017, S.203; Martin & Rief, 2009, S.17-20).

Die kontinuierliche Rückmeldung der körperlichen Funktionen hebt hierbei unbewusste Prozesse auf eine bewusste Ebene, was den Patienten ermöglicht, durch gezieltes Üben ihre Körperfunktionen willentlich zu beeinflussen. Positive Veränderungen werden verstärkt, sodass die erlernten Fähigkeiten und Behandlungseffekte auch ohne den fortgesetzten Einsatz der Geräte beibehalten werden können (Burch, 2021, S.50).

Biofeedback verwandelt den Patienten demnach von einem passiven Empfänger medizinischer Interventionen in einen aktiven Teilnehmer an der eigenen Gesundheitsförderung. Durch verstärktes Selbstmanagement übernehmen sie eine aktive Rolle bei der Krankheitsbewältigung und erleben eine gesteigerte Autonomie und Kontrolle über ihre eigenen körperlichen Vorgänge (Burch, 2021, S.51).

Wie kannst du Biofeedback für dich im Alltag nutzen?

Die Anwendung von Biofeedback ist nicht auf klinische Settings beschränkt, es kann auch im Alltag genutzt werden, um Stress abzubauen, die Konzentration zu verbessern und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. Hier sind einige einfache Übungen, die du in deinen Alltag integrieren kannst:

  1. Lächeln: Lächle bewusst, auch wenn dir nicht danach ist. Studien zeigen, dass das bewusste Lächeln die Stimmung hebt und Stress abbauen kann. Ein einfaches Lächeln kann die Ausschüttung von Glückshormonen wie Endorphine und Serotonin anregen und damit das allgemeine Wohlbefinden steigern (Sieben o.D.).
  2. Gerade Haltung: Achte gezielt auf eine aufrechte Körperhaltung. Eine korrekte Haltung kann dein Selbstbewusstsein stärken und ebenfalls zur Stressreduktion beitragen. Übe regelmäßig, deine Körperhaltung zu verbessern, und beobachte die positiven Effekte auf deine Stimmung und Energie (Sieben, o.D.).
  3. Progressive Muskelentspannung: Spanne nacheinander verschiedene Muskelgruppen für fünf Sekunden an und entspanne sie dann für 15-30 Sekunden, beginne dabei mit den Füßen und arbeite dich langsam nach oben. Durch diese schnelle und einfache Übung entwickelst du ein Bewusstsein für muskuläre Spannungen und kannst diese gezielt reduzieren, was zur Stressbewältigung und inneren Ruhe beiträgt (AOK, 2020a).
  4. Atemübungen– die Stress- Soforthilfe: mit der folgenden Übung hast du die Möglichkeit, deine Herzfrequenz zu beruhigen, was besonders in Stress-/Angstsituationen sowie bei Panikattacken hilfreich sein kann (AOK, 2020b):
    • Atme tief durch die Nase ein, zähle dabei bis drei.
    • Halte den Atem für ein paar Sekunden
    • Atme langsam durch den Mund wieder aus und zähle bis sechs (wichtig: Ausatmen immer doppelt so lang wie Einatmen)
    • Wiederhole diesen Zyklus für etwa zehn Minuten

Diese und viele weitere Übungen lassen sich leicht in den Alltag integrieren und können ohne spezielle Geräte durchgeführt werden. Regelmäßiges Wiederholen und Üben kann dazu beitragen, die Selbstkontrolle über den eigenen Körper zu stärken, das allgemeine Wohlbefinden zu steigern und Stress abzubauen. Probiere es doch einfach mal aus und finde selbst heraus, ob diese Übungen eine positive Wirkung auf dich und deinen Körper haben. Aber Vorsicht: Diese Übungen stellen keine umfassende Behandlung dar und ersetzen nicht die Vorteile einer professionellen Biofeedback-Therapie oder den Einsatz von Spezialgeräten!

Fazit

Zusammenfassend ist Biofeedback eine beeindruckende Methode, die es ermöglicht, körperliche Funktionen gezielt zu steuern und den eigenen Heilungsprozess aktiv zu unterstützen und somit bewusst Einfluss auf das autonome Nervensystem zu nehmen – eine Vorstellung, die bis in die 1960er Jahre als unmöglich galt. Durch maßgeschneidertes Training lernen Patienten, ihre körperlichen Reaktionen bewusst zu regulieren, unerwünschte Nebenwirkungen zu reduzieren und ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Die Methode hat sich in der Praxis bewährt, wie die positiven Rückmeldungen von fast 90% der Anwender in einer psychosomatischen Klinik zeigen. Biofeedback erweist sich somit als wertvolles Werkzeug in der modernen Medizin und Psychologie und bietet sowohl in klinischen als auch in alltäglichen Kontexten große Vorteile (Birbaumer & Rief, 2011, S.1,7).

Abbildung:

Titelbild: eigene Grafik, erstellt mit Microsoft Copilot

Quellen:

AOK (2020a). Progressive Muskelentspannung: eine einfache Anleitung für PMR. AOK-Gesundheitsmagazin. Zugriff am 26.07.2024. Verfügbar unter: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/progressive-muskelentspannung-pmr-einfache-anleitung/

AOK (2020b), 5 Atemübungen für Entspannung im stressigen Alltag. AOK- Gesundheitsmagazin. Zugriff am 26.07.2024. Verfügbar unter: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/stress/5-atemuebungen-fuer-mehr-ruhe-und-entspannung/

Birbaumer, N. & Rief, W. (2011). Grundsätzliches zu Biofeedback. In: N. Birbaumer & W. Rief (Hrsg.), Biofeedback: Grundlagen, Hinweise, Kommunikation, Vorgehen (3.Aufl.) (S.1-7). Stuttgart: Schattauer.

Blume, M., Hilbert, A. & Schmidt, R. (2017). Biofeedback: Stellenwert in der Behandlung von Ess-und Gewichtsstörungen. Psychotherapeut, 62, S. 204-211. doi: 10.1007/s00278-017-0193-9

Burch, C. (2021). Entspannungstechniken in der Physiotherapie: Strategien für psychische, psychosomatische und psychische Beschwerden. Berlin: Springer. doi: 10.1007/978-3-662-63513-1

McKee, G. M. (2008). Biofeedback: An overview in the context of heart-brain medicine. Cleveland Clinic journal of medicine, 75, S.31-34.

Martin, A. & Rief, W. (2009). Charakterisierung der Biofeedbackbehandlung. In: A. Martin & W. Rief (Hrsg.), Wie wirksam ist Biofeedback?- Eine therapeutische Methode (S.17-22). Bern: Hans Huber Hogrefe AG.

Sieben, S. (o.D.). Wie du Biofeedback für dich nutzen kannst. Zugriff am 25.07.2024. Verfügbar unter https://silkesieben.spreadmind.de/wie-du-biofeedback-fuer-dich-nutzen-kannst/

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