By Published On: 10. Januar 2025Categories: Technologie

In der Altenpflege bleibt eine ausgeschriebene Fachkraftstelle im Durchschnitt 286 Tage unbesetzt (Bundesagentur für Arbeit, 2024). Laut dem Statistischen Bundesamt könnte sich die Zahl der benötigten Pflegefachkräfte bis 2049 auf etwa 2,15 Millionen belaufen, zeitgleich wird bis 2055 die Zahl der pflegebedürftigen Menschen voraussichtlich auf 6,8 Millionen ansteigen (Statistisches Bundesamt, 2024). Die Digitalisierung soll Ansätze bieten um den Fachkräfteausgleich zu unterstützen und den demographischen Wandel zu bewältigen. Welche Technologien zur Entlastung bietet die Digitalisierung in der Pflege? Und welche Sichtweise bringen Pflegende in ihrer alltäglichen Arbeit ein?

Zahlreiche Technologien

Pflegeheimen stehen in Rahmen der Digitalisierung zahlreiche Technologien zur Verfügung. Sie beziehen jeweils einen anderen Aspekt des Pflegeprozesses ein. Es gibt die elektronische Pflegedokumentation, technische Assistenzsysteme, Telepflege oder auch Telemedizin und den Bereich der Robotik, der eine Vielzahl von Innovationen aufweist (Rösler et al., 2018).
Die Pflegedokumentation ist eines der zeitaufwendigsten Prozesse in der Pflege. Sie muss den Anforderungen der Prüfinstanzen entsprechen und bedarfsgerecht umgesetzt werden. Durch innovative KI- Systeme wie beispielsweise PYSA können Pflegekräfte ihre Dokumentation einfach über einen Sprachassistenten ins Smartphone sprechen. Dieser generiert und strukturiert Dokumentationseinträge und überträgt diese in das bestehende Dokumentationssystem. Pflegehandlungen können damit unmittelbar dokumentiert werden. PYSA ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2024).
Technische Assistenzsysteme können in der ambulanten als auch in stationären Pflege von älteren Menschen eingesetzt werden. Im ambulanten Bereich sollen sie Senior*innen ermöglichen so lange wie möglich im eigenen Zuhause leben zu können und im stationären den Pflegealltag erleichtern. Dazu werden beispielsweise Technologien zur Sturzerkennung, zum Brandschutz oder auch intelligente Beleuchtungssysteme eingesetzt. Zur gesundheitlichen Unterstützung können auch Geräte zur berührungslosen Vitalmessung, Telemedizin aber auch Telepflege verwendet werden. Zudem sehen einige Systeme vor direkte Meldungen an Angehörige, Pflegedienste oder Gesundheitsdienste über das Internet zu senden (Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend, 2024).
Telepflege, analog dazu Telemedizin, ermöglicht Pflegefachkräften den Austausch mit pflegebedürftigen Meschen und ihren Angehörigen, anderen beruflich Pflegenden und weiteren professionellen Akteuren wie Ärzt*innen, Ergo-, Logo-, und Physiotherapeut*innen aber auch mit Apotheken durch die Nutzung von Smartphones oder Tablets (Braeseke et al., 2020).
Im Bereich der Robotik ergeben sich zahlreiche Entlastungsmöglichkeiten für Pflegekräfte. Es gibt Serviceroboter, die bei bestimmten Arbeitsvorgängen wie beispielsweise beim Heben und Transportieren schwerer Gegenstände, oder bei schweren Pflegetätigkeiten unterstützen können. Sozioassistive Systeme können ältere Menschen digital Unterstützung bei Mobilität, Selbstpflege, Sicherheit, Interaktion und Kommunikation bieten. Sozial- emotionale Roboter sind in der Lage sich mit älteren Menschen so zu verständigen, dass ein emotionaler Nutzen wahrgenommen wird. Auch in der Rehabilitation können Roboter eingesetzt werden, sogenannte Gangrehabilitationssysteme, wie beispielsweise Ganzkörperexoskelette bei Querschnittslähmung (Meyer/Bollheimer/Wahl, 2020).

Digitalisierung aus Sicht der Pflege

In einer Nachfolgestudie der Stiftung Bildung und Beruf zum Thema Digitalisierung in der Pflege in Deutschland, werden die Auswirkungen auf die Arbeit und Qualifizierung von Pflegekräften durch die Digitalisierung dargestellt. Befragt wurden 220 Personen aus dem Bereich Gesundheits-, Kranken-, und Altenpflege aus öffentlichen-, freigemeinnützlichen- und kirchlichen- als auch privaten Trägerschäften. Die Studie zeigt auf, dass die Digitalisierung in der Pflege in den verschiedenen Einrichtungen einen heterogenen Verlauf nimmt und die Arbeit mit digitalen Medien und Technologien im Gesundheitswesen und vor allem in der Pflege nicht so verbreitet ist wie in anderen Wirtschaftskreisen. Eine weite Verbreitung der Digitalisierung findet sich in der Anwendung von Desktop- PCs, Laptops, Tablets und Smartphones. In Bereichen wie Verwaltung, Abrechnung und Dienstplanung sind die Arbeitsvorgänge überwiegend oder vollständig digitalisiert. Anders beläuft es sich in Bereichen wie Logistik oder Austausch mit anderen Leistungsträgern, dort ist ein vergleichsweise niedriger Digitalisierungsgrad zu verzeichnen. Den Einsatz von Robotik- Systemen halten rund 30 Prozent für nicht notwendig. Zudem wird die Digitalisierung von den Pflegenden eher als Belastung angesehen und als zusätzliche Aufgabe die zu erfüllen ist. Nur 13 Prozent der Befragten Personen sind der Ansicht das digitale Technik ihren Arbeitsalltag entlastet und 81 Prozent sind der Meinung das technische Unterstützung nicht zur Abnahme der psychischen Belastung von Pflegekräften beiträgt. Die Sichtweise der Befragten spiegelt auch den Wunsch einer stärkeren Beteiligung durch den Staat durch finanzielle Mittel und Schaffung von Infrastruktur. Die Studie unterstreicht, dass es wichtig ist Beschäftigte bei der Einführung von Technologien mit einzubeziehen und zu qualifizieren da sonst der Einsatz von Technologien die Belastungssituation von Pflegenden verstärkt wird (Daum, 2022, S. 56- 58).

Fazit

Obwohl die Digitalisierung in der Pflege viele technische Innovationen bietet, zeigt die Datenlage, dass sie in der Wahrnehmung von Pflegenden im Alltag eher als zusätzliche Belastung und Aufgabe gesehen wird. Der Einsatz von innovativen Technologien macht nur dann Sinn, wenn die Menschen in die Veränderungen der Arbeitswelt mit einbezogen und geschult werden. Auch zeigt sich das die Digitalisierung den Fachkräftemangel nur langfristig abmildern kann. Sie ist keine unmittelbare Lösung für den Pflegefachkräftemangel, da sie von Einrichtungen nur zögerlich und nach Finanzlage umgesetzt werden kann. Eine zu schnelle Implementierung von digitalen Neuerungen und Technologien können somit Einrichtungen als auch Pflegende überfordern und zu einer Gravierung der Belastungssituation in der Pflege führen. Die Autonomie fördernden Aspekte technische Innovationen für Pflegebedürftige dürfen nicht außeracht gelassen werden. Ein Selbstbestimmter Einsatz von Technologien kann zu mehr Teilhabe und Selbstwirksamkeit führen, dennoch sind ein sensibler Einsatz aus ethischer Perspektive unumgänglich, damit Pflegebedürftige nicht das Gefühl bekommen als Objekt behandelt zu werden (Achter Altersbericht, 2020, S. 118- 119).

Literaturverzeichnis

Achter Altersbericht (2020). Achter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Ältere Menschen und Digitalisierung. Ethische Diskurse zur Gestaltung des Alterns mithilfe digitaler Technologien, S. 118- 119. In https://www.achter-altersbericht.de/fileadmin/altersbericht/pdf/aktive_PDF_Altersbericht_DT-Drucksache.pdf, abgerufen am 22.11.2024.

Braeseke et al. (2020). IGES-Studie zu den Potenzialen der Telepflege in der pflegerischen Versorgung. Endbericht für das Bundesministerium für Gesundheit, S.35. In https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Pflege/Berichte/Endbericht_Potenziale_Telepflege.pdf, abgerufen am 20.11.2024.

Bundesagentur für Arbeit (2024). Engpassberufe mit den längsten Vakanzzeiten von Arbeitsstellen in Deutschland im Zeitraum von Oktober 2023 bis September 2024 (in Tagen [Graph.]. In Statista unter https://de.statista.com/statistik/studie/420385/umfrage/vakanzzeit-von-sozialversicherungspflichtigen-arbeitsstellen-ausgewaehlter-engpassberufe-in-deutschland/, abgerufen am 20.11.2024.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2024), Projekte. PYSA, Pflege entlasten- Pflegedokumentation mit hybridem Sprachassistenten. In https://www.interaktive-technologien.de/projekte/pysa, abgerufen am 20.11.2024.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024). Ältere Menschen und Digitalisierung, Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersbericht. Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen, S. 17- 18. In https://www.bmfsfj.de/resource/blob/159704/31d38e4cfca1d0757dba7bd09315aa78/achter-altersbericht-aeltere-menschen-und-digitalisierung-data.pdf, abgerufen am 20.11.2024.

Daum (2022). Follow-up-Studie Die Digitalisierung der Pflege in Deutschland. Status quo, digitale Transformation und Auswirkungen auf Arbeit, Beschäftigte und Qualifizierung, der DAA- Stiftung Bildung und Beruf. Zusammenfassung, S. 56- 58. In https://www.input-consulting.de/files/inpcon-DATA/download/2022_Studie_Digitalisierung%20Pflege_INPUTConsulting.pdf, abgerufen am 22.11.2024.

Meyers S., Bollheimer L.C., Wahl HW. (2020), Assistive Robotik für ältere Menschen. Z Gerontol Geriat, Ausgabe 53, S. 605. In https://doi.org/10.1007/s00391-020-01790-7, abgerufen am 20.11.2024.

Rösler et al. (2018). Intelligente Technik in der beruflichen Pflege. Von Chancen und Risiken einer Pflege 4.0. In https://inqa.de/SharedDocs/downloads/webshop/intelligente-technik-in-der-beruflichen-pflege?__blob=publicationFile, abgerufen am 20.11.2024.

Statistisches Bundesamt (2024). Prognose zu Bedarf und Angebot an Pflegekräften in Deutschland nach Szenario in den Jahren 2024 bis 2049 (in Millionen) [Graph.]. In Statista unter https://de.com/statistik/daten/studie/172651/umfrage/bedarf-an-pflegekraeften-2025/, abgerufen am 20.11.2024.

Titelbildquelle

[geralt, 2015], dependent-826332_1280.pdf unter CCO- Lizenz abgerufen über https://pixabay.com/de/illustrations/pflegebedürftige-demenz-frau-826332/, abgerufen am 25.11.2024.

Nutzungsbedingungen unter https://www.pixabay.com/service/terms, abgerufen am 25.11.2024.



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