Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, doch nicht alle Menschen haben den gleichen Zugang zu digitalen Technologien und Information. Besonders für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung bestehen Barrieren, die eine selbstbestimmte Nutzung digitaler Medien erschweren. Ihr Risiko an digitaler Exklusion ist deutlich erhöht (Kaletka et al. 2017, S. 24). Dabei besteht aus rechtlicher Sicht, festgesetzt in Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention, die Forderung, Menschen mit Beeinträchtigung den Zugang zu digitalen Medien zu ermöglichen (Deutsches Institut für Menschenrechte o. J.). Hier setzt PIKSL, „Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben“, (PIKSL o. J.) an.

Seit der Eröffnung des ersten PIKSL-Labors im Jahr 2011 in Düsseldorf-Flingern, hat sich die Initiative deutschlandweit erfolgreich verbreitet. Mittlerweile werden mit 13 PIKSL-Laboren inklusive Erfahrungsorte angeboten, in denen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung digitale Medien erproben, Kompetenzen im Umgang mit Computern und dem Internet erwerben, sowie eigene digitale Medienprodukte gestalten können.

PIKSL geht dabei über klassische Bildungsangebote hinaus. Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und pädagogische Fachkräfte bieten inklusive Schulungen im Umgang mit digitalen Medien an. Die Angebote umfassen unter anderem den Umgang mit assistiven Technologien, die sichere Nutzung des Internets oder sozialer Medien. Zudem arbeiten die PIKSL Labore in Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur barrierefreien Nutzung digitaler Medien und Technologien, in Kooperation mit Universitäten, Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen. Beispielweise die Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung zum Aufbau einer Datenbank mit stigmatisierungsarmem Bildmaterial für Publikationen in Einfacher Sprache. Darüber hinaus unterstütz PIKSL Webseitenbetreiber*innen bei der Prüfung digitaler Angebote auf Barrierefreiheit durch sogenannten User Testings (PIKSL o. J.).   


Doch was zeichnet PIKSL als soziale Innovation aus?

Diese Frage wird anhand der Charakteristika Sozialer Innovation nach Rammert (2010) betrachtet.

Neuartigkeit und Andersartigkeit (Rammert 2010, zitiert nach Schüll, Berner, Kolbinger, Pausch, 2022, S. 33–36)

Die inklusive und transdisziplinäre Zusammenarbeit in den PIKSL-Laboren ist ein neuer Ansatz. Menschen mit Beeinträchtigung arbeiten gleichberechtigt mit Expert*innen aus Forschung und Wissenschaft zusammen, sowohl als Entwickler*innen neuer Kommunikationstechnik sowie als Referenzgruppe. Sie agieren als Experten in eigener Sache und übernehmen auch die Rolle des Dozierenden (Hochschule Rhein-Waal o. J.; Kaletka et al. 2017, S. 87).
PIKSL setzt auf Partizipation als Leitgedanke. Menschen mit Beeinträchtigung werden in alle Prozesse und Entscheidungen einbezogen. Dafür wird sowohl in der inhaltlichen Gestaltung als auch in der technischen Umsetzung die Komplexität digitaler Medien reduziert, so dass sie möglichst vielen Menschen verständlich und barrierefrei zugänglich sind.
Digitale Medien, Angebote und die Umgebung werden nach den Prinzipien des Universal Designs möglichst barrierefrei gestaltet, um dadurch die Nutzung für alle Menschen zu erleichtern (Kaletka et al. 2017, S. 136–137).
PIKSL ist als trägerunabhängiges Angebot konzipiert (Kaletka et al. 2017, S. 57).

Diffusion, Verbreitung, Verstetigung (Rammert 2010, zitiert nach Schüll 2022, S. 36–38)

Das Modellprojekt wurde im Jahr 2011 eröffnet und hat sich stetig ausgebreitet, inzwischen lassen sich 13 Labore zählen (PIKSL o. J.). Die Kooperation zu Wirtschaft und Wissenschaft wurde ausgebaut, zudem hat sich das Produkt- und Dienstleistungsportfolio weiterentwickelt. Beispielsweise mittels Beratungstätigkeiten für Unternehmen zur Gestaltung barrierefreier Internetauftritte, wodurch auch neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen wurden (PIKSL o. J.; Kaletka et al. 2017, S. 137). Erste Auszeichnungen erhielt PIKSL im Jahr 2012, beispielsweise als ausgewählter Ort von „Deutschland – Land der Ideen“, verschiedene weitere Auszeichnungen folgten. Die Online-Präsenz durch Twitter-Account und Facebook-Seite trägt zum Bekanntheitsgrad bei (PIKSL o. J.).

Intentionalität (Rammert 2010, zitiert nach Schüll 2022, S. 43–46)

Wie der Name bereits sagt, „Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben“ (PIKSL o. J.), zielte PIKSL von Beginn an darauf ab, die digitale Teilhabe für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zu fördern. Im ersten Konzept wurde die Erforschung und Weiterentwicklung digitaler assistiver Technologien, sowie Bildungsangebote zur Förderung der Medienkompetenz als Schwerpunkte benannt. Die Zusammenarbeit sollte transdisziplinär und trägerunabhängig stattfinden und der partizipative Leitgedanke spielte eine zentrale Rolle (Kaletka et al. 2017, S. 56–58).

Positive gesellschaftliche Auswirkungen (Rammert 2010, zitiert nach Schüll 2022, S. 46–50)

Die zunehmende Verbreitung von PIKSL ermöglicht, dass immer mehr Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in Kontakt kommen. Als Begegnungs- und Erfahrungsräume tragen die PIKSL Labore zur sozialen und digitalen Teilhabe bei. Die ressourcenorientierte, inklusive Zusammenarbeit in den PIKSL Laboren sensibilisiert für die Bedeutung digitaler Teilhabe und macht die vielfältigen Kompetenzen von Menschen mit Beeinträchtigung sichtbar. Dadurch trägt PIKSL zum Abbau gesellschaftlicher Vorurteile bei. Gleichzeitig fördert die kooperative Zusammenarbeit zwischen Trägern der Eingliederungshilfe, Betroffenen, Unternehmen und Wissenschaft die Reduktion digitaler Barrieren und stärkt die Entwicklung nachhaltiger inklusiver Lösungen (Kaletka et al. 2017, 107 – 114, 136 – 138).


Weiterentwicklungsbedarf

Um die positiven Entwicklungen weiter voranzubringen, wurden in einer Forschungsarbeit der TU Dortmund (2023) drei zentrale Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung von PIKSL abgeleitet.

  • Entwicklung einer nachhaltigen Finanzierungsstrategie
  • Erarbeitung einer Strategie zum Lernen aus Erfahrungen
  • Konzeption einer strategischen Öffentlichkeitsarbeit (Kaletka et al. 2023, S. 86–87)

Fazit

PIKSL zeigt zahlreiche Charakteristika einer sozialen Innovation und kann einen deutlichen Beitrag zum Abbau digitaler Barrieren und zur Stärkung einer inklusiven Gesellschaft leisten. Zur Sicherung des Angebots und zur langfristigen Entwicklung, scheint der Gesichtspunkt einer nachhaltigen Finanzierung, von zentraler Bedeutung.

Literaturverzeichnis

Deutsches Institut für Menschenrechte (o. J.): Artikel 9 UN-BRK. Online verfügbar unter https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz/datenbanken/datenbank-fuer-menschenrechte-und-behinderung/detail/artikel-9-un-brk, zuletzt geprüft am 15.02.2025.

Hochschule Rhein-Waal (o. J.): PIKSL – Soziale Innovation durch Inklusion. Düsseldorf. Online verfügbar unter https://www.hochschule-rhein-waal.de/de/fakultaeten/kommunikation-und-umwelt/forschungsprojekte/piksl-soziale-innovation-durch-inklusion, zuletzt geprüft am 15.02.2025.

Kaletka, C.; Baumeister, R.; Böllinghaus, L.; Krämer, K.; Krüppel, S.; Reimertz, L.; Rummel, E.; Scheiblich, N.; Wischnewski, C. (2017): PIKSL Labore. Neue Wege für digitale Inklusion. Beiträge aus der Forschung, Band 197. Hg. v. Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs). Dortmund. Online verfügbar unter https://sfs.sowi.tu-dortmund.de/storages/sfs-sowi/r/Publikationen/Beitraege_aus_der_Forschung/Band_197.pdf, zuletzt geprüft am 15.02.2025.

Kaletka, C.; Brunner, T. L.; Buchholz, D.; Forstmann, V.; Grohs, V.; Heß, S.; Jaspert, L.; Paetzold, J.; Rudolph, M. L.; Storost, N.; Teuchert, Z. L. D.; Voß, L. M. (2023): Innovationsbiographie von PIKSL. Beiträge aus der Forschung, Band 219. Hg. v. Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs). Dortmund. Online verfügbar unter https://sfs.sowi.tu-dortmund.de/storages/sfs-sowi/r/Publikationen/Beitraege_aus_der_Forschung/BadF219_neu.pdf, zuletzt geprüft am 15.02.2025.

PIKSL (o. J.): PIKSL – Digitale Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung. Hg. v. In der Gemeinde leben gGmbH. Online verfügbar unter https://piksl.net/, zuletzt geprüft am 15.02.2025.

Schüll, E. (2022): Zur Normativität sozialer Innovationen. In: E. Schüll, H. Berner, M. L. Kolbinger und M. Pausch (Hg.): Soziale Innovation im Kontext, S. 31–60. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Schüll, E.; Berner, H.; Kolbinger, M. L.; Pausch, M. (Hg.) (2022): Soziale Innovation im Kontext. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Titelbildquelle

Titelbild von Tanrica veröffentlicht am 28.02.2024 unter https://pixabay.com/vectors/ai-generated-work-progress-career-8718795/ abgerufen: 02.03.2025

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