Wir leben in einem Sozialstaat. Mit staatlichen Hilfen und Sozialleistungen wird denjenigen unter die Arme gegriffen, die selbst nicht in der Lage sind, sich ein Einkommen zu verdienen, bzw. deren Gehalt so niedrig ausfällt, dass es nicht ausreichen würde um den täglichen Bedarf damit zu decken. Trotzdem lautet das Grundprinzip: von nichts kommt nichts. Um ein Einkommen zu haben, muss Arbeit geleistet werden.
Eine Idee jedoch revolutioniert dieses Prinzip und stellt damit unser ökonomisches System auf den Kopf. Es ist die Vorstellung eines garantierten Grundeinkommens.
Aber was ist das eigentlich? Das Garantierte Grundeinkommen (engl. basic income) ist eine finanzielle Zuwendung, die jeder Einwohner eines Landes regelmäßig bezieht. Sie ist nicht an Konditionen oder Leistungen geknüpft, das bedeutet: es gibt Geld geschenkt. Einfach so. Ohne etwas dafür tun zu müssen. Im Unterschied zu einer minimalen Einkommensgarantie, wie sie in einigen Ländern[1] durchgeführt wird, erhält jede Einzelperson eine Zahlung – nicht gesamte Haushalte. Diese Zuwendung wird unabhängig davon ausgezahlt, ob noch andere Einkommen aus Erwerbsarbeit zufließen. Es ist keinerlei Arbeitstätigkeit oder Willen zur Aufnahme einer Arbeit Voraussetzung, um ein Grundeinkommen zu erhalten.[2]
Der Gedanke eines Grundeinkommens ist dabei nicht neuartig. Bereits im 16. Jahrhundert wurde über garantierte Mindesteinkommen und Grundrenten gesprochen, diese waren allerdings zumeist nicht in monetärer Form gedacht. Hintergrund war der Wunsch nach einer Mindestversorgung für die Ärmsten der Bevölkerung bzw. die Eröffnung von Chancen zur Erwerbsarbeit für diese soziale Gruppe. 1796 schlägt Thomas Spence (1750 – 1814) als Erster ein finanzielles und lebenslanges Grundeinkommen vor. Auch dieses soll der Abschaffung von Armut dienen.[3]
In der heutigen Wirtschaft gibt es viele Vollzeitberufe, deren Bezahlung für den Lebensunterhalt nicht mehr ausreichend ist. Neue Technologien bringen zwar Fortschritt und Wohlstand einerseits, jedoch tragen sie auch zum Abbau von Arbeitsplätzen bei. Während die Industrielle Revolution uns eine körperliche Arbeitserleichterung brachte, sehen wir uns heute in einem „Zweiten Maschinenzeitalter“.[4] Maschinen rechnen, analysieren, treffen Entscheidungen und ersetzen Menschen mehr und mehr an deren Arbeitsplatz. Diese Entwicklung wird in der Zukunft noch deutlich zunehmen. Neue Technologien bringen zwar Fortschritt und Wohlstand einerseits, jedoch tragen sie auch zum Abbau von Arbeitsplätzen bei. Denkt man beispielsweise an Autonome Mobilität, so ist die Vorstellung realistisch, dass sich in ca. 20 Jahren viele Fahrzeuge ohne Fahrereinwirkung auf den Straßen und Gleisen bewegen. All diejenigen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Fahren von Leuten, Lebensmitteln und sonstigen Gütern verbringen, erleben dann einen Wegfall ihrer Erwerbsgrundlage.[5] Hier kommt das bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel, das derzeit international wieder häufiger zur Sprache gebracht wird.
In der Schweiz wurde am 5. Juni 2016 ein Referendum zu diesem Thema abgehalten. Mit 78% der Stimmen wurde das Grundeinkommen (in Höhe von umgerechnet 2250€ monatlich) abgelehnt. Die Ablehnung des Referendums war zu erwarten, jedoch eine Zustimmungsrate von 22% ist erstaunlich. Die Initiatoren sprechen von einem „sensationellen Erfolg“.[6] Aktuell werden Feldstudien durchgeführt und verschiedenste Länder unternehmen Schritte in Richtung Grundeinkommen.[7] [8] In Spanien beispielsweise war das Grundeinkommen ein wichtiger Teil des Wirtschaftsprogramms von Premierkandidat Podemos[9], Finnland plant ein zweijähriges Pilotprojekt, bei dem 10.000 Erwachsene monatlich 550€ erhalten sollen.[10] Die Herangehensweise der Länder variiert – die Diskussion jedoch fokussiert sich derzeit stark in Richtung eines partiellen Grundeinkommens. Dieses soll keine gänzliche Einkommenssicherung, sondern zunächst eine niedrige Basis darstellen die mit dem regulären Einkommen und den staatlichen sozialen Hilfen aufgefüllt wird.
Kritische Stimmen merken an, dass die Menschen mit einem garantierten Grundeinkommen sich nicht mehr auf den Arbeitsmarkt begeben werden, weil sie das materielle Bedürfnis zur Existenzsicherung verloren haben. Vor allem Bürger, die jetzt im Niedriglohnbereich tätig sind, werden keinen finanziellen Nutzen aus zusätzlicher Arbeit ziehen. Zu unangenehmen oder Tätigkeiten, die nur niedrige Entlohnung bieten, werde sich dann keiner mehr bereiterklären. Ein weiteres Problem könnte sein, dass es vermehrte Einwanderungsbestrebungen gibt, wenn Bürgern ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgezahlt wird.[11]
Befürworter der Idee meinen hingegen, dass die Menschen trotz eines Grundgehaltes arbeiten werden. Der persönliche Wunsch und die Aussicht auf einen Zuverdienst würden neben der Notwendigkeit von fortlaufender Produktion und Dienstleistung die Untätigkeit der Bürger verhindern. Sie propagieren ein Umdenken: Von der Vorstellung, dass es gerecht ist, wenn jemand für Arbeit Geld bekommt und ungerecht, wenn man Geld ohne Gegenleistung erhält; hin zu der Idee eines Gesamtvermögens der Gesellschaft, zu dem jeder Bürger anteilig berechtigt ist.[12]
Problematisch stellt sich vor allem die Finanzierung dar. Woher soll all das Geld kommen? Es gibt verschiedenste Modelle, prinzipiell haben sie alle den gleichen Ansatz: Die Steuersätze müssten angepasst werden. Damit würden die Arbeitsanreize jedoch wieder kleiner. Denn wer möchte schon arbeiten und auf sein Gehalt Spitzensteuersätze bezahlen, nur damit andere nicht arbeiten müssen?
Ist denn nun die Gesellschaft reif für ein bedingungsloses Grundeinkommen? Eine abschließende Antwort gibt es nicht. Die Diskussion ist aktuell und wird vermutlich noch sehr lange weitergeführt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in Deutschland in den kommenden Jahren ein bedingungsloses Grundeinkommen in Reinstform geben wird. Prinzipiell stellt beispielsweise ja das Kindergeld schon eine verkleinerte Form dessen dar.
Wie die Ökonomik sich im Falle eines bedingungslosen Grundeinkommens tatsächlich verhält und ob es zum gefürchteten Zusammenbruch der Wirtschaft kommen würde, kann nicht verlässlich vorausgesagt werden. Verschiedenste Organisationen versuchen jedoch, Informationen zu sammeln um Aussagen machen und Abschätzungen treffen zu können.
Eine davon ist die gemeinnützige Organisation „Mein Grundeinkommen“, die mehrmals pro Jahr Grundeinkommen in Höhe von 1000€ monatlich (begrenzt für 12 Monate) verlost. Die Verantwortlichen haben nicht den Anspruch aus ihrem Pilotprojekt wissenschaftlich fundierte Daten zu liefern, stattdessen möchten sie Beispiele schaffen[13] und zeigen, wie sich das Leben von Menschen durch ein Grundeinkommen positiv verändern kann.[14]
Wer also ganz persönlich die Erfahrung eines garantierten und bedingungslosen Grundeinkommens machen möchte, kann sich unter https://www.mein-grundeinkommen.de/ kostenlos für die regelmäßigen Verlosungen registrieren.[15]
Weiterführende Literatur zum Thema findet der interessierte Leser beim Basic Income Earth Network unter http://www.basicincome.org/ und unter https://www.grundeinkommen.de/die-idee/literatur.
[1] Vgl. http://cyprus-mail.com/2013/07/26/president-announces-guaranteed-minimum-income-for-all-citizens/ (24.07.2016).
[2] Vgl. http://www.basicincome.org/basic-income/ (24.07.2016).
[3] Vobruba, G.: 1985, S. 41-63.
[4] Vgl. Brynjolfsson, E./McAfee, A.: 2014.
[5] Vgl. http://blogs.marketwatch.com/thetell/2014/05/12/driverless-cars-may-boost-binge-drinking-destroy-jobs-says-latest-freakonomics-book/ (24.07.2016).
[6] Vgl. http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/schweizer-lehnen-bedingungsloses-grundeinkommen-ab (24.07.2016).
[7] Vgl. https://www.theguardian.com/world/2015/dec/26/dutch-city-utrecht-basic-income-uk-greens (24.07.2016).
[8] Vgl. https://givedirectly.org/basic-income (24.07.2016)
[9] Vgl. http://www.basicincome.org/news/2015/11/spain-podemos-reintroduces-basic-income-in-its-electoral-program/ (24.07.2016).
[10] Vgl. http://www.reuters.com/article/us-finland-basicincome-idUSKCN0WW1RB (24.07.2016)
[11] Vgl. http://www.nachdenkseiten.de/?p=1941 (24.07.2016).
[12] Vgl. http://www.archiv-grundeinkommen.de/netzwerk/newsletter-nov-2006/raetz.pdf (24.07.2016)
[13] https://www.mein-grundeinkommen.de/faq/projekt (24.07.2016).
[14] https://www.mein-grundeinkommen.de/blog (24.07.2016).
[15] https://www.mein-grundeinkommen.de/register (24.07.2016).
Bildnachweis:
Beitragsbild. Quelle: https://pixabay.com/de/euro-banknote-geld-w%C3%A4hrung-500-1205315/
Abb. 1. Quelle: https://pixabay.com/de/hand-roboter-mensch-uhr-zeit-1571846/
Abb. 2. Quelle: https://pixabay.com/de/teamgeist-teamwork-euro-silhouette-207319/
Quellen:
„Das unbedingte und universelle Grundeinkommen stellt keine realistische Alternative zur Reform des deutschen Sozialstaats dar. URL: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1941 (24.07.2016).
Basic Income. URL: http://www.basicincome.org/basic-income/ (24.07.2016).
Basic-Income. URL: https://givedirectly.org/basic-income (24.07.2016).
Blog. URL: https://www.mein-grundeinkommen.de/blog (24.07.2016).
Brynjolfsson, E. A.: The second machine age: Work, progress, and prosperity in a time of brilliant technologies. WW Norton & Company. 2014.
Driverless cars may boost binge drinking destroy jobs. URL: http://blogs.marketwatch.com/thetell/2014/05/12/driverless-cars-may-boost-binge-drinking-destroy-jobs-says-latest-freakonomics-book/ (24.07.2016).
Dutch city utrecht basic income. URL: https://www.theguardian.com/world/2015/dec/26/dutch-city-utrecht-basic-income-uk-greens (24.07.2016).
Finland basicincome. URL: http://www.reuters.com/article/us-finland-basicincome-idUSKCN0WW1RB (24.07.2016).
Geschichte des Grundeinkommen. URL: https://www.grundeinkommen.de/die-idee/geschichte (24.07.2016).
Newsletter November 2006. URL: http://www.archiv-grundeinkommen.de/netzwerk/newsletter-nov-2006/raetz.pdf (24.07.2016).
President-announces-guaranteed-minimum-income-for-all-citizens. URL: http://cyprus-mail.com/2013/07/26/president-announces-guaranteed-minimum-income-for-all-citizens/ (24.07.2016).
Projekt. URL: https://www.mein-grundeinkommen.de/faq/projekt (24.07.2016).
Schweizer lehnen bedingungsloses Grundeinkommen-ab. URL: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/schweizer-lehnen-bedingungsloses-grundeinkommen-ab (24.07.2016).
Podemos reintroduces basic income in its electoral program. URL: http://www.basicincome.org/news/2015/11/spain-podemos-reintroduces-basic-income-in-its-electoral-program/ (24.07.2016).
Verlosung. URL: https://www.mein-grundeinkommen.de/register (24.07.2016).
Vobruba, G.: Arbeiten und Essen. Die Logik im Wandel des Verhältnisses von gesellschaftlicher Arbeit und existentieller Sicherung im Kapitalismus. In S. L. Tennstedt, Politik der Armut und Die Spaltung des Sozialstaates (S. 41-63). Suhrkamp Verlag. Frankfurt/Main 1985.
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