Als praktizierende Logopädin arbeite ich viel mit älteren Menschen in Pflegeheimen zusammen. Jeden Tag begegnen mir Stress, Unzufriedenheit und Ärzte, die den Sanktionen der Krankenkassen unterworfen sind.
Ohhhh, es gäbe so viele Dinge, die ich erzählen könnte und dies vielleicht auch noch machen werde, aber in diesem Artikel will ich mich auf einen Satz konzentrieren, der mich so bewegte, sodass ich ihn hier nun veröffentlicht werden.
Den schlimmsten Satz, den ich je von einem Arzt zu hören bekam war folgender: „Lohnt es sich wirklich bei Herrn G. (84 Jahre) denn überhaupt noch eine Schlucktherapie zu machen, denn so wie es aussieht, verbleibt ihm nicht mehr allzu viel Zeit. Für die weiterführenden Nahrungsaufnahme, wäre doch auch eine Magensonden eine Option!?“
Hierzu muss man wissen, dass eine logopädische Schlucktherapie eine therapeutische Maßnahme beinhaltet, die den Patienten die orale Nahrungsaufnahme wieder ermöglichen soll. Eine Magensonde hingegen bedeutet einen Zugang in den Magen zu bekommen, durch den flüssige Nahrung dreimal täglich in den menschlichen Körper gepumpt wird. Die Patienten dürfen hierbei weder Nahrung, noch Flüssigkeit durch den Mund zu sich nehmen.
Also war die Aussage des behandelnden Arztes für mich absolut schockierend!!!!
Man zahlt sein Leben lang Beiträge in die Krankenkassen ein, will sich gesund halten und sorgt für das Altwerden vor. Ein Schicksalsschlag und man ist von den Ratschlägen und Entscheidungen anderer abhängig. Wird man im höheren Alter tatsächlich so wie Herr G. einfach auf ein Abstellgleis gestellt, um darauf zu warten, dass der letzte Atemhauch vergeht?
Versteht man das unter einem würdevollen Altern?
Tagtäglich erlebe ich in den Alten-und Pflegeheimen, wie unwürdevoll die älteren Menschen behandelt werden. Lange Liegezeiten im Bett, da sich die Menschen nicht mehr selbst mobilisieren können, volle Windeln, da Pfleger davon ausgehen, es macht den Alten nichts aus oder Bewohner, die nicht mehr eigenständig essen können und von Pflegern das Essen wie Schluckmaschinen eingegeben bekommen.
Dieser Anblick lässt mich an solchen Institutionen stark zweifeln. Man bekommt den starken Eindruck, dass die Alten-und Pflegeheime offensichtliche Endstationen des Lebens sind, die dem wartenden Mann auf der Bank gleichkommen.
So möchte ich bestimmt nicht alt werden.
Doch welche Alternativen gibt es?
Bevor Alternativen dargestellt werden, soll zunächst aufgezeigt werden, wieviel ein Platz im Altenheim monatlich kostet.
In dem folgenden Diagramm kann man verschiedene Pflegestufen und deren Finanzlücke=zu zahlender Eigenanteil sehen. Je höher die Pflegestufe ist, desto mehr Pflege und Betreuung braucht der Patient.
Abbildung 1
Die niedrigste Pflegestufe kostete im Jahr 2011 für ein Aufenthalt im Pflegeheim monatlich 2500,- €. Davon übernahm die Kasse 1.023,- € und der monatliche Eigenanteil, den man selbst zahlen musste, lag bei 1.477,-€.
Laut einer Statistik der deutschen Rentenversicherung geht hervor, dass die durchschnittliche Rentenversorgung 2011 bei Männern bei 1.071,-€ lag und bei Frauen bei 555,-€!!!
Ergo, Pflegeheime können vom durchschnittlichen Bundesbürger allein nicht gezahlt werden. In der Regel zahlen die Angehörigen den restlichen offenen Betrag, welcher eine hohe monatliche Belastung ist. Bei dieser Summe gehen Betroffenen und Angehörige natürlich auch davon aus, dass sie dafür eine gute Versorgung bekommen, was mit der Realität oft nicht übereinstimmt.
Da ich einen guten Einblick in die Versorgung von Pflegeheimen habe, kann ich behaupten, dass dies meist nicht der Fall ist. Das Personal mag freundlich sein, ist aber oft massiv überfordert.
Doch jetzt will ich die häufigsten Alternativen kurz beschreiben, damit man sieht, dass Altwerden auch durchaus würdevoll sein kann.
1. Betreutes Wohnen
Das betreute Wohnen dient älteren Menschen, die noch überwiegend selbstständig in ihrem Leben sind. Entweder mieten sich die Personen eine neue Wohnung, da diese meist barrierefrei sind oder im Idealfall können sie zu Hause bleiben, da ihre Wohnung bereits barrierefrei eingerichtet ist. Betreut meint hier, dass sie mit einem Pflegedienst einen Vertrag schließen, bei dem sie neben der Pflege zusätzlichen Anspruch auf Inklusivleistungen haben. Diese können zum Beispiel sein: Reinigungsleistungen oder Lebensmittel-/Essensversorgung. Entscheidend ist dabei, dass der Wunsch nach der persönlichen Eigenständigkeit und dem eigenen vier Wänden erfüllt werden kann.
Die Eigenständigkeit im Alter scheint einer der wichtigsten Faktoren zu sein. Dies bestätigt auch die folgende Umfrage, welche deutlich ausfiel. Es wurden 1000 Leute in Deutschland befragt, die 45 Jahre oder älter waren. Mit der Frage: „Welche Art des Wohnens würden Sie im Alter bevorzugen?“ kamen folgende Ergebnisse hervor:
Abbildung 3
Somit sind sich 80% der Deutschen einig, dass sie sich das Altwerden in den eigenen vier Wänden vorstellen. Als zweit häufigste Wahlmöglichkeit steht die Wohngemeinschaft, die folglich dargestellt wird.
2. Wohngruppen
Die meist selbst organisierte Form der Wohngruppen ermöglicht es älteren Menschen beispielsweise in einem Wohnkomplex ein eigenes Zimmer oder eine kleine Wohnung zu haben. In diesem Wohnkomplex stehen Gemeinschaftszimmer zur Verfügung, die von allen Bewohnern genutzt werden können. Zudem können, wie beim betreuten Wohnen ambulante Dienste in Anspruch genommen werden, die z.B. Haushaltsleistungen abnehmen. Ältere Menschen können so ihren Lebensabend gemeinsam und selbstbestimmt verbringen.
3. Mehrgenerationenhäuser
Die dritte Alternative sind Mehrgenerationenhäuser.
Wie der Name schon sagt, leben in einem Mehrgenerationenhaus mehrere Generationen gemeinsam in einem Wohnkomplex. Das Konzept dahinter sieht ein integriertes Leben aller Generationen vor, die den Kinder, den Jugendliche, den Erwachsene, den jungen Alten und den Hochbetagten ein gemeinschaftliches Angebot an Aktivitäten bietet, um möglichst alle darin zu integrieren.
Des Weiteren sieht das Konzept sieben verschiedene Handlungsfelder vor, die ein Mehrgenerationenhaus abdecken sollte:
1. Generationsübergreifenden Angebote
2. Einbeziehung aller Lebensalter
3. Offener Tagestreff
4. Stärkung des freiwilligen Anteilnahme
5. Einbeziehung der ortsansässigen Wirtschaft
6. Kinderbetreuung
7. Entwicklung zur Informations-und Dienstleistungsdrehscheibe vor Ort
Allein der Einsatz einer Kommune für ein Mehrgenerationenhaus zeigt, dass es von der Gesellschaft unterstützt wird, ältere Menschen zu integrieren, statt sie in ein Heim abzuschieben.
Die verschiedenen Generationen unterstützen sich gegenseitig und profitieren auch voneinander. Für ältere Menschen kommt hier ein ganz entscheidender Faktor dazu: sie fühlen sich gebraucht. Dieses Gefühl ist gerade beim Altwerden für das Selbstwertgefühl außerordentlich wichtig.
Fazit
Wie schon zu Anfang erwähnt, habe ich regelmäßigen Kontakt mit alten Menschen. Sie wollen nicht abgeschoben werden. Sie möchten weiterhin ein Teil der Gesellschaft sein. Sie wollen sich austauschen. Sie wollen sich nicht zurückziehen und ausgegliedert werden, sondern auch im Alter ihr Leben leben und genießen.
Daher sehe ich persönlich in den Alten-und Pflegeheimen keine Zukunft. Und vor allem steht für mich fest, dass ich nicht auf diese Weise alt werden will.
Meinen Lebensabend will ich in Würde leben und nicht alleine auf einer Bank absitzen und warten, bis es vorbei ist.
Bildquellen
https://pixabay.com/de/person-alte-frau-oma-senior-731423/
https://pixabay.com/de/h%C3%A4nde-alte-jung-halten-pflege-216981/
Abbildung 1: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196945/umfrage/kosten-eines-pflegeheimplatzes-in-deutschland/
Abbildung 2: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/238449/umfrage/bevorzugte-art-des-wohnens-im-alter-in-deutschland/
Literatur
Kremer-Preiß, U./ Stolarz, H.: Leben und Wohnen im Alter. Neue Wohnkonzepte für das Alter und praktische Erfahrungen bei der Umsetzung. Eine Bestandsanalyse. Bertelmanns Stiftung. Köln. 2003. S. 16-19.
(o.V.): Wo Menschen aller Generationen sich begegnen. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin. 2013. S. 12-24.
Staats, M./ Gess, C./ Henkel, A.: Aktionsprogramm Mehrgenerationenhaus. In: Emminghaus, C. (Hrsg.): Lokale Infrastruktur für alle Generationen. Ergebnisse aus dem Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser. W. Bertelsmann Verlag. Bielefeld 2012. S. 16f.