By Published On: 6. August 2017Categories: Psychologie, Wirtschaft

Im April dieses Jahres fand der Women20-Gipfel in Berlin statt, unter anderem mit Ivanka Trump, Christine Lagarde und Angela Merkel. Ziel dieses Netzwerkes ist die wirtschaftliche Stärkung von Frauen als integralen Bestandteil der G20-Prozesse zu etablieren.[1] Doch wieso wird eigentlich noch immer so ein großes Aufsehen um die Förderung von Frauen in der Arbeitswelt gemacht? Immerhin hat sich doch einiges geändert – so nehmen beispielsweise Männer verstärkt Elternzeit in Anspruch und eine Frau regiert unser Land.[2] Auf den ersten Blick scheint die Welt in Ordnung, doch wie sieht es tatsächlich mit Frauen in Führungspositionen in unserer Wirtschaft aus? In der Europäischen Union existieren derzeit etwa 7,3 Millionen Führungspositionen. Davon sind 4,7 Millionen Positionen mit Männern (entspricht 65 Prozent) und 2,6 Millionen Positionen mit Frauen (entspricht 35 Prozent) besetzt. Im Vergleich der EU-Länder zeigt sich zudem eine große Spanne im Anteil der Frauen in Führungspositionen. Lettland führt das Ranking mit einem Anteil von 53 Prozent an;  Deutschland belegt mit einem prozentualen Anteil von 22 Prozent einen der hintersten Plätze.[3] Es ist also noch viel Raum für Verbesserungen, sowohl auf europäischer, als auch nationaler Ebene. Doch woran liegt es nun, dass Frauen trotz gleichem Bildungsstand scheinbar (immer noch) nicht in die Ebene der Führungskräfte gelangen?

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die prominenteste und augenscheinlich einfachste Antwort auf diese Frage ist das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Per se wird noch heute der Frau die Rolle der Mutter und Hausfrau zugeschrieben, während der Mann als Versorger fungiert. Im Jahr 2014 haben in diesem Zusammenhang noch 60% der Deutschen die Meinung vertreten, das Familienleben würde leiden, wenn die Frau einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachkäme. Die Rollenzuweisung wird zudem von der Zeitverwendungsstudie unterstrichen. Noch in den Jahren 2012 und 2013 haben Frauen am Tag 165 Minuten mehr Zeit in den Haushalt und die Familie investiert als Männer.[4] Vor diesem Hintergrund ist es gut nachvollziehbar, warum Frauen sich der Rollenzuweisung als Mutter und Hausfrau verpflichtet fühlen. Kehren Sie dem widersprechend beispielsweise bereits nach kurzer Elternzeit in den Beruf zurück, gelten sie sowohl bei den Kollegen als auch bei Freunden als „Rabenmutter“. [5] Frauen wägen ihren nächsten Karriereschritt daher genau ab; sie sind grundsätzlich weniger dazu bereit, ihr Leben hauptsächlich dem Beruf zu widmen. Gerne verzichten sie zu Gunsten der Familie auf Beförderungen.[6] Durch die Rollenzuweisung entsteht noch eine weitere Aufstiegsblockade für Frauen: sie impliziert, dass Frauen für Unternehmen ein erhöhtes Kostenrisiko darstellen. Im Alter von Anfang 20 bis Mitte 30 besteht -aus unternehmerischer Sicht- das Risiko, dass Frauen Kinder gebären. Damit verlassen sie durch Mutterschutz und Elternzeit für einige Jahre das Unternehmen, was Nachbesetzungen und hohe Anlernzeiten für die Firma bedeuten. Es scheint daher ökonomisch sinnvoll, wenige Frauen einzustellen sowie die Förderung von Frauen so gering wie möglich zu halten, denn die Kosten steigen mit steigender Hierarchieebene an.[7] Doch wie bereits zu Beginn angemerkt, darf man sich von dieser prominenten Antwort nicht täuschen lassen. Es besteht nämlich grundsätzlich ein Mangel von Frauen in Führungspositionen -also auch von kinderlosen Frauen. [8] Daher kann die noch immer bestehende Zuweisung der Geschlechterrollen nicht die einzige Aufstiegsbarriere für Frauen sein.

Notwendige Eigenschaften und Fähigkeiten einer guten Führungskraft

Auch Stereotype hinsichtlich Verhaltensweisen und Fähigkeiten erschweren Frauen den beruflichen Aufstieg. Mit der Rolle einer Führungskraft werden automatisch die Kompetenzen Dominanz, Härte und Selbstbewusstsein verbunden – also genau jene Fähigkeiten, welche Männern von Natur aus zugeschrieben werden.[9] Frauen dagegen gelten als emotional stabil, sensibel und teamfähig.[10] Dementsprechend findet die Behauptung, Frauen könnten grundsätzlich nicht führen, auch heute noch in der Gesellschaft ihre Zustimmung. Die Tatsache, dass es nur eine geringe Anzahl an weiblichen Führungskräften gibt, scheint diesen Mythos aktuell zu belegen -jedoch nur augenscheinlich. Denn tatsächlich bestehen keine anlagebedingten Verhaltensunterschiede, die bereits bei der Geburt beobachtbar bzw. nachweisbar sind. Spätere Verhaltensweisen haben ihren Ursprung also nicht im Geschlecht einer Person, sondern der Erziehung und Sozialisation.[11] Somit sagt das Geschlecht nichts über die Führungskompetenzen aus. Es kann jedoch tatsächlich die Zusammenarbeit mit Kunden außerhalb des westlichen Kulturkreises behindern. Weibliche Führungskräfte gelten hier als nur beschränkt einsatzfähig, da in diesen Ländern die Erwartung besteht, dass Frauen keine Akzeptanz erreichen werden. Die dort vorherrschenden traditionellen Wertevorstellungen könnten dazu führen, dass Verhandlungen scheitern oder erst gar nicht zustande kommen könnten. Diese Tatsache erlangt durch die fortschreitende Internationalisierung einen immer stärkeren, diskriminierenden Einfluss.[12]

Frauen – sind sie ihres Glückes eigener Schmied?

Sind Frauen also tatsächlich unschuldige Opfer überholter Wertevorstellungen und Stereotype? Ökonomische Humankapitaltheoretiker/innen würden diese Frage verneinen. Ihrer Ansicht nach sind Frauen zu einem großen Teil „selbst schuld“, dass sie in gewissen Positionen und Branchen unterrepräsentiert sind. Durch geschlechterspezifische Präferenzen wählen sie die falschen Berufe und Karrierewege, beispielsweise in der Erziehung und Pflege (These der Selbstselektion).[13] Das weibliche Geschlecht scheint bei der Berufs- und Karrierewahl zu großem Teil unter einem chronischen Selbstunterschätzungssyndrom zu leiden. Abhängig von subjektiven Erfolgserwartungen, Selbstvertrauen und der Geschlechterorientierung neigen Frauen dazu, sich in „typisch“ weibliche Branchen und Karrierewege einzuordnen (Selbstwirksamkeitstheorie).[14] Sie scheinen davor zurück zu schrecken, in die Branche und Ebene der Männer aufsteigen zu wollen. Als Minderheit in diesen Positionen implizieren Frauen einen steigenden Leistungsdruck sowie die Furcht, isoliert zu werden und dabei noch viel mehr und noch besser als die männlichen Kollegen arbeiten zu müssen.[15] Dem Prinzip der sozialen Ähnlichkeit nach sind diese Ängste durchaus berechtigt. Männer werden demnach prinzipiell eher ihre männlichen Kollegen fördern und Frauen stattdessen kritisch und misstrauisch beäugen sowie aus ihren Netzwerken ausschließen. [16] Um also akzeptiert und anerkannt zu werden, müssten Führungsfrauen dem Idealbild eines Managers gerecht werden. Erst dann wäre die zuvor beschriebene Furcht der Isolation unberechtigt und ein Zugang zu allen Netzwerken möglich. Diese scheinbar notwendige Konformität mit der dominanten Gruppe der Führungsmänner führt jedoch zu dem sogenannten „Bienenkönigin-Syndrom“ und damit zur Reproduktion frauendiskriminierender Muster durch die Führungsfrau selbst. Strebend nach Anerkennung werden männliche Vorurteile übernommen und andere aufstrebende Frauen als Konkurrenz betrachtet, deren Aufstieg es zu verhindern gilt. Misserfolge der weiblichen Konkurrenz werden automatisch dem Geschlecht der Frau zugeschrieben, der Maßstab für beruflichen Erfolg sind nun die männlichen Kollegen. Während die Männer in den Führungspositionen also stark darauf bedacht sind, ihr Geschlecht zu fördern, scheinen Frauen demnach keinen Fokus auf die Förderung weiblicher Kolleginnen zu legen und tragen damit ihren Teil zur vorliegenden Unterrepräsentanz bei.[17]

Wir brauchen einen Bewusstseins- und Rollenwandel!

Wie die beschriebenen Gründe zeigen, ist ein gesellschaftlicher sowie organisatorischer Bewusstseins- und Rollenwandel notwendig, um mehr Frauen den Aufstieg in Führungspositionen zu ermöglichen. Politik und Unternehmen müssen gemeinsam das Ziel verfolgen, mehr Diversität in das Management zu bringen. Firmen brauchen in der globalisierten und immer komplexer werdenden Wirtschaftswelt verschiedene Perspektiven und Kompetenzen, um Chancen zu erkennen und Risiken zu vermeiden. [18] Frauen haben in dieser Welt keinen Status als Minderheit, sondern decken die Diversität der Kunden, Vertragspartner und auch Bewerber ab.[19] Ein Unternehmen, welches nur Männer im Management beschäftigt, aber damit wirbt die „besten Köpfe“ zu beschäftigen, wirkt äußerst unglaubwürdig und ist zudem in keiner Weise für hochqualifizierte Bewerberinnen attraktiv.[20] Die Notwendigkeit diverser Führungsteams ist dementsprechend sowohl der Wirtschaft, als auch der Politik bekannt. Letztere führte jedoch erst im Jahre 2012 die sogenannte „Herdprämie“ ein, welche unter dem Aspekt der Steigerung der Frauenquote in der Berufstätigkeit stark kritisiert wurde. Im Jahr 2016 erfolgte ein politischer Wandel durch die Einführung einer Frauenquote in den Aufsichtsräten bestimmter Großunternehmen. Auch wenn der Begriff „Quote“ nicht überall auf Zustimmung stößt, so scheinen die ersten politischen Schritte in die richtige Richtung gelegt zu sein. Solch Quotenregelungen dürfen jedoch nicht die grundsätzliche Notwendigkeit einer Änderung struktureller, kultureller und organisatorischer Aspekte verdrängen. Denn wer weiß, vielleicht wäre eine Regelung gar nicht notwendig, wenn gewisse Stereotype nicht bestehen würden?

Quellenverzeichnis

[1] Vgl. G20 Germany 2017 (10.06.2017), www.w20-germany.org

[2] Vgl. Tagesspiegel (08.06.2017), www.tagesspiegel.de

[3] Vgl. Europäische Kommission (28.05.2017), https://ec.europa.eu

[4] Vgl. Deutschlandfunk (24.05.2017), www.deutschlandfunk.de

[5] Vgl. Wippermann, C.: 2010, S. 63

[6] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 77

[7] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 79ff

[8] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 13

[9] Vgl. Wippermann, C.: 2010, S. 44ff

[10] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 90

[11] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 75ff

[12] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 82ff

[13] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 3f

[14] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 796ff

[15] Vgl. Wippermann, C.: 2010, S. 43ff

[16] Vgl. Wippermann, C.: 2010, S. 75

[17] Vgl. Tonn, J. J.: 2016, S. 92

[18] Vgl. Wippermann, C.: 2010, S. 9

[19] Vgl. Tonn, J. J.: 2016,  S. 83

[20] Vgl. Wippermann, C.: 2010, S. 9

 

Abbildungsverzeichnis

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/boss-führungskraft-geschäftsfrau-454867/

https://pixabay.com/de/retro-hausfrau-familie-kochen-1321078/

https://pixabay.com/de/personen-gruppe-silhouetten-mann-365964/

 

Literaturverzeichnis

Tonn, J. J.: Frauen in Führungspositionen. Ursachen der Unterrepräsentanz weiblicher Führungskräfte in Unternehmen. Springer. Wiesbaden. 2016

Wippermann, C.: Frauen in Führungspositionen. Barrieren und Brücken. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mannheim. 2010

 

Internetquellen

Deutschlandfunk

Boll, C. im Gespräch mit Fecke, B.: „Überall verdienen Frauen weniger als Männer“

URL (24.05.2017):

http://www.deutschlandfunk.de/women20-gipfel-in-berlin-ueberall-verdienen-frauen-weniger.694.de.html?dram:article_id=384399

 

Europäische Kommission

URL (28.05.2017):

https://ec.europa.eu/germany/news/frauen-f%C3%BChrungspositionen-deutschland-im-eu-vergleich-weit-hinten_de 

 

G20 Germany 2017

URL (10.06.2017):

http://www.w20-germany.org/de/

 

Tagesspiegel

Sauerbrey, A.: Frau Merkel, sagen Sie´s einfach: Wir brauchen den Feminismus!

URL (08.06.2017):

http://www.tagesspiegel.de/politik/debatte-ueber-frauenpolitik-frau-merkel-sagen-sies-einfach-wir-brauchen-den-feminismus/19723564.html

 

 

 

Teile diesen Artikel