Einführung / Ausgangslage

In Zeiten knapper werdender Ressourcen rückt das Thema Recruiting auch in der Sozialbranche immer mehr in den Mittelpunkt. Hohendanner et. al stellen auf Statista dar, dass der Anteil an Betrieben im sozialen Sektor mit Schwierigkeiten Fachkräfte zu akquirieren von 2010 (41,1%) bis 2022 (76,6%) um 35,5 Prozent gestiegen ist.1

Abbildung 1: Betriebe im Sozialwesen mit Problemen der Fachkraftakquisition
(Hohendanner et al. (2022))

Innovative Wege und Lösungen sind daher notwendig, dem Mitarbeitendenmangel entgegenzuwirken. „Künstliche Intelligenz (KI) hilft clever eingesetzt dabei, schneller und besser Entscheidungen zu treffen, geeignete Fachkräfte anzusprechen und Bewerbungsprozesse objektiver zu gestalten.“2 so Rippler. KI in der Personalakquisitation kann bestehende Prozesse verschlanken, optimieren und helfen die humanen Ressourcen effizient einzusetzen.

Bünnagel beschreibt hierzu, dass „[…] alles ineinanderfließt, Transformation, Technologieentwicklung, Arbeitsformen und nicht zuletzt künstliche Intelligenz.“3 KI ist seiner Ansicht nach ein intelligentes Wissensmanagement, das den Mitarbeitenden assistiert, eine Coachingfunktion übernimmt und sie zu Weiterentwicklung antreibt.4

Geht es nach Kopka von Xing, so meint KI die „[…] Verwendung technischer Anwendungen, die sich künstlicher Intelligenz bedienen, um vielfältige Aufgaben innerhalb des Rekrutierungsprozesses einfacher, schneller und / oder effizienter zu machen.“5

1 Vgl. Hohendanner et al. (2022)
2 Rippler (2024), S. 3
3 Bünnagel (2024), S. 291
4 Vgl. Bünnagel (2024), S. 292-294
5 Kopka (2024)

Key Facts im KI-gestützten Recruiting

Das Softwareunternehmen Personio stellt dabei drei wesentliche Key Facts für den Einsatz von KI im Recruiting heraus:

  • KI kann Prozesse beschleunigen, optimieren und zu mehr Gerechtigkeit beitragen. Die daraus entstehenden Risiken und Herausforderungen dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
  • KI unterstützt durch automatisierte Analyse, Entscheidungsfindung, Chatbots, Assessment-Centern sowie bei der Prognose zur Performance.
  • KI schafft den Personalverantwortlichen Freiraum zur Bearbeitung komplexer Fragestellungen und strategischer Entscheidungsfindung.6

6 Vgl. Personio (2024)

Einsatz in der Praxis

Der Einsatz von KI im Recruiting ist mannigfaltig und reicht nach Kopka von der Unterstützung bei der Erstellung von Stellenanzeigen, der Kommunikation via AI-Chatbots bis hin zur komplexen Datenanalyse zur Evaluation von Marketingaktivitäten. Hierbei sind Chancen und Risiken zu beachten, die Kopka wie folgt zusammenfasst:

Abbildung 2: Chancen und Risiken im Recruiting
(Kopka (2024))

Lieske beschreibt, dass der HR-Bereich mit am stärksten von Digitalisierung betroffen ist. Hierbei wird insbesondere das Employer Branding für Marketingaktivitäten und Active-Sourcing intensiv genutzt.7

7 Vgl. Lieske (2024), S. 221-222

Möglicher Mehrwert von KI im Recruiting

Geht es nach Personio, sind beispielhaft folgende Einsatzmöglichkeiten für KI möglich:

  • Erstellung und Gestaltung von Stellenausschreibungen durch Analyse vergangener Stellenausschreibungen und Berücksichtigung von Best-Practise,
  • Chatbots zur Beantwortung relevanter Fragen von Interessenten,
  • Bewerberanalyse und Treffen einer Vorauswahl sowie Bewertung unter Abgleich von Lebenslauf und Qualifikation,
  • In Assessment-Centern lernt KI und erlangt detaillierte Kenntnis über Hard-Skills (messbar und nachweisbar) und Soft-Skills (Fähigkeiten und Charakterzüge) und kann diese mit den Ansprüchen an eine Stelle abgleichen,
  • Abgleich des Bewerbers mit der Unternehmensphilosophie durch Analyse von Wortwahl und Sprache.8

Kopka ergänzt diese Aufzählung noch durch folgende Mehrwerte:

  • Unterstützung durch KI in Auswahlrunden durch vollständige Übernahme oder Analyse z. B. der Körpersprache,
  • KI kann zur Prozessoptimierung genutzt werden indem z. B. die Abbrüche im Bewerbungsprozess eruiert damit behoben werden und somit eine bessere Performance erreicht werden kann.9

Geht es nach Darstellung von Lieske, kann KI in den gesamten HR-Prozess aktiv einwirken. Beispielhaft sind hier einige Möglichkeiten aufgeführt:

  • Parsing (Umwandlung) von relevanten Daten aus dem Lebenslauf und Abgleich mit Anforderungsdaten einer Stelle,
  • Analyse der Persönlichkeitsstruktur anhand von aus Telefoninterviews analysierten Sprachdaten,
  • Erkennen von Zusammenhängen zwischen Social-Media-Attributen und Persönlichkeitsmerkmalen und Ableiten von Tendenzen der Nutzerpersönlichkeit,
  • Datenbasierte Vorhersage des Wechselwillens von potenziellen Bewerbern und daraus resultierende Priorisierung der Kontaktierung,
  • Zusammenstellen der im Recruitingprozess gewonnen Daten und automatisiertes Erstellen von Unterlagen wie z. B. Arbeitsvertrag.10

8 Vgl. Personio (2024)
9 Vgl. Kopka (2024)
10 Vgl. Lieske (2024), S. 221-223

Zusammenfassung und kritische Betrachtung

KI im Recruiting in der Sozialbranche kann ein Baustein in der Lösungsfindung des Mitarbeitendenmangels sein und diesen Weg mitgestalten. Zeit ist ein wesentlicher Faktor im Recruiting geworden. Teske übernimmt hier das Zitat von Laumer von der Universität Bamberg: „Zeit ist ein wichtiger Faktor im Recruiting geworden.“11

Die Datengrundlage und Algorithmen sind hier ausschlaggebend für hochwertige Ergebnisse. Dennoch bleiben auch Zweifel. Die Studie der Internationalen Hochschule Erfurt (IU) aus 2022 zeigt auf, dass 65,2% der Befragten negative Assoziationen in Bezug auf KI im Bewerbungsprozess haben. Weiterhin nennen 80,5% fehlende Wertschätzung sowie 72% Unpersönlichkeit von KI als negative Faktoren. Positiv hingegen wird die Vermeidung von Benachteiligung (72,2%) von den Befragten gesehen.12

Eine weitere Studie der IU aus 2023 zeigt, dass 76,5% grundsätzliches Interesse an KI-Technologien aufzeigen, jedoch 43,1% sich nicht gut über die Chancen und Risiken informiert fühlen. Prof. Dr. Zöller von IU sagt hierzu: „Es fehlen klare Leitlinien und Gesetze zur umsichtigen Regulierung von KI in Deutschland.“13, was 55,1% der Befragten in der Studie bestätigen.14

Erfahrungen von Amazon aus 2018 zeigen auf, dass KI negative Folgen haben kann. Die von Amazon entwickelte KI, welche Bewerbungen sichtete und eine Vorbewertung vornahm, musste auf Grund falscher Einordnung von Eigenschaften deaktiviert werden. Die KI beurteilte weibliche Bewerbungen als minderwertig und wertete Kenntnis über Programmiersprachen ab, da sie auf Grundlage der ihr vorliegenden Daten falsche Annahmen traf.15

Es zeigt sich somit deutlich, dass Information und Transparenz Grundlage für die Annahme von KI und somit dem gewinnbringenden Einsatz sind.

11 Teske (2028)
12 Vgl. IU – Internationale Hochschule (2022)
13 IU – Internationale Hochschule (2023)
14 Vgl. IU – Internationale Hochschule (2023)
15 Vgl. Sackmann (2028)

Nachweise

Literaturverzeichnis

Bünnagel, W. (2024), Künstliche Intelligenz und Unternehmenswissen. Betriebliches Wis-sensmanagement auf morgen ausrichten, Berlin.

Hohendanner, C./Rocha, J./Steinke, J. (2022), Anteil von Betrieben im sozialen Sektor mit Personalproblemen in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2022, in: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1463359/umfrage/betriebe-im-sozialen-sektor-mit-personalproblemen-in-deutschland/, abgerufen am 17. 9. 2024.

IU – Internationale Hochschule (2022), KI im Recruiting, in: https://www.iu.de/forschung/studien/ki-im-recruiting-studie/, abgerufen am 16. 9. 2024.

IU – Internationale Hochschule (2023), Die Zukunft mit ChatGPT & Co, in: https://www.iu.de/forschung/studien/zukunft-ki/, abgerufen am 17. 9. 2024.

Kopka, M.-S. (2024), KI im Recruiting: Neue Ära in Personalgewinnung?, in: https://recruiting.xing.com/de/glossar/ki-im-recruiting/, abgerufen am 16. 9. 2024.

Lieske, C. (2024), Digitalisierung im Bereich Human Ressources. In: Fend, L./Hofmann, J. (Hrsg.), Digitalisierung in Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Kon-zepte – Lösungen – Beispiele, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 213–228.

Personio (2024), Künstliche Intelligenz im Recruiting: ein Leitfaden für HR, in: https://www.personio.de/hr-lexikon/kuenstliche-intelligenz-im-recruiting-ai-in-hr/, abgeru-fen am 16. 9. 2024.

Rippler, S. (2024), Künstliche Intelligenz im Recruiting. Der Mensch im Mittelpunkt, in: https://​www.persona-institut.de​/​ki-im-recruiting-ebook/​, abgerufen am 27. 9. 2024.

Sackmann, C. (2018), Künstliche Intelligenz erachtet Bewerbungen von Frauen als minder-wertig – Amazon muss reagieren, in: https://www.focus.de/finanzen/boerse/die-tuecken-der-intelligenz-amazon-schaltet-ki-ab-die-bewerbungen-von-frauen-als-minderwertig-erachtete_id_9741890.html, abgerufen am 16. 9. 2024.

Teske, B. (2018), Robo-Recruiting: Sind Roboter die besseren Personaler, in: https://www.humanresourcesmanager.de/future-of-work/robo-recruiting-sind-roboter-die-besseren-personaler/, abgerufen am 17. 9. 2024.

Titelbildquelle

designed by freepik, Person, die mit einem Roboter arbeitet, www.freepik.com, abgerufen am 17.09.2024 unter https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/person-die-mit-einem-roboter-arbeitet_94951603.htm#fromView=search&page=1&position=2&uuid=4ee20d5d-be90-483e-b2d3-fb0a216181f3

Quellzerzeichnis Abbildungen

Abbildung 1: Hohendanner, C./Rocha, J./Steinke, J. (2022), Anteil von Betrieben im sozialen Sektor mit Personalproblemen in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2022, in: https://​de.statista.com​/​statistik/​daten/​studie/​1463359/​umfrage/​betriebe-im-sozialen-sektor-mit-personalproblemen-in-deutschland/​, abgerufen am 17. 9. 2024.

Abbildung 2: Kopka, M.-S. (2024), KI im Recruiting: Neue Ära in Personalgewinnung?, in: https://​recruiting.xing.com​/​de/​glossar/​ki-im-recruiting/​, abgerufen am 16. 9. 2024.

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