By Published On: 24. September 2024Categories: Kommunikation, Soziales, Wiki

Einführung

Konflikte erleben Menschen täglich. Sie können sich überall ereignen und unzählige Intensitäten annehmen, sie sind aber immer unangenehm und verlangen nach Lösungen. Hier ist es sinnvoll, zunächst einen Überblick über Ursachen, Folgen und Verstärker zu finden. Anhand eines Modells lässt sich dies meist besser bestimmen, ein solches stellte Karpman (1968) auf: das Drama-Dreieck.

Dieser Beitrag soll Karpmans‘ Modell vorstellen und anhand eines praktischen Beispiels erläutern sowie Ansätze bereitstellen, wie sich Konflikte mit dieser Aufstellung lösen können.

Die Situation

Für diesen Beitrag soll eine Situation im Arbeitsumfeld dargestellt werden. Wir befinden uns in einem Büro. Sechs Mitarbeitende unterstehen einem Abteilungsleiter A. Dieser ist den Mitarbeitenden vorgesetzt und für sie verantwortlich. Unter den Mitarbeitenden gibt es B, der bereits seit über 20 Jahren in dem Betrieb beschäftigt ist und als zuverlässiger, aber auch respektierter Mitarbeiter gilt. Er ist eine recht ruhige Person, die die ihr übertragenden Aufgaben zügig und zufriedenstellend erfüllt. Er ist auch als Mentor für die neuen Mitarbeitenden tätig und hilft ihnen, sich im Betrieb einzufinden. Durch seinen langjährigen Status und seine immer freundliche, aber bestimmte Art schafft er es, einerseits als Mitarbeiter respektiert, andererseits aber auch als gewisser Autoritätspol gesehen zu werden. Dies gilt auch für die Vorgesetzten, die seine Meinung und Ansichten respektieren und sich auch oft seines Rates annehmen – obwohl sie ihm formal vorgesetzt wären und sich nicht an sie halten müssten. Nun gibt es den 21-jährigen C, der nach seiner abgeschlossenen Berufsausbildung von seinem Ausbildungsbetrieb nicht übernommen wurde und daher in dem hiesigen Betrieb angestellt wurde. Er ist nun seit mehreren Monaten im Team des A, der ihn zwar grundsätzlich schätzt und auch als guten Mitarbeiter sieht, aber auch gewisses Misstrauen ob seiner Nichtübernahme im Ausbildungsbetrieb hegt. B ist mit C in einem Büroraum tätig, da er die Einarbeitung übernimmt.

An Tag X überträgt A dem C eine Aufgabe – er soll die Kundendaten in der Liste des Unternehmens aktualisieren. Gegen Nachmittag meldet sich C bei A und erklärt die Aufgabe als erfüllt. Einige Zeit später erscheint A im Büro der beiden und zeigt sich erbost: die Aufgabe sei nicht erfüllt, da die Email-Adressen der Kundschaft nicht aktualisiert wurden. Es könne nicht sein, dass C immer noch nicht in der Lage ist, Aufgaben vollständig und eigenständig zu erfüllen. C ist durch die Kritik geknickt und fühlt sich hilflos, da die Email-Adressen nicht im Auftrag enthalten waren. Es sei nicht seine Schuld, dass die Aufgaben unklar gestellt wurden. Dies bemerkt auch B und schaltet sich ein, er nimmt C in Schutz und zeigt A auf, dass er die Aufgabe nicht korrekt und vollständig gestellt hatte. C fühlt sich hierbei zunächst durch B unterstützt und beschützt.

Was ist in dieser Geschichte passiert?

Das Modell

Das Modell des Drama-Dreiecks wurde von Stephen B. Karpman ab 1965 entwickelt und befasst sich mit einer Dreiecksbeziehung von Konfliktparteien. Der Kern des Modells ist die Rollenanalyse der jeweiligen Personen im Konflikt. Diese Rolle lässt sich bei den meisten Menschen durch Persönlichkeit und Einstellungen bestimmen und so die Rolle im Leben vorhersagen. Dabei ist wichtig, dass eine Anpassung der Person an die Situation für eine Konfliktbewältigung nötig ist – nicht umgekehrt (Karpman, 1968, S. 39, 1973, S. 73–75).

Rollen und Rollenwechsel

Es gibt drei Rollen, die Menschen in einer Drama- oder Konfliktsituation einnehmen: Das Opfer (Victim) ist diejenige Person, in der der Angreifer die Ursache für die Probleme sieht. Der Angreifer (Persecutor) ist derjenige, der das Opfer aufgrund der postulierten Verantwortlichkeit für die Probleme attackiert. Der Retter (Rescuer) ist derjenige, der dem Opfer aus eigenem Antrieb zuhilfe kommt (Shmelev, 2015, S. 134). Wichtig zu erwähnen ist, dass erst ein Konflikt eintritt, wenn ein Rollenwechsel stattfindet (Karpman, 1968, S. 40).

Diese Wechselwirkung zeigt die folgende Abbildung 1:

Abbildung 1: Drama Triangle (eigene Darstellung nach Karpman, 1968, S. 40)

Nun zur praktischen Anwendung auf die Ausgangssituation:

A ist in der Angreiferrolle. Er wertet C in seinen Fähigkeiten ab und versucht, Fehler zu finden sowie ihn als unfähig darzustellen.

C ist in der Opferrolle. Er ist unsicher, z.B. durch seine mangelnden Erfahrungen und junges Lebensalter. Er fühlt sich durch die Kritik von A zu Unrecht belangt und weist die Schuld von sich, da die Aufgabe nicht vollständig gestellt wurde.

B ist in der Retterrolle. Er ist durch seinen Status im Unternehmen aus einer gesicherten Position heraus in der Lage, C zu helfen und seinem eigenen Ego eine „Heldentat“ zuzuschreiben.

Langfristig ist das größte Problem die vermeintlich gute Intention des B, er hilft C nur bedingt. Vielmehr zeigt ihm nämlich, dass er einen Retter braucht und könnte so dessen Selbstbewusstsein nur noch mehr schwächen. Im Endeffekt macht B den C gewissermaßen zu seinem Opfer, um sein eigenes Selbstwertgefühl durch seine gute Tat zu steigern.

Ein erster Rollenwechsel findet statt, wenn B den A anklagt, die Aufgabe falsch gestellt zu haben. In dieser Situation wäre A dann das Opfer und könnte beispielsweise die Schuld wieder auf C abschieben und das mit Cs Unfähigkeit begründen. Würde C dann erkennen, dass B ihm schadet, so wäre C der neue Angreifer und B das Opfer. Das lässt sich unendlich weiterspinnen. Es wird in dieser Situation keine Lösung gefunden werden, wenn ausschließlich die Rollen und die Schuld umhergeschoben werden.

Escaping the Triangle

Aus dem Dreieck auszubrechen kann ein Sinnbild für eine erfolgreiche Konfliktbewältigung sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Weiterführen eines Konflikts mit einer erhöhten Eskalationswahrscheinlichkeit einhergeht. Dies liegt an einer erhöhten Zahl an Betroffenen, komplexeren Strukturen und auch dem persönlichen „Einsatz“ der Betroffenen und intensivierten Konsequenzen für die Verliererseite. Für das erfolgreiche Ausbrechen aus dem Kreislauf ist das Erkennen der eigenen Rolle und der Wechselwirkungen erforderlich (Karpman, 2007, S. 4–5).

Die nachfolgende Abbildung 2 soll ein solches Ausbrechen symbolisieren:

Abbildung 2: Escape Triangles (eigene Darstellung nach Karpman, 2007, S. 5)

Fazit

Das Überwinden eines Konflikts geht mit dem Erkennen der eigenen Lage und Rolle einher. Ohne Einsicht kann es nach diesem Modell praktisch nur zur Eskalation kommen. Das Einschalten externer Vermittler könnte für die Situationsbewältigung hilfreich sein, um den Betroffenen eben dieses Rollenverständnis zu vermitteln und zur Einsicht zu führen.

Literaturverzeichnis

Karpman, S. B. (1968). Fairy Tales And Script Drama Analysis. Transactional Analysis Bulletin, 7(26), 39–43.

Karpman, S. B. (1973). 1972 Eric Berne Memorial Scientific Award Lecture. Transactional Analysis Journal, 3(1).

Karpman, S. B. (2007, 11. August). The New Drama Triangles. USATAA/ITAA Conference. https://karpmandramatriangle.com/dt_article_only.html

Shmelev, I. V. (2015). Beyond The Drama Triangle: The Overcoming Self. Psychology Journal of the Higher School of Economics, 12(2), 133–149. https://psy-journal.hse.ru/en/2015-12-2/152497995.html    

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Drama Triangle (eigene Darstellung nach Karpman, 1968, S. 40). 4

Abbildung 2: Escape Triangles (eigene Darstellung nach Karpman, 2007, S. 5). 5

Beitragsbild: Franz Bachinger (2023). Pixabay.com. Abgerufen am 11.09.2024. https://pixabay.com/de/illustrations/ai-generiert-manpaar-disput-8153802/

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