Wir ahnten es alle in der Familie, doch trotzdem war es wie ein Schlag in unsere Gesichter. Meine Oma bekam nun offiziell vom Neurologen die Diagnose „Gemischte Demenz“. Doch wie kamen wir eigentlich darauf, dass meine Oma dement sein könnte? Und wie diagnostiziert ein Neurologe diese Krankheit? Darüber soll der folgende Beitrag Aufschluss geben und zudem praktische Tipps im Umgang mit Demenzkranken bieten.
Daten und Fakten
Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung in Deutschland nimmt die Zahl Demenzkranker tendenziell immer stärker zu, was auch die folgende Grafik verdeutlicht. Bis zum Jahr 2050 soll sich die Zahl der Demenzkranken im Vergleich zur aktuellen Zahl knapp verdoppeln.[1]
Dies ist mindestens ein Grund dafür, dem Thema Demenz näher auf den Zahn zu fühlen. Zudem findet sich bei mir gegenwärtig die persönliche Betroffenheit mit meiner Großmutter wieder, die mich immer wieder zu Büchern rund um Demenz greifen lässt.
Vorweg möchte ich erwähnen, dass es nicht „die Demenz“ gibt, wie es derweilen eine weitverbreitete Meinung ist. Es gibt mehrere Formen von Demenzen, wobei die Alzheimer-Demenz mit 60-80%[2] die am stärksten Verbreitete unter den Demenzformen ist, gefolgt von der vaskulären Demenz (ca. 25%).[3] Ein Zusammenspiel der beiden Formen ergibt die „Gemischte Demenz“, welche bei meiner Oma vorliegt. Weitere Demenzen (Frontotemporale Demenz, Lewy-Körper-Demenz, Demenz bei Morbus Parkinson oder sekundäre Demenzen) sind weniger stark verbreitet.[4]
Der Begriff Demenz (auch dementielles Syndrom) schließt verschiedenartige Folgen von Erkrankungen ein, welche Symptome wie eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit, aber auch den Verlust von sozialen, kognitiven und emotionalen Kompetenzen sowie motorische Unruhe beinhalten.[5] Nachfolgend genannte Faktoren können für Angehörige, welche eine Demenz bei einer nahestehenden Person vermuten, eine Hilfestellung bei ihren Beobachtungen sein. Dabei bestehen diese Krankheitsanzeichen über mindestens sechs Monate hinweg und verschlechtern sich fortschreitend[6]:
- Nachlassen der Gedächtnisleistung – z.B. können neue Informationen schlecht aufgenommen und erinnert werden. Dies ist erkennbar durch wiederholtes Stellen der gleichen Fragen, Vergessen von Terminen, Orientierungsschwäche in der bekannten Umgebung
- Veränderungen bezüglich der Persönlichkeit: Beeinträchtigung der emotionalen Kontrolle, verminderte Motivation und Initiative, Verlust des Einfühlungsvermögens, Zunehmendes Misstrauen
- Negative Entwicklung des Sprachvermögens
- Beeinträchtigtes Urteilsvermögen beim Treffen von Entscheidungen
Der Weg zur Diagnose
Sollten diese genannten Anzeichen insbesondere bei Personen im Alter ab 65 Jahren vermehrt auftreten, empfiehlt es sich, einen Arzt zu konsultieren. Dabei kommt zunächst der Hausarzt in Frage, jedoch wird dieser bei ähnlichem Verdacht zu einem Facharzt überweisen aufgrund dessen, dass die dafür notwendigen Kompetenzen weit über die hausärztlichen Fähigkeiten hinausreichen. Fachärzte für Demenz stammen aus den Bereichen Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie.[7]
Bei einem Erstbesuch finden zunächst ärztliche Gespräche sowohl mit dem Betroffenen als auch mit den Angehörigen bzw. den Pflegenden sowohl bezüglich der bisherigen Erkrankungen als auch bezüglich der Symptome im Hinblick auf die Alltagsbewältigung, das Verhalten des Patienten und dessen geistige Leistungsfähigkeit statt (sog. Anamneseerhebung).[8] Zudem werden auch psychologische Tests durchgeführt, welche besonders wichtig bei der Erstdiagnostik sind und dem Arzt eine grobe Orientierung bieten. Dabei werden unter anderem Erinnerungsfähigkeit, zeitliche und räumliche Orientierung, Aufmerksamkeit sowie das Sprachverständnis des Patienten überprüft.[9]
Sowohl eine Blutabnahme als auch eine Hirnwasseruntersuchung können dem Arzt weitere Hinweise zur Diagnose geben – sei es über weitere bislang unergründete Erkrankungen wie auch über bestimmte Eiweißstoffkonstellationen im Hirnwasser, welche beispielsweise auf eine Alzheimer-Demenz hinweisen.[10] Um weitere Merkmale feststellen beziehungsweise andere Krankheiten ausschließen zu können, bieten sich Bildgebende Verfahren an wie beispielsweise die Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie (MRT), bei welchen Bilder vom Gehirn gemacht werden. Diese lassen Durchblutungen sowie Stoffwechselprozesse im Gehirn sichtbar machen. Im weiteren Verlauf der Krankheit kann durch dieses Verfahren von Zeit zu Zeit bei der Alzheimer-Demenz eine Verkleinerung des Hippocampus vorgefunden werden.[11] Bei der vaskulären Demenz, die durch einen oder mehrere kleinere Schlaganfälle ausgelöst wird, können Blutgerinnsel oder Verdickungen der Arterien sichtbar werden.[12]
Praktische Anregungen für den Umgang mit Demenzkranken
Es gibt unzählige Ratgeber für Angehörige Demenzkranker, wie der Umgang mit Betroffenen bestmöglich gelingen kann. Jeder Demenzkranke ist natürlich ein Individuum und es gilt stets, individuell auf ihn einzugehen. Dennoch können folgende Tipps, wie auch ich sie im Kontakt mit meiner Oma immer wieder versuche zu beherzigen, die Beziehung zu Betroffenen erleichtern:
- Ruhe bewahren und Hetze vermeiden
Dadurch, dass viele Alltagsaktivitäten von Demenzkranken mit der Zeit nur noch langsam ausgeführt werden können, müssen Angehörige ihnen die notwendige Zeit gewähren, um nicht in Stress zu geraten. Die Geschwindigkeit bei Unterhaltungen sowie beim Aus- und Anziehen von Kleidung darf gemäßigter sein, um Ruhe auszustrahlen.
- Kritik unterlassen und bestätigend Rückmeldungen geben
Das Aufmerksam machen auf Fehlern und lautstarkes Zurechtweisen belasten die Beziehung zu Demenzkranken stark. Ihr Selbstvertrauen wird durch Kritik weiter geschwächt und oftmals können sie diese aufgrund ihrer Erinnerungsfähigkeit auch nicht richtig deuten. Daher müssen Fehler als solche toleriert werden und dagegen Lob und bestätigende Worte Einzug in die Kommunikation erhalten wie beispielsweise „Ja, du hast völlig Recht“ – wenn diese anfangs auch sehr schwer von den Lippen gehen.[13]
- Gezielt Impulse setzen
Antriebslosigkeit und eingeschränkte Eigeninitiative sind Anzeichen einer Demenz. Daher ist es umso wichtiger, von außen bewusst zu motivieren und den Alltag so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten – je nach Stadium und motorischen Fähigkeiten sind Spaziergänge, gemeinsames Kuchenbacken, Blättern im Fotoalbum, Besuche bei Bekannten, Basteln, Musik hören, Spiele spielen sowie unzählige weitere Aktivitäten denkbar.
Fazit und Ausblick
Der Umgang mit Demenzkranken ist gewiss nicht immer einfach. Gerade mit fortschreitendem Verlauf der Krankheit sind verstärkt Geduld, Zeit und starke Nerven von der Familie, von pflegenden Angehörigen oder dem Pflegepersonal im Heim gefragt. Wichtig ist es für Angehörige, sich frühzeitig nötige Zusatzhilfe zu beschaffen, damit auch die Freiräume der Angehörigen nicht beeinträchtigt werden. Denn nur wer als Angehöriger sich selbst richtig und ausreichend pflegt, kann auch andere gut pflegen.