By Published On: 10. April 2016Categories: Kommunikation, Psychologie, Wirtschaft

Hörst du mich nur oder verstehst du mich schon Teil 2 – Kommunikation nach innen

Die menschliche Pluralität – Ich bin Viele

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Bildquelle: Eigene Darstellung

Nachdem wir im ersten Teil die vier Seiten einer Nachricht im Allgemeinen kennengelernt haben, richtet sich die Blickrichtung nun nach Innen.

Die Idee der inneren Vielfalt des Menschen geht weit zurück und hat auf unterschiedliche Weise – jedoch im Kern immer die Pluralität gemein – viele Menschen beschäftigt. Aus Goethes Faust der berühmte Satz „Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust…“. Sigmund Freud mit seiner Triebinstanzenlehre vom „Es“, vom „Über-Ich“ und vom „Ich“. Herrmann Hesse mit seinem „Steppenwolf“ der in seiner Figur Harry Haller, den Menschen Harry und den „Steppenwolf“ als das Tier in sich vereint beschreibt, um nur einige zu nennen. In all den Ansätzen findet sich die Erkenntnis darüber, dass der Mensch, „Viele“ ist.

Friedemann Schulz von Thun greift in seiner Kommunikationslehre – “ Miteinander reden 1-3, die mittlerweile als Standardwerk zu betiteln sind – die Thematik der inneren Pluralität des Menschen in Form von Teammitgliedern auf. So wird anschaulich verständlich, was in uns vorgeht.

Dieses Modell beschreibt, wie die unterschiedlichen Teammitglieder in uns sich stetig zu Wort melden und ihrem Anliegen „Gehör verschaffen“ möchten. Dabei gibt es Teammitglieder, welche sich sofort und zeitnah zu Wort melden und andere die erst im Nachhinein zur Teamkonferenz beitragen, die Spätmelder. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, es sind keine „Stimmen“ gemeint, die beginnen uns tatsächliche akustische Mitteilungen oder in Worte gefasste Nachrichten zu vermitteln, sondern vielmehr – beispielsweise das ungute Gefühl das uns unsicher macht, die gestammelten Worte, wenn wir uns in einer Sache nicht sofort für eine Seite klar aussprechen können oder eine Art von Verstimmtheit die sich in uns ausbreitet. Diesem Team zugehörig ist auch ein Oberhaupt. Dieses ist als die Instanz des Selbst zu verstehen, mit der wir uns als unserem „Ich“ identifizieren. Es sorgt dafür, dass die inneren Teamstimmen angehört und abgewogen werden – zumindest die Stimmen, die wir in uns angenommen/akzeptiert haben oder wenigstens dulden und nicht „verstoßen“. Ebenso hat der Teamchef das letzte Wort, wenn es darum geht innere Dialoge nach außen treten zu lassen. Um etwas dauerhaft, konsequent durch- oder umzusetzen bedarf es dem Oberhaupt jedoch immer die Unterstützung des Teams. Jeder der schon mal versucht hat beim ersten Wecker klingeln aufzustehen, das Ernährungs-und Fitnessprogramm beizubehalten oder die beschlossenen Neujahrsvorsätze ab dem ersten Kalendertag des neuen Jahres umzusetzen – ohne alle Mitglieder des Teams am Tisch gehabt zu haben – kennt das Gefühl. Es gilt einzusehen, dass jeder der übergangen wird, sich rächen wird; er trägt eine Entscheidung nicht oder nur teilweise mit, er sorgt für schlechte Stimmung, verlangsamt oder beeinträchtigt eventuell absichtlich Prozesse. Das kann nicht nur innermenschlich sondern auch zwischenmenschlich in die Arbeitswelt übertragen werden. Somit tut unser Oberhaupt gut daran alle Teilhaber anzuhören und mit in die Entscheidung einzubeziehen, um zu einem Ergebnis zu gelangen mit dem alle leben können.

Ein Beispiel einer inneren Teamkonferenz: die Fernstudentin

Situation: Die Fernstudentin hat die Wochentage so geplant, dass alles mit arbeiten, studieren, Sport treiben und mit notwendigen Kleinigkeiten ausgefüllt ist. Eine Freundin meldet sich gegen Ende der Woche bei ihr, um zu fragen ob sie gemeinsam etwas unternehmen sollen.

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Bildquelle: pixabay

Teammitglieder die sich zu Wort melden:

Die Zielstrebige

Der Ruhepol

Die Moralapostel

Das Oberhaupt

Zielstrebige: Oh oh jetzt hast du die ganze Woche schon verplant, ne also da haben wir keine Zeit mehr. Sag ihr ab – für was machst Du einen Plan wenn du dich nicht nach ihm richtest.

Ruhepol: deine Pläne sind schon immer sehr ambitioniert, Du musst auch Freiräume schaffen und brauchst einen geselligen Ausgleich.

Moralapostel: genau, außerdem hast Du letztes Mal schon abgesagt. Die Arme – außerdem willst du dich doch auch mit deinen Freunden treffen!

Oberhaupt: es ist schon richtig, den Plan haben wir gemacht und auch die ganze Woche eins zu eins durchgezogen oder nicht? Manchmal kommt eben etwas dazwischen und das unsere Pläne hin und wieder ein bisschen stramm sind, damit hat der Ruhepol schon recht.

Zielstrebige: ja schon aber der will doch nur ne Ausreden damit wir nichts arbeiten…

Ruhepol: stimmt doch gar nicht! ohne den nötigen Ausgleich und die Interaktion mit unseren Freunden hat es sich bald ausgestrebt – und wir sind überarbeitet und genervt!

Moralapostel: ganz genau so sieht es aus, lass doch mal fünf gerade sein.

Oberhaupt: okay gut – ihr habt ja alle recht. Wie wäre es wenn wir heute etwas unternehmen und auf andere Gedanken kommen und uns morgen wieder der Arbeit und dem Studium widmen?

Zielstrebige: damit kann ich leben aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Ruhepol: wenigstens ein wenig Entschleunigung.

Oberhaupt: ist unsere Moralapostel dann auch zufrieden?

Moralapostel: jap hab alles gut.

Dieser Eigenversuch einer inneren Ratsversammlung anhand eines persönlichen Beispiels, stellt eine Möglichkeit von vielen dar wie es ablaufen könnte. Sicherlich laufen solche Dialoge nicht so schön ausformuliert und nacheinander ab. Vielmehr geschieht dies in Sekunden oder Minuten in denen alles fast zeitgleich, überschneidend und in Wortfetzen vorüberzieht; jedoch findet ebenso eine Beratung statt. Auch was die Betitelung der einzelnen Mitglieder angeht, gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Im Alltag ist eine ausschweifende innere Ratsversammlung mit Sicherheit nicht immer notwendig oder gar übertrieben – zum Beispiel, wenn wir uns, um die Frage zu klären was wir zu Abend essen wollen erstmal eine Stunde unsere Teammitglieder anhören um zu einer Einigung zu kommen! Jedoch für die wichtigen und entscheidenden Lebensfragen kann es empfehlenswert sein, sich die Zeit zu nehmen alle Teammitglieder in uns „ausfindig“ zu machen, ihnen einen „Namen“ zu geben und hinzuhören was die Mannschaft zu sagen hat. So können wir versuchen in uns Klarheit zu verschaffen um wichtige Entscheidungen im Einklang mit uns selbst treffen zu können.

Im dritten und letzten Teil, kommen wir auf Eine von vielen schwierigen Gesprächssituationen zu sprechen – als wäre es manchmal nicht schon kompliziert genug….;-)

Literaturquellen:

Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allge-meine Psychologie der Kommunikation. 1. Auflage. Reinbek 2013.

Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 2. Stile, Werte und Persönlichkeits-entwicklung. Differenzielle Psychologie der Kommunikation. Sonderausgabe. Reinbek 2001.

Goethe, J.W.: Faust I und II. 3. Auflage. Hamburg 2015.

Hesse, H.: Der Steppenwolf. 54. Auflage. Ulm 2013.

Pörksen, B./Schulz von Thun, F.: Kommunikation als Lebenskunst. Philoso-phie und Praxis des Miteinander-Redens. 1. Auflage. Heidelberg 2014.

Bilderquellen:

Pixabay

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