Immer mehr Menschen kämpfen mit Rückenbeschwerden
„Ich hab Rücken“ (Hape Kerkeling)
Rückenleiden betreffen dabei nicht nur Mitarbeiter von Branchen mit hoher körperlicher Belastung wie der Baubranche. Auch immer mehr Büroangestellte leiden unter Schmerzen im Rücken. Erschreckenderweise betreffen diese Probleme auch zunehmend junge Menschen.
Rückenschmerzen gehören zu den bedeutendsten Krankheitsarten und sind für etwa ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage verantwortlich (vgl. Abbildung 2). Damit stehen sie noch weit vor psychischen Störungen oder Erkrankungen des Atmungssystems. Zudem waren Rückenleiden die zweithäufigste – nach Hypertonie – ambulante Einzeldiagnostik in 2014. Am häufigsten sind Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich, Nacken- und Schulterschmerzen, sowie daraus resultierende Kopfschmerzen. 30 % aller Ausfälle in Büros sind auf Rückenbeschwerden zurückzuführen. Außerdem sind sie eine häufige Ursache für Frühverrentungen. Neben den körperlichen und psychischen (Folge-)Schäden für jeden einzelnen Betroffenen entstehen aus Rückenleiden volkswirtschaftliche Folgekosten, die im zweistelligen Milliardenbereich anzusiedeln sind.
All diese Statistiken belegen die Bedeutung der Problematik von Erkrankungen des Rückens. Was aber sind die Ursachen für Rückenschmerzen und wie kann man diese vor allem in Bezug auf eine langfristige Erhaltung der Erwerbsfähigkeit wirkungsvoll bekämpfen?
Ursachen
„Was genutzt wird, entwickelt sich, was ungenutzt bleibt, verkümmert!“ (Hippokrates)
Leider bleiben die Beschwerden meist unspezifisch. So kann in ca. 76% der Fälle keine eindeutige Ursache gefunden werden. Allerdings lässt sich sagen, dass sich ein unergonomischer Arbeitsplatz, langes Sitzen und mangelnde Bewegung negativ auswirken. Der Rücken des Menschen ist für langes Sitzen nicht geschaffen. Denn dadurch üben die Muskeln, die eigentlich Bewegungsarbeit ausführen, Haltearbeit aus und die Bewegungsarmut lässt die Muskulatur erschlaffen bzw. (an oben genanntes Zitat angelehnt) verkümmern.
Belastend für den Rücken und damit potenziell verantwortlich für Rückenprobleme sind im Speziellen folgende Körperhaltungen:
- Mit gekreuzten übereinandergeschlagenen Beinen sitzen und dies zumeist noch einseitig, das heißt dasselbe Bein ist immer oben. Diese Haltung ist schlecht für die Blutzirkulation. Es werden Sehnen, Nerven und Bänder eingeklemmt und zudem fördert sie eine schiefe Beckenstellung, was sich wiederum auf den gesamten Halteapparat auswirkt.
- Das Telefon zwischen Nacken und Schulter zu klemmen („Telefonklemme“) fördert und erzeugt Nackenverspannungen. Das gilt natürlich nicht nur im Sitzen, sondern auch im Stehen.
- Im sogenannten Rundrücken zu sitzen, belastet die Bandscheiben und erschwert zudem die Atmung. Auf Dauer gewöhnt man sich diese Haltung an, woraus sich dann ein sway back (Ermüdungsrücken) bilden kann. Gekennzeichnet ist der Ermüdungsrücken durch eine stark gerundete Brustwirbelsäule und ein nach vorne gedrücktes Becken. Diese passive Haltung ist zwar sehr energiesparend für den Körper, ist aber gleichzeitig ungesund für die Wirbelsäule.
Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen in Beruf und Freizeit
„Wer nicht jeden Tag etwas Zeit für seine Gesundheit aufbringt, muss eines Tages sehr viel Zeit für die Krankheit opfern“ (Sebastian Kneipp)
Auch die Anbieter- bzw. Versorgungsseite von Gesundheitsleistungen hat die Problematik der chronischen Rückenschmerzen erkannt und ein Disease-Management-Programm „Rückenschmerz“ angestoßen. Ein Disease-Management-Programm ist ein strukturiertes Behandlungsprogramm für chronisch Kranke, hier in Bezug auf Menschen mit chronischen Rückenschmerzen, das neben der systematischen Aufklärung von Patienten und spezieller Schulung der Hausärzte auch die Wahl einer rückenaktivierenden Physiotherapie enthält.
Insbesondere die Aufklärung von Patienten ist von zentraler Bedeutung. Das gilt nicht nur für chronisch Kranke, sondern bereits im Rahmen der Vorsorge, wenn sich noch keine Erkrankung manifestiert hat. Denn ein erster Schritt ist immer, dass jeder Mensch das Wissen und die Bereitschaft besitzt, selbst etwas für seine Gesundheit zu tun. Deshalb ist die Stärkung der Eigenverantwortung auch so wichtig. So kann jeder für sich konkrete Maßnahmen in Freizeit und Beruf umsetzen. Einige Anregungen hierzu im Folgenden.
Konkrete Maßnahmen im Job:
In ihrer natürlichen Doppel-S-Krümmung entfaltet die Wirbelsäule ihre optimale Federwirkung und die Bandscheiben werden geschützt. Wird sie dabei zudem immer wieder in alle ihre Bewegungsrichtungen bewegt (Extension/Flexion, Seitbeuge und Rotation), sitzen wir „gesünder“.
Für diejenigen, die berufsbedingt viel sitzen, gilt generell:
- Die Rückenlehne ausnutzen, nicht nur auf der Stuhlkante sitzen
- Den Monitor des Computers nicht schräg aufstellen, um Nackenverspannungen vorzubeugen und einen geradeaus gerichteten Blick zu gewährleisten.
- Sowohl in den Armen als auch in den Beinen bevorzugt einen 90º-Winkel wählen
- Ergonomisch geformte Tische und Stühle können unterstützend wirken
Helfen kann auch das dynamische Sitzen, dazu gehört:
- Häufiges Wechseln der Sitzposition und die Brustwirbelsäule auch mal aufrichten
- Zwischendurch aufstehen und umhergehen
- Gewicht immer wieder verlagern, was die Gefahr von einseitigen Belastungen reduziert
- Einen Sitzball oder ein Balancekissen verwenden, was die stabilisierende Tiefenmuskulatur anregt
Neben diesen einfachen Anregungen können bei akuten Schmerzen sowie zur kurz- bis mittelfristigen Gesunderhaltung auch professionelle Massagen helfen, da diese die Muskulatur entspannen. Wer seinen Rücken aber langfristig effektiv schützen will, kommt um den Aufbau von Muskulatur nicht herum!
Zwei Beispiele für Training in der Freizeit um den Rücken zu stärken
„Alles Leben ist Bewegung“ (Leonardo Da Vinci)
Pilates:
Pilates ist als umfassendes Ganzkörpertraining gut geeignet, um Rückenproblemen vorzubeugen oder bestehende Leiden zu lindern. Der ganze Körper wird ausgehend von einer stabilen Körpermitte gekräftigt. Dabei liegt der Fokus auch auf der tiefliegenden stabilisierenden Muskulatur. Zudem ist Pilates für jeden geeignet, sowohl als sanftes Training für Einsteiger und Ältere als auch als herausforderndes Programm für Geübte. Die Ziele bei dieser Trainingsmethode sind Flexibilität, Beweglichkeit, Koordination, Kontrolle der Bewegung und Kräftigung der Muskulatur, vor allem in Bezug auf Bauch- und Rückenkraft. Bauch- und Rückenmuskeln sind Gegenspieler, sogenannte Antagonisten. Das bedeutet, ohne gut trainierte Bauchmuskeln (schräge, tiefe und gerade) müssen die Rückenmuskeln die Aufgabe der Bauchmuskeln mitübernehmen und sind häufig gerade deshalb überlastet. Aus diesem Grund ist es entscheidend, immer beide Muskelgruppen zu trainieren, sowohl den Agonisten als auch den Antagonisten. Pilates wird bereits vielfach in der Prävention und auch in der Rehabilitation als Rückengymnastik eingesetzt.
Faszientraining:
Faszientraining ist nichts anderes als Training für das Bindegewebe. Die Faszienbahnen umhüllen den Muskel. Deshalb sind Faszie und Muskel immer als Einheit anzusehen. Faszientraining ist als Ergänzung zu bisherigen Sportarten für die gesunde Bewegung im Alltag besonders geeignet. Als Beispiel helfen Fußmassagen Rückenbeschwerden zu lindern: Von der Fußsohle läuft eine Faszienbahn über die komplette Länge unserer Rückseite bis zu den Augen. Ist diese „verklebt“, können Spannungsschmerzen entstehen.
Ein weiteres Beispiel laut einer Studie an Männern mit Problemen in der Lendenwirbelsäule ist die Lumbalfaszie. Wunden und Mikrorisse in der Faszie führen zu Entzündungen und Verdickungen. Die Folge können Muskelstörungen sein. Ist die Lumbalfaszie verdickt, ist der gesamte Bereich im Lendenwirbelsäulenbereich schmerzempfindlicher. Probleme in dieser Faszie können demzufolge zu chronischen Rückenschmerzen beitragen. Die genauen Zusammenhänge und Wirkungsweisen sind noch Gegenstand aktueller Forschung.
Faszientraining enthält eine Vielzahl an Bewegungsmustern wie Hüpfen, Federn, Springen, Schwingen, dehnen, massieren und ausstreichen. Viele Bewegungen können dabei mit einer Faszienrolle unterstützt werden. Allerdings gilt hier – wie auch beim Pilates – immer unter fachgerechter Anleitung trainieren!
Fazit
„Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!“ (Arthur Schopenhauer)
Welche Sportart auch immer man für einen gesunden Rücken wählt, wichtig ist, dass es Spaß macht, damit man langfristig „dranbleibt“. Muskeln müssen regelmäßig trainiert werden, will man Beschwerden minimieren oder verhindern. Gesund zu bleiben und sich wohl zu fühlen sollte immer die oberste Priorität sein.
Quellen:
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Schleip, R./Bayer, J.: Faszien Fitness. Vital, elastisch, dynamisch in Alltag und Sport. München. 2015.
Schuster, N.: Rückenfreundlich gehen, sitzen und liegen. Apotheken Umschau. 10.12.2012 URL: http://www.apotheken-umschau.de/Ruecken/Rueckenfreundlich-gehen-sitzen-und-liegen-201587.html (8. März 2016).
Bildernachweis:
Abb. 1: https://pixabay.com/de/schmerzen-krank-gesund-problem-1015574/
Abb. 3 und Abb. 4: Eigene Darstellung.
Abb. 5: https://pixabay.com/de/frau-nackt-lowkey-erotik-erotisch-1225509/