Unser Leben wird immer bequemer – sei es in der Arbeitswelt oder im privaten Bereich – und damit auch zunehmend bewegungsärmer. Homeoffice sowie Online-Aktivitäten wie Streaming, Gaming oder Shopping führen dazu, dass wir einen Großteil unserer Zeit zu Hause verbringen. Bewegungsmangel ist eine ernstzunehmende Gefahr für unsere Gesundheit: Rückenschmerzen, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Probleme und andere körperliche Risiken sind die Folge.
Doch wie sieht es mit der psychischen Belastung aus, die ein inaktiver Lebensstil mit sich bringt? Welchen Gefahren ist unsere Psyche ausgesetzt, wenn wir uns weniger bewegen und das Haus kaum noch verlassen?
Warum Bewegungsmangel die Psyche belastet
Ein Mangel an Bewegung kann erhebliche Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit haben. Im Folgenden werden zentrale Mechanismen betrachtet, durch die Inaktivität unsere Psyche negativ beeinflusst:
- Neurobiologische Folgen: Bewegungsmangel kann das Gleichgewicht wichtiger neurobiologischer Prozesse stören. So gerät die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse aus der Balance, was zu einer erhöhten Cortisol-Ausschüttung führt – einem Stresshormon, das mit Angstzuständen und Depressionen in Verbindung steht. Zudem werden Prozesse des endokrinen Systems, der Thermoregulation und der Immunreaktion negativ beeinflusst. Ein Mangel an körperlicher Aktivität kann außerdem die Produktion und Speicherung von Monoaminen wie Serotonin und Noradrenalin verringern, was depressive Verstimmungen begünstigen kann.
- Verminderte Selbstwirksamkeit: Wer sich wenig bewegt, erlebt seltener das Gefühl, aktiv etwas bewirken zu können. Ein inaktiver Lebensstil kann zu einem Gefühl der Antriebslosigkeit und einem niedrigeren Selbstwertgefühl führen. Die fehlende Struktur im Alltag verstärkt oft das Gefühl von Unkontrollierbarkeit und kann zu einem Teufelskreis aus Inaktivität und negativen Emotionen führen.
- Negative Auswirkungen auf das emotionale Wohlbefinden: Bewegungsmangel kann dazu beitragen, dass negative Affekte verstärkt werden. Wer wenig aktiv ist, hat weniger Möglichkeiten, sich von Alltagsproblemen und belastenden Gedanken abzulenken. Dies kann das Risiko für Grübeln, Sorgen und depressive Episoden erhöhen.
- Auswirkungen auf sozialer Ebene: Auf sozialer Ebene kann Bewegungsmangel dazu führen, dass positive soziale Interaktionen seltener erlebt werden. Ein inaktiver Lebensstil kann die soziale Integration erschweren und das Gefühl von Akzeptanz und Unterstützung verringern. Zudem steigt das Risiko, sich isoliert zu fühlen, insbesondere wenn der Austausch mit anderen überwiegend in leistungsorientierten oder bewertenden Kontexten stattfindet (Bendau et al., 2022, S. 55–56)
Unsichtbarer Feind im Alltag
Die Deutsche Krankenversicherung AG (DKV) gibt in ihrem Report von 2023 an, dass wir durchschnittlich 554 Minuten pro Werktag im Sitzen verbringen. Das entspricht etwa neun Stunden, verteilt auf Arbeit und Freizeit. Besonders alarmierend ist, dass junge Menschen sogar 621 Minuten, also über zehn Stunden täglich, sitzend verbringen (Froböse & Wallmann-Sperlich, 2023).
Erwachsene: Für viele beginnt die Inaktivität bereits mit der Autofahrt zur Arbeit, setzt sich mit der sitzenden Tätigkeit im Büro fort und endet schließlich auf der Couch. Besonders in Büroumgebungen wird häufig der Aufzug statt der Treppe genutzt, und auch die Mittagspause verbringen viele vor dem Handy. Laut Studien arbeiten mehr als 40 Prozent der Beschäftigten in einem bewegungsarmen Umfeld. Die Folgen dieses Bewegungsmangels sind schwerwiegend:
- Körperliche Beschwerden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Probleme und eine einseitige Haltung.
- Psychische Belastungen wie depressive Verstimmung und Antriebsarmut.
Ein langfristig inaktiver Lebensstil führt somit nicht nur zu physischen Beschwerden, sondern kann auch die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigen beeinträchtigen (Froböse & Wallmann-Sperlich, 2023). Ein inaktiver Lebensstil (sedentary behaviour) steht in Zusammenhang mit Depressionen und Angststörungen.
Kinder und Jugendliche: Nicht nur Erwachsene verbringen ihre Freizeit häufig vor dem Handy, Fernseher oder Computer – auch Kinder und Jugendliche verbringen immer mehr Zeit vor dem Bildschirm. Besonders durch den Lockdown und das Homeschooling hat sich der Bewegungsmangel verstärkt, was zu einem Anstieg der Fettleibigkeit geführt hat. Dies wiederum begünstigt Folgeerkrankungen, die durch Übergewicht entstehen.
Doch nicht nur die körperliche Gesundheit leidet, auch die psychische Gesundheit von Kindern wurde ebenfalls stark beeinträchtigt. Isolation und Bewegungsmangel tragen zu einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angststörungen sowie Schlaf- und Appetitstörungen bei. Studien zeigen, dass Kinder, die einen überwiegend sitzenden Lebensstilführen (sedentary behaviour), eine höhere Anfälligkeit für psychische Erkrankungen aufweisen (Gawrilow, 2021; NDR, 2023).
Wege zu mehr Bewegung im Alltag
Erwachsene
- Aktive Pausen: Ein Spaziergang in der Mittagspause nach dem Essen regt die Verdauung an und beugt dem typischen Mittagstief vor.
- Dynamisches Arbeiten/Sitzen: Längeres Verharren in der gleichen Position kann einseitige Belastungen verursachen. Regelmäßige Mini-Workouts entlasten den Körper, z. B. Schulterkreisen, Ausfallschritte, Füße abrollen oder Liegestütze. Das gemeinsame Üben mit Kollegen kann die Motivation steigern.
- Sportliche Routinen (mit anderen): Gemeinsames Training erhöht die Motivation und fördert soziale Interaktionen. Wer nach der Arbeit keine Lust hat, ins Fitnessstudio zu gehen, kann auf kostenfreie YouTube-Videos mit Sporteinheiten zurückgreifen und bequem von zu Hause aus trainieren Auch Kinder können dabei mit einbezogen werden – zum Beispiel durch Musik und gemeinsames Tanzen, das sowohl Spaß macht als auch Bewegung fördert.
- Alltagsbewegung steigern: Idealerweise wird der Arbeitsweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Alternativ hilft es, weiter entfernt zu parken oder eine Station früher aus Bus oder Bahn auszusteigen. Auch kurze Erledigungen wie Einkaufen oder der Gang zum Bäcker können ohne Auto erfolgen. Treppen statt Aufzug zu nutzen ist eine weitere einfache Möglichkeit, mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren (Fit im Job, 2019; Klinik Schwedeneck, 2022).
Kinder und Jugendliche
- Aktive Pausen: In der Schule profitieren Kinder von aktiven Pausen zwischen den Unterrichtseinheiten, um sich zu bewegen und die Konzentration zu fördern.
- Spielerische Bewegung: Besonders jüngere Kinder profitieren von spielerischer Bewegung, etwa auf Spielplätzen oder beim Fangenspielen mit anderen Kindern.
- Sportliche Hobbys: Sportliche Aktivitäten mit Gleichaltrigen sind besonders effektiv, da sie nicht nur die körperliche Bewegung fördern, sondern auch soziale Interaktionen stärken.
- Unterricht: Im Unterricht sollte ausreichend Aufklärung über den Zusammenhang zwischen Bewegung und psychischer Gesundheit erfolgen.
- Schulalltag: Der Schulweg kann idealerweise zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Zudem ist die aktive Teilnahme am Sportunterricht wichtig. Schulhöfe sollten mit verschiedenen Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten ausgestattet sein, um Bewegung auch in den Pausen zu fördern (Gawrilow, 2021).
Fazit
Nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche leidet unter einem inaktiven Lebensstil. Bewegungsmangel beeinträchtigt neurologische Prozesse, senkt das Wohlbefinden und erhöht das Risiko für Depressionen und Angststörungen. Besonders kritisch ist, dass bereits Kinder und Jugendliche zunehmend unter mangelnder Bewegung leiden, was langfristige Folgen für ihre körperliche und mentale Gesundheit haben kann. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind bewusste Verhaltensänderungen im Alltag notwendig – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene.
Literaturverzeichnis
Bendau, A., Petzold, M., & Ströhle, A. (2022). Bewegung, körperliche Aktivität und Sport bei depressiven Erkrankungen. NeuroTransmitter, 33(1–2), 52–61. https://doi.org/10.1007/s15016-021-9343-y
DGUV. (2018, Mai 30). Bewegung am Schreibtisch tut Körper und Seele gut. https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressemitteilung_338566.jsp
Fit im Job. (2019, Januar 15). IKK classic. https://www.ikk-classic.de/gesund-machen/bewegen/bewegung-im-alltag
Froböse, I., & Wallmann-Sperlich, B. (2023). Der DKV-Report. DKV. https://www.ergo.com/de/newsroom/reports-dossiers/dkv-report
Gawrilow, C. (2021, September 30). Bewegung und psychische Gesundheit von Kindern. https://www.hogrefe.com/de/thema/bewegung-und-psychische-gesundheit-von-kindern
Klinik Schwedeneck. (2022, April 5). Klinik Schwedeneck—10 Tipps für mehr Bewegung im Alltag. https://www.klinik-schwedeneck.de/aktuelles/10-tipps-fuer-mehr-bewegung-im-alltag
NDR. (2023, Mai 2). Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen enorm gestiegen. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Fettleibigkeit-bei-Kindern-und-Jugendlichen-enorm-gestiegen,uebergewicht198.html
Titelbildquelle
Subiyanto, Ketut. (2020, April 10). Pexel. https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-laptop-notizbuch-surfen-4126699/
Nutzungsbedingungen unter https://www.pexels.com/de-de/lizenz/, abgerufen am 26.02.2025