By Published On: 15. April 2025Categories: Gesundheit, Psychologie

„Da ist es wieder, dieses seltsame Gefühl, das einen schlagartig überkommt und Unbehagen auslöst: Das, was man in diesem Moment erlebt, hat man genau so schon einmal erlebt! Doch wann und wo? Es will einem partout nicht einfallen. Und ehe man sich versieht, ist diese merkwürdige Irritation auch schon vorbei. So, als wäre nie etwas gewesen.“ [1]

Déjà-vu ist ein Phänomen, das den meisten Menschen bekannt ist. Beschrieben wird es als das Gefühl, eine aktuelle Situation bereits in der Vergangenheit auf identische Weise erlebt zu haben. Nicht selten scheinen absolut fremde Orte wiedererkannt zu werden und manch einer meint sogar zu wissen, was als nächstes geschehen wird. Nach wie vor versuchen Wissenschaftler*innen und Forscher*innen sowohl die Ursachen und Hintergründe dieses faszinierenden Phänomens als auch die Auswirkungen auf das menschliche Bewusstsein zu entschlüsseln. In diesem Artikel erfahren Sie, was Déjà-vus genau sind und welche wissenschaftlichen Erklärungsansätze für das Auftreten des Déjà-vu-Phänomens existieren. [2]

Definition und Häufigkeit

Der Begriff Déjà-vu kommt aus dem Französischen und bedeutet „schon gesehen“. Der Menschheit scheint dieses Phänomen seit Jahrhunderten bekannt zu sein. Bereits die Schriften des heiligen Augustinus aus dem Jahre 400 n. Chr. lieferten einen Hinweise darauf, dass es sich bei der Bezeichnung „falsae memoriae“, d.h. falscher Erinnerung, um Déjà-vu-Erlebnisse handeln könnte.

Neurowissenschaftler*innen bezeichnen dieses Phänomen als sog. Erinnerungstäuschung. Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass etwa 80-90% der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben eine entsprechende Erfahrung gemacht hat. Im Schnitt waren Jüngere häufiger betroffen als Ältere. Studien weisen darauf hin, dass Stress, Erschöpfung und Müdigkeit das Auftreten von Déjà-vus begünstigen, ferner zeigte sich eine positive Kohärenz mit dem sozialökonomischen Niveau und dem Bildungsgrad. Während Déjà-vus bei gesunden Menschen nur sporadisch auftreten und somit völlig unbedenklich sind, können immer wiederkehrende Erinnerungstäuschungen auf eine medizinische Ursache wie z.B. Epilepsie, Angsterkrankungen oder organisch bedingte Hirnerkrankungen hindeuten. [3]

Arten

Déjà-vu bezeichnet den Sammelbegriff für insgesamt fünf verschiedene Arten von Erinnerungstäuschungen: [4]

  • Déjà-vécu (franz. für „bereits erlebt“)

Diese Art der Erinnerungstäuschung tritt am häufigsten auf und umfasst die Gesamtsituation mit all ihren Eindrücken.

Bsp.: Sie sitzen im Zug und beobachten Ihre Umgebung. Plötzlich fällt Ihr Blick auf den Fahrgast gegenüber. Er räuspert sich, holt eine Zeitung aus seiner Tasche, setzt seine Brille auf und beginnt zu lesen. Die gesamte Situation kommt Ihnen bekannt vor- seine auffällige Brille, sein Räuspern, sogar das Rascheln der Zeitung. Dennoch wissen Sie, dass sie diesen Mann noch nie zuvor gesehen haben.

  • Déjà-visité (franz. für „bereits besucht“)

Hierbei handelt es sich um eine Erinnerungstäuschung, die sich ausschließlich auf unbekannte Orte bezieht.

Bsp.: Sie verbringen Ihren Urlaub in Paris, wo Sie gemütlich durch die Straßen schlendern und das gute Wetter genießen. In der Ferne erblicken Sie eine kleine Gasse mit einem roten Haus. Plötzlich überkommt Sie das Gefühl, in der Vergangenheit schon einmal an exakt diesem Ort gewesen zu sein, obwohl Sie nie zuvor in Frankreich waren.

  • Déjà-entendu (franz. für „bereits gehört“)

Diese Form der Erinnerungstäuschung betrifft das Hören.

Bsp.: Sie sitzen im Auto und hören Radio. Die Moderatorin kündigt ein neues Lied an, welches zum ersten Mal gespielt werden soll. Mitten im Lied verspüren Sie das seltsame Gefühl, den Song bereits gehört zu haben.

  • Déjà-rêvé (franz. für „bereits geträumt“)

Diese Art der Erinnerungstäuschung bezieht sich auf Träume. Betroffene haben das Gefühl, eine Situation, die sie erleben, bereits geträumt zu haben.

  • Déjà-senti (franz. für „bereits gefühlt“)

Der Fokus dieser Art der Erinnerungstäuschung liegt auf dem Empfinden. Betroffene haben beim Erleben völlig neuer Sinneseindrücke das Gefühl, diese in der Vergangenheit bereits verspürt zu haben.

Der südafrikanische Psychiater Vernon Neppe, der sich seit den 70er Jahren intensiv mit dem Phänomen des Déjà-vus beschäftigt, formulierte eine allgemeingültige und bis heute anerkannte Definition [5]:

„Ein Déjà-vu ist jeder subjektiv unpassende Eindruck der Vertrautheit einer gegenwärtigen Erfahrung mit unbestimmter Vergangenheit.“ [6]

Der Begriff Jemais-vu (franz. für „noch nie gesehen“) hingegen bezeichnet Situationen und Orte, die plötzlich fremd erscheinen und an welche man sich nicht mehr erinnern kann, obgleich sie einem eigentlich völlig vertraut sind. Es kann als das Gegenteil eines Déjà-vus bezeichnet werden. [7]

Achtung: Treten Jemais-vus häufiger und ohne erkennbaren Grund auf, ist es ratsam, medizinische Hilfe einzuholen. Wiederkehrende Erinnerungsaussetzer können auf eine beginnende Demenz oder Alzheimer hinweisen. [8]

Merkmale eines echten Déjà-vus

Echte Déjà-vus sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die nachfolgenden Merkmale aufweisen: [9]

  • Zweifel: Obgleich Ihnen die Situation sehr vertraut vorkommt, wissen Sie eigentlich, dass die Erinnerung nicht echt sein kann. Sie zweifeln sie an.
  • Ungewissheit: Sie sind nicht in der Lage, das Déjà-vu einzuordnen bzw. exakt zu definieren, woran es Sie genau erinnert.
  • Momentaufnahme: Déjà-vus stellen nur einen kleinen Ausschnitt dar. Sie wissen nicht, was der Erinnerungstäuschung vorausgegangen ist oder was danach passieren wird. 
  • Flüchtigkeit: Ein Déjà-vu ist nur von kurzer Dauer. Es hält ein paar Sekunden an und verschwindet anschließend genauso schnell, wie es aufgekommen ist.

Ursachen

Doch wie kommen Déjà-vus zustande? Obwohl es sich bei Déjà-vus um ein weit verbreitetes Phänomen handelt, ist es Psycholog*innen, Neurolog*innen und zahlreichen anderen Wissenschaftler*innen bisher nicht gelungen, eine konkrete Erklärung für ihre Ursache zu finden. Aufgrund ihres spontanen und flüchtigen Auftretens sind Déjà-vus nur schwer zu untersuchen und unter Laborbedingungen kaum reproduzierbar. [10] Dennoch existieren zahlreiche, genauer gesagt, 72 Theorien, die das Phänomen Déjà-vu zu erklären versuchen. [11]

Nachfolgend werden die bedeutsamsten wissenschaftlichen Erklärungsansätze vorgestellt: [12]

  • Neuronale Erregungstherapie

Diese Theorie besagt, dass das Auftreten eines Déjà-vu darauf zurückzuführen sei, dass das Gehirn eine neue Situation oder einen neuen Ort ähnlich interpretiert wie zuvor, was zu einem Gefühl der Vertrautheit führt. So werden neue Begebenheiten fälschlicherweise als alt und bereits erlebt interpretiert, was zu einem Gefühl der Vertrautheit führt.

  • Verzögerung in der Informationsverarbeitung

Im sensorischen Informationsverarbeitungssystems kann es zu Verzögerungen kommen. Eine Information gelangt ins Gehirn und wird dort als ein Ereignis interpretiert. Ein Bruchstück dieser bereits verarbeiteten Information kommt jedoch verspätet im Gehirn an und wird dort als eigenständiges Ereignis wahrgenommen. Das bedeutet, dass aus einer Information zwei Fragmente entstehen, die aufeinanderfolgend identisch interpretiert werden. Es kommt zum  Déjà-vu.

  • Erinnerung aus der Vergangenheit

Die sog. „Split-perception-theory“ postuliert eine Lücke im menschlichen Empfinden. Ein Ereignis wird zweimal hintereinander wahrgenommen, allerdings auf verschiedenen Bewusstseinsstufen.

  • Wahrnehmungstheorie

Ein weiterer Erklärungsansatz betrachtet die Möglichkeit, dass das Gehirn nicht alle Informationen bewusst wahrnimmt, sondern einige Informationen unbewusst verarbeitet. Es wird angenommen, dass ein Déjà-vu entstehen kann, wenn das Gehirn diese unbewusst verarbeiteten Informationen plötzlich bewusst werden lässt.

Im Rahmen der Wahrnehmungstheorie wurde folgendes Experiment durchgeführt:

Proband*innen wurden unter Hypnose mit diversen Erfahrungen konfrontiert, an welche sie sich im Wachzustand nicht mehr erinnern konnten. Machten die Proband*innen im weiteren Verlauf Erfahrungen, die jenen aus der Hypnose ähnelten, hatten sie ein Déjà-vu Erlebnis. Das bedeutet, dass das Gehirn die Informationen bereits während der Hypnose im Unterbewusstsein speicherte, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt abrief.

Fazit und Ausblick

Bis heute gibt es keine eindeutige und wissenschaftlich anerkannte Erklärung für das Auftreten und Entstehen von Déjà-vus, obgleich sie seit Langem bekannt sind. Ob es Wissenschaftler*innen jemals gelingen wird, das Geheimnis um dieses Phänomen zu lüften, bleibt abzuwarten. Bis dahin bleibt es wohl ein kleines Mysterium… [13]


[1] Vgl. Harf, R. (2023).

[2] Vgl. Cleary, A. M. (2008), S. 353-357; Deeg, J. (2023); Harf, R. (2023).

[3] Vgl. Brown, A. S. (2003), S. 394; Cleary, A. M. (2008), S. 353-357; Deeg, J. (2023); Gruber-Scheuermann, C. (2023); Harf, R. (2023); Lampinen, J. M. (2002), S. 103.

[4] Deeg, J. (2023); Gruber-Scheuermann, C. (2023); Leppert, B. (2024); Mai, J. (2024); O’Connor, A. R. / Wells, C. / Moulin, C. J. A. (2021), S. 835-842; Studyflix (2024).

[5] Vgl. Deeg, J. (2023).

[6] Deeg, J. (2023); Hock, A.-M. (2023)

[7] Vgl. Habich, I. (2023).

[8] Vgl. Gruber-Scheuermann, C. (2023).

[9] Vgl. Gruber-Scheuermann, C. (2023); Mai, J. (2024).

[10] Vgl. Euchner, C. (2023).

[11] Vgl. Deeg, J. (2023).

[12] Vgl. Brown, A. S. (2004), S. 256-259; Euchner, C. (2023); Garcia Cerdan, A. (2017); Gruber-Scheuermann, C. (2023); Harf, R. (2023); Hock, A.-M. (2023); Mai, J. (2024); O’Connor et al. (2021), S. 835-842; Studyflix (2024).

[13] Vgl. Rau, L. (2023); Studyflix (2024).


Literaturverzeichnis

Brown, A. S. (2003). Ein Rückblick auf das Déjà-vu-Erlebnis. Psychologisches Bulletin, 129 (3), S. 394.

Brown, A. S. (2004). Die Déjà-vu-Illusion. Aktuelle Richtungen in der psychologischen Wissenschaft,13 (6), S. 256-259.

Cleary, A. M. (2008). Wiedererkennungserinnerung, Vertrautheit und Déjà-vu-Erlebnisse. Current Directions in Psychological Science, 17 (5), S. 353-357. https://doi.org/10.1111/j.1467-8721.2008.00605.x

Deeg, J. (2023). Das ist doch schon einmal passiert! Zugriff am 04.02.2025. Verfügbar unter Wie entstehen Déjà-vus im Gehirn? – Spektrum der Wissenschaft

Euchner, C. (2023). Hast du öfters ein Déjà-vu? Das hat es damit auf sich. Zugriff am 12.12.2024. Verfügbar unter Déjà-Vu: Das steckt hinter dem mysteriösen Phänomen – 20 Minuten

Garcia Cerdan, A. (2017). Déjà-vu: Was bedeutet das und wie entsteht dieses Phänomen? Zugriff am 15.12.2024. Verfügbar unter Déjà-Vu. Das Gefühl etwas schon einmal gesehen zu haben (yourbrain.health)

Gruber-Scheuermann, C. (2023). Déjà-vu: 4 Merkmale & 6 mögliche Ursachen. Zugriff am 16.12.2024. Verfügbar unter Déjà-vu: 4 Merkmale & 6 mögliche Ursachen » lernen.net

Habich, I. (2023). Gegenteil von Déjà-vu: Was ist das Jamais-vu-Phänomen? Zugriff am 07.01.2025. Verfügbar unter https://www.rnd.de/gesundheit/deja-vu-oder-jamais-vu-was-die-phaenomene-bedeuten-und-wie-sie-entstehen-MWJ6KA7PPBB5LPZT4OPVPFMRBY.html

Harf, R. (2023). Geheimnis Déjà-vu: Was hinter dem mysteriösen Phänomen steckt. Zugriff am 07.01.2025. Verfügbar unter Déjà-vu: Was hinter dem mysteriösen Phänomen steckt – [GEO]

Hock, A.-M. (2023). Psychologie: Das verbirgt sich hinter einem sogenannten „Déjà-vu“! Zugriff am 07.01.2025. Verfügbar unter Psychologie: Das verbirgt sich hinter einem sogenannten „Déjà-vu“! (prosieben.de)

Lampinen, J. M. (2002). What exactly is deja vu? Scientific American, 287 (3), S.103.

Leppert, B. (2024). Déjà-vu: Das hat es mit den falschen Erinnerungen auf sich. Zugriff am 20.01.2025. Verfügbar unter Was ist ein Déjà-vu? Definition, Bedeutung und Erklärung (prosieben.de)

Mai, J. (2024). Déjà-vu – einfach erklärt: Wie kommt es dazu? 6 Ursachen. Zugriff am 25.01.2025. Verfügbar unter Déjà-vu – einfach erklärt: Wie kommt es dazu? 6 Ursachen (karrierebibel.de)

O’Connor, A. R. / Wells, C. / Moulin, C. J. A. (2021). Déjà-vu und andere dissoziative Zustände im Gedächtnis. Gedächtnis, 29 (7), S. 835-842. https://doi.org/10.1080/09658211.2021.1911197

Rau, L. (2023). Déjà-vu: So entsteht das Phänomen. Zugriff am 07.01.2025. Verfügbar unter Déjà-vu: 4 Merkmale & 6 mögliche Ursachen » lernen.net

Studyflix (2024). Déjà-vu. Zugriff am 20.12.2024. Verfügbar unter https://studyflix.de/biologie/deja-vu-7177?topic_id=318


Titelbildquelle

Titelbild von Mclean, E. (2021). Verfügbar unter https://www.pexels.com/de-de/foto/tur-eingang-turoffnung-vertikaler-schuss-7146589/ , abgerufen am 26.03.2025.

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