Sie haben es geschafft, sie wurden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Diese Einladung ist die Belohnung für ihre vorherigen Bemühungen. Basierend auf den zuvor eingereichten, schriftlichen Bewerbungsdokumenten hat man sich dazu entschieden, sie in die engere Auswahl zu nehmen und damit persönlich kennenlernen zu wollen. Herzlichen Glückwunsch dazu! Jetzt müssen sie es nur noch schaffen, dass sie im Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck hinterlassen. Doch genau diese Tatsache lässt Bewerber bei dem Gedanken an ein Vorstellungsgespräch zittern. Denn der alles entscheidende Eindruck, den sie hinterlassen werden, ist nicht nur von ihrem eigenen Verhalten abhängig. Vielmehr basiert dieser auf der individuellen Wahrnehmung ihres Gesprächspartners und ist damit subjektiv und äußerst fehleranfällig. Denn auch ausgebildeten Personalreferenten sind nicht immer in der Lage einen Bewerber völlig objektiv zu beurteilen. Auch sie unterliegen Wahrnehmungsfehlern beziehungsweise Wahrnehmungstendenzen, welche zu einer voreiligen Meinungsbildung führen.[1] Die Nervosität vor einem Vorstellungsgespräch ist damit durchaus nachvollziehbar. Die folgenden Kenntnisse über entscheidende Wahrnehmungstendenzen werden ihnen dabei helfen, die Wahrnehmung ihres Gesprächspartners zu Ihren Gunsten zu steuern sowie ihr eigenes Verhalten positiv zu beeinflussen.
Der erste Eindruck zählt…
Bei einem Vorstellungsgespräch haben bereits die ersten Minuten einen enormen Einfluss auf den weiteren Gesprächsverlauf. Der hier entstehende Eindruck prägt die Wahrnehmung und das Verhalten der Gesprächspartner nachhaltig. Basierend auf oberflächlichen Faktoren (Körperhaltung, Erscheinungsbild etc.) oder herausstechenden Eigenschaften (Intelligenz, Selbstbewusstsein) bildet sich ihr Gegenüber seine erste Meinung. [2] Innerhalb kürzester Zeit wird er sie vollkommen unbewusst in bestehende Schemata, welche auf seinen bereits vorhandenen Einstellungen, Wertevorstellungen und Erfahrungen basieren, einordnen. Der Halo-Effekt führt gleichzeitig zu einer grundsätzlichen Verallgemeinerung ihrer Person; dem dominant wahrgenommenen Merkmal entsprechend wird ihr Gegenüber eine Kette weiterer Eigenschaften zu einer Gesamtassoziation ableiten. Der Eindruck, den ihr Gesprächspartner zu Beginn von ihnen gewonnen hat, entscheidet folglich darüber, welche Eigenschaften dieser ihnen eher zuschreibt.[3] Aber Achtung: diese automatische Zuschreibung von Eigenschaften auf Grund einzelner, herausstechender Merkmale muss nicht unbedingt positiv sein. Der Horn-Effekt als Gegensatz zum Halo-Effekt beschreibt die Tendenz, dass ein einzelnes, negativ wahrgenommenes Merkmal ebenso automatisch zur Zuschreibung weiterer negativer Eigenschaften führt. Eine einzige negativ wahrgenommene Eigenschaft reicht also aus, damit ihr Gesprächspartner dazu geneigt ist, ihnen auch in anderen Bereichen Defizite zu unterstellen.[4] Sobald sich nun ihr Gegenüber seinen ersten Eindruck gebildet hat, legt sich eine Art Filter über sämtliche neue Wahrnehmungen. Er wird nur noch sehen und hören, was seiner Meinung entspricht; alle anderen Informationen werden ignoriert oder unterbewertet. [5] Letztendlich wird sich ihr Gesprächspartner nach ihrem Vorstellungsgespräch besser an seinen ersten Eindruck erinnern als an später erhaltene Informationen. Zudem wird er diesem in der Bewertung ihrer Person ein überproportionales Gewicht zusprechen (Primacy-Effekt). [6]
….doch der letzte bleibt bestehen.
Wenn sie nun den Eindruck haben, dass lediglich der erste Eindruck im Vorstellungsgespräch entscheidend ist und sie sich anschließend auf diesem ausruhen können, dann haben sie sich getäuscht. Es ist zwar so, dass der erste Eindruck zählt, doch der letzte Eindruck bleibt ebenso bestehen. Der Recency-Effekt – als Gegenpart zum Primacy-Effekt – führt dazu, dass jene Informationen, die zuletzt wahrgenommen werden, besser behalten werden als zuvor aufgenommene. Es kann also durchaus passieren, dass diese Informationen alle früher wahrgenommenen überlagern und somit die bereits gebildete Meinung verzerren. So kann ein Patzer am Ende eines guten Gesprächs dazu führen, dass ihr Gesprächspartner allein deshalb zu einem schlechteren Urteil kommt.[7] Der letzte Eindruck beeinflusst somit das gesamte Beurteilungsverhalten.[8] Insofern dieser nicht mit dem ersten Eindruck übereinstimmt, wird ihr Gegenüber seine erste Meinung kritisch hinterfragen.[9]
Worauf es nun für sie ankommt
Nun sind sie an der Reihe, ihr neu erworbenes Wissen erfolgreich umzusetzen. Sie wissen nun, wie wichtig der erste Eindruck für den gesamten Gesprächsverlauf sowie die anschließende Beurteilung ist. Setzen sie also alles daran, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen um die tatsächliche Vorstellung ihrer Person nicht durch negative Wahrnehmungsverzerrungen abzuschwächen. Achten sie daher unter anderem auf eine dem Anlass angebrachte Kleidung, einen festen Händedruck sowie einen stetigen Blickkontakt zu ihrem Gesprächspartner. Vor allem letzterer strahlt großes Selbstbewusstsein aus und zeigt persönliches Interesse sowie Aufgeschlossenheit, was automatisch zu einer größeren Sympathie führt.[10] Vermeiden sie es unbedingt, durch geschönte oder veraltete Bewerbungsfotos den Erwartungen ihres Gesprächspartners nicht zu entsprechend – dies gilt ebenso für alle anderen in den schriftlichen Unterlagen aufgeführten Kompetenzen. Basierend auf ihren Bewerbungsunterlagen hat ihr Gegenüber sich bereits vorab eine Meinung über sie gebildet. Wenn sie diese bereits durch fehlende oder veraltete Angaben sowie nicht belegbare Aussagen zu Beginn enttäuschen, wird dies ihrem ersten Eindruck und der somit ihnen entgegengebrachten Sympathie stark zusetzen.[11]
Doch es zählt nicht nur ein positiver, erster Eindruck. Auch das Verhalten während des Vorstellungsgesprächs fließt in die Beurteilung mit ein. Daher ist es ein entscheidender Bonus, wenn sie dem Gesprächspartner sympathisch sind, da diese Sympathie seine Wahrnehmung erneut zu ihren Gunsten filtert. [12] Diese empfundene Sympathie können sie während des Gesprächs aktiv beeinflussen. Sie steht in einer engen, sich gegenseitig beeinflussenden Wechselwirkung mit der von Ihnen gezeigten Aktivität und der Intensität des Kontakts. Dies bedeutet konkret für sie: bringen sie sich aktiv in das Vorstellungsgespräch ein. Richten sie dabei die Intensität ihrer Aktivitäten (verbales und nonverbales Kommunikationsverhalten) an denen ihres Gesprächspartners aus. Ist dieser lebendig und dynamisch, dann seien sie nicht schüchtern, sondern trauen sie sich auch ein lebendiges Kommunikationsverhalten zu. Reagieren sie nicht nur auf Fragen des Gegenübers, sondern bringen sie sich selbst aktiv in das Gespräch ein. Bereiten sie Fragen über das Unternehmen vor und nutzen sie diese, um sich zu beteiligen. Zeigen sie Konzentration und Aufmerksamkeit; gerne können sie die für sie interessanten oder wichtigen Aspekte erneut aufgreifen. [13]
Neben all den Tipps, wie sie die Wahrnehmung ihres Gesprächspartners zu ihren Gunsten steuern können, dürfen sie jedoch eines nicht vergessen: auch sie unterliegen den oben vorgestellten Wahrnehmungstendenzen. Ein zu schnell gefasster erster Eindruck über ihr Gegeüber wird ihr Verhalten und ihre Kommunikationsbereitschaft unbewusst beeinflussen. Trägt dieser beispielsweise sein Haar genauso wie ihr aktueller – bei Ihnen nicht gerade beliebter – Chef, so könnte dies dazu führen, dass Sie diese negativen Gefühle mit dem Personaler assoziieren und sich dementsprechend im weiteren Gespräch voreingenommen verhalten. Es ist also nicht nur wichtig, selbst einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, sondern es sollte auch bedacht werden, sich selbst nicht zu sehr von einer eigens gebildeten ersten Meinung leiten zu lassen. Nehmen Sie daher alle Informationen und Eindrücke interessiert auf und werten sie diese erst nach dem Gespräch in Ruhe aus. Überlegen Sie sich zudem vor dem Gespräch, welche Personen bei ihnen einen guten Eindruck hinterlassen haben und was die Gründe für diesen Eindruck waren, bspw. deren Pünktlichkeit, Offenheit, Freundlichkeit oder gar der feste Händedruck?[14] Achten sie ebenso während dem Gespräch darauf, nicht automatisch auf Merkmale oder Eigenschaften zu schließen. Hören sie aufmerksam zu und nehmen sie alle Informationen auf. Sonst könnte es passieren, dass sie nach Abschluss des Vorstellungsgesprächs Informationen unbewusst überhört haben, welche einer Einstellung aus ihrer Sicht widersprechen sollte.
Quellenverzeichnis
[1] Vgl. Lorenz, M./ Rohrschneider, U./ Müller-Thurau, C. P.: 2015, S. 42
[2] Vgl. Lohaus, D./ Habermann, W.: 2013, S. 208
[3] Vgl. Von der Linde, B./ Schustereit, S.: 2010, Â S. 83
[4] Vgl. Müller, S.:2016, S. 21
[5] Vgl. Rohrschneider, U./ Lorenz, M.: 2004, S. 106
[6] Vgl. Briehl, L.: 2009, S. 11
[7] Vgl. Lorenz, M./ Rohrschneider, U./ Müller-Thurau, C. P.: 2015, S. 47
[8] Vgl. Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (20.05.2017), https://akgl.uni-graz.at
[9] Vgl. Gillmann, D.: 2015, S. 54
[10] Vgl. Karrierebibel (20.05.2017), http://karrierebibel.de
[11] Vgl. Rohrschneider, U./ Lorenz, M.: 2004, S. 110
[12] Vgl. Briehl, L.: 2009, S. 11
[13] Vgl. Rohrschneider, U./ Lorenz, M.: 2004, S. 113
[14] Vgl. Lorenz, M./ Rohrschneider, U./ Müller-Thurau, C. P.: 2015, S. 43
Abbildungsverzeichnis
Beitragsbild: https://pixabay.com/de/motivation-bewerbung-anschreiben-1756268/
https://pixabay.com/de/händedruck-handschlag-hand-geben-2056023/
https://pixabay.com/de/hand-gratulation-freude-648444/
Literatur
Briehl, L.: Im Vorstellungsgespräch überzeugen. Oben sein, wenn es wirklich gilt! Books on Demand. 2009.
Gillmann, D.: Knigge für Dummies. 2. Auflage. Wiley-VCH Verlag. 2015.
Lohaus, D./ Habermann, W.: Personalauswahl im Mittelstand. Nicht die Besten sind die Besten, sondern die Geeignetsten. Oldenbourg Wissenschaftsverlag. München. 2013.
Lorenz, M./ Rohrschneider, U./ Müller-Thurau, C. P.: Vorstellungsgespräche. 2. Auflage. Haufe. 2015
Müller, S.: Erfolgreiche Teamleitung in der Pflege. 2. Auflage. Springer. 2016.
Rohrschneider, U./ Lorenz, M.: Das Vorstellungsgespräch. Richtig vorbereiten, überzeugend auftreten. 2. Auflage. Haufe. 2004.
Von der Linde, B./ Schustereit, S.: Personalauswahl. Schnell und sicher Top-Mitarbeiter finden. 4. Auflage. Haufe. 2010
Internetquellen
Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen
Roth, R.: FAQ des Monats: Welche Wahrnehmungstendenzen können eine Beurteilung von Personen nach ihrer Qualifikation für eine Stelle beeinflussen? 2015
URL (20.05.2017):
Karrierebibel
Mai, J.: Der erste Eindruck. Was dabei wirklich zählt.
URL (20.05.2017):
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