By Published On: 2. März 2017Categories: Gesundheit, Psychologie, Wirtschaft

Wie im Folgenden veranschaulicht wird, ist Neuro Enhancement oder auch Hirndoping ein sehr brisantes Thema mit einer unerwartet hohen Prävalenzrate, nicht nur in Amerika. Beispielsweise wurde in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift im Jahr 2013 eine Studie veröffentlicht, in der die Anzahl an Studenten, die in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Drogen zur Steigerung der kognitiven Leistung konsumiert haben, gemessen wurde. Die an der Universität Mainz stattgefundene Studie, umfasst insgesamt 2.569 Studenten und wurde mit Hilfe eines Fragebogens, der die Randomisierte-Antwort-Technik angewandt hat, durchgeführt. Die Prävalenzrate lag dabei bei 20%,[1] was die Ergebnisse vorheriger, im kleineren Rahmen durchgeführten Studien, bei weitem übertrifft.

Bevor jedoch näher auf für Neuroenhancement geeignete Präparate und dessen Potenziale und Risiken eingegangen wird, muss der Begriff zunächst definiert werden.

 

Definition Neuroenhancement

Lieb empfiehlt zunächst eine Abgrenzung der Begriffe Neuroenhancement und Hirndoping, wobei er Neuroenhancement als weitläufigen Begriff betrachtet, der nicht nur die kognitive Leistungssteigerung umfasst, sondern sich auf das gesamte Nervensystem bezieht. Unter Hirndoping versteht er dagegen die Applikation verschreibungspflichtiger Medikamente zur Optimierung der Leistungsfähigkeit für Gesunde.[2] Unter Äußerung von Kritik an Liebs Definition des Hirndopings schlagen die Autoren Moesgen und Klein folgende Definition vor und wählen Pharmakologisches Neuroenhancement als treffenden Begriff. Sie bezeichnen pharmakologisches Neuroenhancement als den „Versuch gesunder Menschen, die Leistungsfähigkeit des Gehirns und/oder ihr psychisches Wohlbefinden durch die Einnahme von verschreibungspflichtigen Medikamenten oder illegalen Stimulanzien zu verbessern.“[3] Dabei kommt es darauf an, dass der Substanzkonsum weder ärztlich verordnet ist, noch hedonistischen Gründen zugrunde liegt. Zudem darf die Applikation nicht medizinisch indiziert und das Präparat nicht frei und legal erhältlich sein.[4]

 

Motive für den Konsum

Wie weiter oben erläutert, kamen in letzter Zeit immer mehr Menschen und insbesondere Studenten mit Neuroenhancement in Kontakt. Zudem sind Experten der Meinung, die Zahl der Gesunden, die kognitionsfördernde Präparate konsumieren, werde in den nächsten Jahren weiter ansteigen.

Da stellt sich die Frage, aus welcher Intention heraus Menschen zu diesen Mitteln greifen. Als Hauptmotive sind hier das Verlangen nach Optimierung der Konzentrationsfähigkeit und des Gedächtnisses und eine Verminderung der Aufregung und Nervosität zu nennen. Darüber hinaus ist ein entstehender sozialer Druck auf den Einzelnen nicht abzuweisen. Durch den zunehmenden Leistungs- und Konkurrenzdruck können sich Individuen, die diesen Präparaten negativ gegenüberstehen, benachteiligt fühlen, da einerseits die Anforderungen immer weiter steigen und andererseits Kommilitonen und andere Konkurrenten ebenfalls Zugang zu diesen Substanzen haben.

 

Präparate

Neben dem allseits bekannten Wirkstoff Coffein, werden noch viele weitere Substanzen für Neuroenhancement benutzt.

Beispielsweise wird hier auf Antidementiva (Medikamente zur Behandlung von Alzheimer), Betablocker (Behandlung des Bluthochdrucks), Methylphenidat (Behandlung von ADHS) oder auch Modafinil (Behandlung von Narkolepsie) zurückgegriffen.[5]

Aus Gründen des eingeschränkten Umfangs wird sich der restliche Artikel auf die Gruppe der Psychostimulanzien fokussieren. Dabei werden die Präparate Koffein, Methylphenidat und Modafinil und deren Wirkungsweisen und Risiken miteinander verglichen. Koffein zählt zwar gemessen an der oben genannten Definition nicht zum Neuroenhancement, nichtsdestotrotz wird dieser Wirkstoff vorgestellt, um einen Vergleich zu der verhältnismäßig harmlosen Substanz bieten zu können.

Die Weltgesundheitsorganisation zählt zu den (Psycho)-stimulanzien jegliche Wirkstoffe, die verstärkende oder aktivierende Auswirkungen auf die Nervenaktivität haben. Demnach fallen in diese Gruppe unter anderem die Wirkstoffe Methylphenidat, Coffein, Modafinil und auch Nikotin.[6]

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  • Koffein

Koffein ist ein in vielen Pflanzenarten, wie dem Kaffee, Guarana, Mate und Tee vorkommender Inhaltsstoff. Der Wirkstoff wird üblicherweise im Bereich von 50-200mg dosiert und entfaltet eine zentral stimulierende Wirkung auf das Nervensystem. Dies gelingt durch eine Blockierung der Adenosinrezeptoren, welche die Ausschüttung zentraler Neurotransmitter dämpfen. Die stimulierende Wirkung resultiert dabei in einer Steigerung des Konzentrationsvermögens, der Lernfähigkeit, der motorischen Fähigkeiten und der Leistungsbereitschaft. Darüber hinaus werden Müdigkeitserscheinungen vermindert und die Stimmung optimiert. Aufgrund der psychoaktiven Wirkung und einer Toleranzbildung bei regelmäßiger Applikation kann eine Abhängigkeit, einhergehend mit Entzugssymptomen nicht ausgeschlossen werden.[7]

  • Methylphenidat

Methylphenidat, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin, „wirkt als zentralnervöses Stimulans durch eine Blockade des Dopamin-Transporter-Systems im Nervensystem.“[8] Der Konsum des Wirkstoffes ohne medizinische Indikation bewirkt bei manchen einen unpräzisen Leistungs- oder Konzentrationsschub.[9] Darüber hinaus konnte in einer placebokontrollierten Studie bei der Gabe von 20 und 40mg Methylphenidat an Gesunde eine signifikant verbesserte Gedächtniskonsolidierung nachgewiesen werden.[10] Es ist jedoch, insbesondere bei missbräuchlicher Applikationsform und -menge auf ein Abhängigkeitspotential und Nebenwirkungen, die bis hin zu Halluzinationen und ausgelassener Euphorie reichen können, hinzuweisen.[11]

  • Modafinil

Der eigentlich gegen Narkolepsie entwickelte Wirkstoff Modafinil wird zur Optimierung der Wachheit genutzt. Seine Wirkweise ist nicht feststehend geklärt, es wird jedoch von einer Beeinflussung der Dopamin- und Noradrenalinaktivität ausgegangen.[12] Unter Neuro-Enhancern ist Modafinil sehr beliebt und auch die Forschung hat sich dieses Themas bereits mehrmalig angenommen. So konnten für gesunde Menschen unter anderem positive Auswirkungen auf das Erinnerungs- & Arbeitsgedächtnis und die Vigilanz (Daueraufmerksamkeit) nachgewiesen werden.[13] Auch eine Metastudie mit 24 Studien konnte positive Effekte auf die Entscheidungsfindung, Organisationstätigkeiten und die kognitiven Funktionen bestätigen, jedoch nur bei komplexen Aufgaben. Bei der Bearbeitung simpler Aufgaben hingegen konnte kein verbesserter Effekt nachgewiesen werden.[14] Was den Kosten-Nutzen-Faktor und die Nebenwirkungen anbelangt, kam der Ausschuss für Humanarzneimittel zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit die Risiken nur bei Narkolepsie-Patienten übersteigt. Allen anderen ist von der Nutzung von Modafinil abzuraten, was durch möglicherweise auftretende Nebenwirkungen, wie schwerwiegenden Hautreaktionen, Depression, Suizidgedanken, Bluthochdruck und auch Herzrhythmusstörungen begründet wird.[15]

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Fazit

Abschließend bleibt zu sagen, dass letztendlich jeder für sich selbst den Nutzen und die Gefahren abwägen muss. Fakt ist jedoch, dass insbesondere was Langzeitfolgen angeht, keinerlei Studien vorliegen, weshalb in jedem Fall davon abzuraten ist, diese Präparate langfristig und regelmäßig zu konsumieren. Doch auch seltener Konsum kann bereits psychische Folgen haben oder allergische Reaktionen hervorrufen.

Hinzukommend ist die bekannte Substanz Coffein eine hervorragende Alternative, da sie gut beforscht wurde und ebenfalls eine stimulierende, anregende Wirkung aufweist.

 

Quellenverzeichnis

[1] Vgl. Dietz, P./et al.: 2013, S.44-50.

[2] Vgl. Lieb, K.: 2010, S.25.

[3] Moesgen, D./Klein, M.: 2015, S. 16.

[4] Vgl. Moesgen, D./Klein, M.: 2015, S. 14ff.

[5] Vgl. Gehirn & Geist (01. März 2017), http://www.gehirn-und-geist.de/.

[6] Vgl. (o.A.): 1994, S.59f.

[7] Vgl. Ernährungsumschau (01. März 2017), https://www.ernaehrungs-umschau.de/.

[8] Stangl-Taller, (01. März 2017), http://www.stangl-taller.at/, S.1

[9] Vgl. Stangl-Taller (01. März, 2017), http://www.stangl-taller.at/, S.1.

[10] Vgl. Linssen, A.M.W./Vuurman, E.F.P.M./Sambeth, A./Riedel, W.J.: 2012, S.611-619.

[11] Vgl. Stangl-Taller (01. März, 2017), http://www.stangl-taller.at/, S.1.

[12] Vgl. Europäische Arzneimittel-Agentur (01. März, 2017), http://www.ema.europa.eu/ema/.

[13] Vgl. Minzenberg, M.J./Carter, C.S.: 2008, S.1477-1502.

[14] Vgl. scinexx (01. März, 2017), http://www.scinexx.de/.

[15] Vgl. Europäische Arzneimittel-Agentur (01. März, 2017), http://www.ema.europa.eu/ema/.

 

Abbildungsverzeichnis

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/doping-271623/

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Literatur

  • Dietz, P./Striegel, H./Franke, A. G./Lieb, K./Simon, P./Ulrich, R. (2013), Randomized response estimates for the 12-month prevalence of cognitive-enhancing drug use in university students, Pharmacotherapy, 33. Jg., Nr. 1, S. 44–50.
  • Lieb, K. (2010), Hirndoping. Warum wir nicht alles schlucken sollten, Mannheim.
  • Linssen, A. M. W./Vuurman, E. F. P. M./Sambeth, A./Riedel, W. J. (2012), Methylphenidate produces selective enhancement of declarative memory consolidation in healthy volunteers, Psychopharmacology, 221. Jg., Nr. 4, S. 611–619.
  • Minzenberg, M. J./Carter, C. S. (2008), Modafinil: a review of neurochemical actions and effects on cognition, Neuropsychopharmacology : official publication of the American College of Neuropsychopharmacology, 33. Jg., Nr. 7, S. 1477–1502.
  • Moesgen, D./Klein, M. (2015), Neuroenhancement, Stuttgart.
  • (o.A.) (1994), Lexicon of alcohol and drug terms, Geneva.

 

Internetquellen

  • Frater, H., scinexx | Gehirndoping: Modafinil funktioniert: Metastudie bestätigt Wirkung – aber nur bei komplexeren kognitiven Leistungen, in: http://​www.scinexx.de​/​wissen-aktuell-19214-2015-08-20.html, abgerufen am 1. 3. 2017.
  • Galert, T. a. (2009), Neuro-Enhancement. Das optimierte Gehirn, in: http://​www.gehirn-und-geist.de​/​fm/​976/​Gehirn_​und_​Geist_​Memorandum.pdf, abgerufen am 1. 3. 2017.
  • Stangl, W. (2005), Ritalin und ADHS aus psychologischer Sicht, in: http://​www.stangl-taller.at​/​PSYCHOLOGIE/​Ritalin.pdf, abgerufen am 1. 3. 2017.
  • Weiß, C. (2007), Koffein, in: https://​www.ernaehrungs-umschau.de​/​fileadmin/​Ernaehrungs-Umschau/​pdfs/​pdf_​2007/​04_​07/​EU04_​210_​215.pdf, abgerufen am 1. 3. 2017.
  • (o.A.) (2011), Fragen und Antworten zu der Überprüfung von Modafinil-haltigen Arzneimitteln, in: http://​www.ema.europa.eu​/​docs/​de_​DE/​document_​library/​Referrals_​document/​Modafinil_​31/​WC500099177.pdf, abgerufen am 1. 3. 2017.

 

 

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