By Published On: 24. April 2025Categories: Inklusion, Pädagogik

Das WKS-Modell basiert auf vier wesentlichen Kriterien: Gleichwertigkeit, Selbstbestimmung, Macht und Verantwortung (vgl. Kleine Schaars, 2022, S. 33). Das entscheidende Ziel des WKS Modells ist die zugrunde liegende Haltung, „das jeder Mensch so umfassend wie möglich die Regie über seine Möglichkeiten behält“ (Kleine Schaars, 2010, S. 104). Das WKS Modell wird konsequent von dem Anliegen der Selbstbestimmung geleitet (vgl. Kleine Schaars, 2010, S. 8) und stellt eine konzeptionelle Brücke dar, um den Paradigmenwechsel für Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen zu gestalten.

Selbstbestimmung und Teilhabe anstatt Fürsorge und Fremdbestimmung

Der Niederländer Willem Kleine Schaars entwickelte das Modell bereits 1999 und führte es in die Praxis ein. Er arbeitet viele Jahre in der Hilfe für Menschen mit einer geistigen Behinderung, in der Psychiatrie und in der Altenpflege (Kleine Schaars, 2010). Selbst sagt er über sein Modell: „Ich beschreibe eine Methode, um Menschen die weniger können als andere, oder unverständliches Verhalten zeigen, die Regie im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu erhalten. Ich nenne dies das WKS (Willem Kleine Schaars)-Modell“ (Kleine Schaars, 2010, S. 10). Mit dieser Grundaussage ist der Bezug zu den Bestimmungen des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) und somit auch zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hergestellt. Das Modell unterstützt Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen, in denen Hierarchien ein Ungleichgewicht in der Machtverteilung mit sich bringen können. Lange Zeit herrschte eine stark defizitäre Perspektive auf Menschen mit Beeinträchtigungen, die ihnen Unfähigkeit betreffend eigener Entscheidungen und Handlungen bescheinigte, was folglich in Überbehütung und externen Problemlösungen mündete (vgl. Semsdorf/Graeske, 2022, S. 181). Durch die Umsetzung des WKS-Modells wird eigenverantwortliches Handeln gefördert und Autonomie gestärkt. Gewohntes loslassen und einen Perspektivwechsel zulassen ist notwendig, um nach dem WKS Modell zu arbeiten (Semsdorf/Graeske, 2022, S. 184).

Jeder Mensch hat seinen individuellen „Rahmen“

Das WKS-Modell beschreibt die Einzigartigkeit jedes Menschen im Verhältnis zu einem Rahmen. Der Prozess, eigene Entscheidungen zu treffen und die Grenzen der Selbstbestimmung zu erkennen, ist für jedes Individuum ein fortlaufender Prozess. Die Entscheidungskompetenz bedeutet im Modell die Rahmengröße des Menschen. Je größer dieser Rahmen ist, desto mehr Entscheidungsmöglichkeiten stehen der Person zur Verfügung (vgl. Kleine Schaars 2010, S. 16). Entscheidungsmöglichkeiten basieren wiederum auf Erfahrungen, sowie emotionaler und kognitiver Entwicklung.

Assistenz und Prozess

Das WKS Modell stellt Assistenznehmer in den Mittelpunkt und meint mit dem individuellen Rahmen den eigenverantwortlichen Lösungsbereich (vgl. Kleine Schaars & Petereit, 2020, S. 179). Die Betreuerrollen werden im Modell konkret definiert.

  1. Alltagsbegleitern kommt eine wichtige Rolle zu, sie stehen als zentrale Ansprechperson zur Verfügung und vereinbaren Absprachen mit den Assistenznehmern. Alltagsbegleiter kennen die Möglichkeiten des Betreuten und legen den Rahmen fest. Alltagsbegleiter greifen als einzige Person reglementierend ein, um Überforderung zu vermeiden, ohne zu sanktionieren oder Lösungen vorzugeben.
  2. Prozessbegleiter unterstützen Betreute bei der Lösungsfindung von Aufträgen, welche die Betreuten mit dem Alltagsbegleiter verhandelt haben. Die Meinung des Prozessbegleiters ist dabei nicht relevant, es geht um die Sicht und Erlebniswelt des Betreuten.
  3. Unterstützer sind Assistenzleister (Teammitglieder) die weder Prozess-, noch Alltagsbegleiter sind und Betreute im Auftrag des Alltagsbegleiters bei Dingen helfen, die sie nicht selbst können. Unterstützer äußern keine Meinung gegenüber der Betreuten zu Aufträgen und greifen bei Abweichung der Vereinbarung nicht ein. Sie beobachten und melden dies an die Alltagsbegleiter zurück (vgl. Semsdorf/Graeske, 2022, S. 182).
Abbildung 1: Beziehungen im WKS Modell, Quelle: Kleine Schaars, 2010, S. 49

Handwerkszeug

Um das WKS Modell in der Praxis anwenden zu können, braucht es nach Willem Kleine Schaars zu allererst Respekt. Unabdingbar ist die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Menschen, um Assistenz auf Augenhöhe herstellen zu können (vgl. Kleine Schaars, 2010, S. 10). Das Loslassen von alten und überbehütenden Strukturen und Gewohnheiten sowie eigene Normen und Werte nicht in den Mittelpunkt zu stellen, (vgl. Kleine Schaars, 2022, S. 23) was für Betreuende oft ein schwieriger Prozess ist. Der Grad der Selbstbestimmung der Assistenznehmer in einer Einrichtung hängt von der Einstellung der Betreuenden ab (vgl. Kleine Schaars, 2010, S. 33). Der Einsatz von Ich- Botschaften, aktivem Zuhören, sowie nonverbale Kommunikation (z.B. Gestik, Mimik, Gebären) sind im WKS-Modell elementar.

Fazit

Willem Kleine Schaars stellt in seinem Betreuungskonzept Respekt und Begegnung auf Augenhöhe als übergeordneten Aspekt dar. Oft trifft man in der Praxis noch auf stark fremdbestimmte Strukturen, übergestülpte Reglementierungen und Angst. Unsicherheiten erlebt man besonders in den Strukturen, in denen Menschen mit schweren und schwersten Einschränkungen in der Intelligenzentwicklung betreut werden. Mitarbeitende erleben ihre strukturellen Abläufe als Sicherheit und argumentieren mit wichtigen Routinen für die Betreuten. Das Modell mit Alltagsbegleiter und Prozessbegleiter, sowie den Unterstützern birgt viele neue und innovative Betreuungsaspekte, die durch professionelle Begleiter eine reelle Chance haben, sich durchzusetzen und damit einen wichtigen Teil zum Paradigmenwechsel beitragen können. Die Haltung, dass auch Menschen mit (schweren/ schwersten) kognitiven Beeinträchtigungen eindeutige Entscheidungen treffen, und deren direkte Folgen tragen können, stößt jedoch vielerorts noch auf Unverständnis. Die konzeptionelle Anwendung des WKS -Modells bedarf einer einheitlichen und, von der Leitung vorgelebten, Umsetzung und Überprüfung. In Anbetracht des weiter vorherrschenden Fachkräftemangels und hoher Ausfallraten in den Betreuungssettings, ist die Umsetzung des personenzentrierten und, meines Erachtens nach sehr wertvollem Konzept, nicht leicht zu integrieren. Dennoch zeigt es einen Weg in eine neue Welt der Assistenzleistung, zur gelingenden Teilhabe und der Möglichkeit auf Selbstbestimmung – zur Regie über die eigenen Möglichkeiten.

Literaturnachweis:

Kleine Schaars, W. (2010). Begegnen mit Respekt. 5. Auflage, Tübingen: dgvt-Verlag.

Kleine Schaars, W. & Petereit, P. (2010). Respektvolle Begegnung – es beginnt mit der Grundhaltung. In A. Lob-Hüdepahl & J. Eurich (Hrsg.) Personenzentrierung – Inklusion – Enabling Community (S. 183-190). Stuttgart: Kohlhammer

Sehmsdorf, S. & Graeske, A. (2022). Alles eine Frage der Haltung?! SEED und das Modell nach Willem Kleine Schaars. In: Zepperitz, S. Was braucht der Mensch, Bern: Hofgrefe Verlag

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Kleine Schaars, W. (2010). Beziehungen im WKS Modell. Begegnen mit Respekt. 5. Auflage, Tübingen: dgvt-Verlag

Titelbildquelle:

Titelbild von Momo-Studio auf unplash, veröffentlicht März 2025, Zugriff am 02.04.2025 unter: https://unsplash.com/de/grafiken/eine-person-steht-neben-einer-alten-filmkamera-f6nOrLlcGbI

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