Das Kovariationsmodell nach Kelley ist ein Modell der Ursachenzuschreibung. Neben diesem Modell existieren zahlreiche weitere Modelle, auch Attributionstheorien genannt. Diese verfolgen im Allgemeinen das Ziel, die prozessuale Ursachenzuschreibung darzustellen und zu erläutern. Die Theorien haben einen normativen Charakter, da sie aufzeigen, wie korrekte Attributionen im Normalfall ablaufen. Man stellt sich auch im Alltag oftmals die Frage, warum sich ein Mensch in einer gewissen Art verhält oder aus welchem Grund ein bestimmtes Handlungsergebnis eintritt. Um hierfür ein besseres Verständnis zu erhalten und um sich an dem Wissen auch im Alltag bedienen zu können, wird im Folgenden das Kovariationsmodell nach Harold Kelley näher erläutert, da dieses eines der herausragendsten Modelle darstellt.[1]
Prozess der Ursachenzuschreibung[2]
Im Modell nach Kelley werden drei verschiedene Ursachen betrachtet, die ein beobachtbares Verhaltensergebnis begründen können. Um den Alltagsbezug besser herstellen zu können, werden die Ursachen anhand eines Beispiels, nämlich dem Bestehen einer Prüfung, erläutert.
Zum einen kann die Ursache für ein Ergebnis, resultierend aus einem Verhalten, in den Merkmalen der handelnden Person liegen. Das bedeutet, dass ein Student eine Prüfung besteht, da er über die entsprechenden Fähigkeiten verfügt, einen hohen Intelligenzquotienten aufweist oder hochmotiviert ist. Hiermit sind allerdings nur zeitlich überdauernde Merkmale einer Person gemeint, nicht jedoch lediglich eine kurzzeitige Anstrengung.
Eine zweite Ursache können die näheren Umstände, die in der Zeit während der Handlung vorliegen, sein. Wenn der Student also ausnahmsweise eine gute Vorbereitung auf die Prüfung vorgenommen hat oder er bei einem Kommilitonen abgeschrieben hat, kann die Prüfung auch mit guter Note bestanden werden.
Letztlich ist es auch möglich, dass die Ursache im Gegenstand der Handlung selbst liegt. Waren also die Aufgabenstellungen von niedrigem Schwierigkeitsgrad, wird das Prüfungsergebnis höchstwahrscheinlich gut ausfallen.
Neben diesen drei Arten von Ursachen, die einem Verhaltensergebnis zugeschrieben werden können, unterscheidet Kelley allerdings auch drei Variablen, beziehungsweise Informationsarten, die bei der korrekten Ursachenaufdeckung behilflich sein sollen.
Informationsarten[3]
Wenn ein Vergleich zwischen mehreren Personen durchgeführt wird und dabei keinerlei Unterschied zwischen den Menschen festgestellt werden kann, spricht man von einem Konsens. Hat also kein Student des Semesters die Prüfung bestanden, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Klausur zu schwierig war.
Distinktheit liegt vor, wenn sich durch den Vergleich mehrerer Personen Unterschiede ergeben. Auf das Beispiel übertragen würde dies bedeuten, dass nur ein Student die Prüfung nicht bestanden hat, alle anderen allerdings schon.
Bei der dritten Variablen muss der Vergleich über mehrere Zeitpunkte gezogen werden. Wenn sich dann keine Unterschiede ergeben, liegt Konsistenz vor. Der Student hätte also in diesem Fall auch bereits im vorhergehenden Semester die Prüfung nicht bestanden.
Zusammenspiel der Ursachen und der Informationsarten
Um die richtigen Schlüsse ziehen und korrekte Attributionen vornehmen zu können, müssen also die Ursachen und die Informationsarten kombiniert betrachtet werden. Es entstehen idealtypische Datenmuster, die aus der Abbildung unten abgelesen werden können. Eine Attribution auf die Person liegt also demnach vor, wenn der Konsens und die Distinktheit niedrig sind, die Konsistenz allerdings hoch. Auf die besonderen Umstände zu einem Zeitpunkt wird attribuiert, wenn die Distinktheit hoch ist, der Konsens und die Konsistenz aber niedrig. Eine Attribution auf den Gegenstand der Handlung liegt schließlich vor, wenn alle drei Informationsarten hoch ausgeprägt sind.[4]
Abbildung: Zusammenspiel Ursachen – Informationsarten (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Orth & Koch, 2011, S. 47)
Um diese Datenmuster auf die Praxis anwenden zu können, werden die Attributionen nun nochmals beispielhaft dargestellt.
Wenn eine Attribution auf die Person vorgenommen wird, ist der Student X immer eine Note schlechter als der Student Y, in allen Prüfungsfächern und in jedem Semester. Daher ist der Unterschied höchstwahrscheinlich auf die Intelligenz der Personen zurückzuführen.
Angenommen, der Student X erleidet in der Klausur im Fach A im ersten Semester einen Migräneanfall, kann dies auf die besonderen Umstände zu einem Zeitpunkt attribuiert werden.
Liegt schließlich eine Attribution den Gegenstand der Handlung vor, sind die beiden Studenten im Fach A immer eine Note schlechter als im Fach B, sowohl in diesem Semester, als auch im vorhergegangenen. Dieser Unterschied ist daher auf die differierenden Schwierigkeitsgrade der Klausuren in den beiden Fächern zurückzuführen.[5]
Fußnoten
[1] Vgl. Kanning (1999), S.95
[2] Vgl. Kanning (1999), S.97
[3] Vgl. Gollwitzer / Schmitt (2009), S.107
[4] Vgl. Gollwitzer / Schmitt (2009), S.107
[5] Vgl. Gollwitzer / Schmitt (2009), S.109
Literatur- und Quellenverzeichnis
Gollwitzer, M. & Schmitt, M. (2009), Sozialpsychologie kompakt, Weinheim.
Kanning, U.P. (1999), Die Psychologie der Personenbeurteilung, Göttingen.
Orth, H. & Koch, Prof. Dr. A. (2011), Sozialpsychologie (2. Aufl.), Studienbrief der SRH Fernhochschule, Riedlingen.
Beitragsbild: WiPub Standardgrafik, brain-951874_1920, https://www.wipub.net/wp-content/uploads/2016/03/brain-951874_1920.png