Die heutige Arbeitswelt ist geprägt durch die Globalisierung und den technischen Fortschritt. Dies bringt jedoch nicht nur Vorteile mit sich. Immer schneller und häufiger müssen wir uns an neue Technologien anpassen, dazu kommt die ständige Erreichbarkeit durch Internet und Handys. Es gibt kaum noch die Möglichkeit einmal wirklich von der Arbeit abzuschalten. Stress ist für viele zum ständigen Begleiter geworden. Sowohl auf der Arbeit, als auch im privaten Umfeld stehen immer mehr Personen unter Stress.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen aufgrund von psychischer Beschwerden auf der Arbeit krankmelden. Dies belegen sowohl der Psychoreport der DAK aus 2014[1] als auch der Gesundheitsreport der BKK aus 2016.[2] Fast 19% der Arbeitsunfähigkeitstage sind auf psychische Ursachen zurückzuführen.[3] Also wie kann man dieser Stressfalle entkommen?
Immer mehr Menschen versuchen durch Yoga, Meditation oder Achtsamkeitstrainings einen Ausgleich zu finden. Doch wie effektiv sind solche Maßnahmen? Eine Studie mit 78 Medizinstudenten ergab, dass Achtsamkeitstrainings positive Auswirkungen auf Angstzustände, Depressionen, sowie die Neigung zu Ängstlichkeit haben.[4] Darüber hinaus scheinen sie sich positiv auf das Selbstvertrauen und die Schlafqualität auszuwirken.[5]
Achtsamkeit – eine Definition
Während die meisten wissen was unter Yoga und Meditation zu verstehen ist, ist Achtsamkeit noch kein sehr geläufiger Begriff. Also was genau verbirgt sich dahinter? Das Wort kommt ursprünglich aus dem Buddhismus und stammt von dem Wort „Sati“ ab. Sati bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie „erinnern“. Damit ist gemeint, das Bewusstsein auf den jetzigen Augenblick, den Moment zu richten.[6] Im Buddhistischen umfasst der Begriff vier unterschiedliche Dimensionen: Achtsamkeit des Körpers, der Gefühle, des Geistes und der körperlichen Dinge.[7] In der westlichen Welt wird darunter das Gewahrsein verstanden, „das entsteht, wenn sich die Aufmerksamkeit mit Absicht und ohne zu bewerten auf die Erfahrungen richtet, die sich von Moment zu Moment entfalten“.[8] Nach dieser Definition sind demnach drei Dinge wichtig, um das Wort Achtsamkeit zu beschreiben. Es geht darum sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und Vergangenheit und Zukunft ruhen zu lassen. Das Lenken der Aufmerksamkeit sollte mit Absicht, also bewusst geschehen und frei von Wertungen sein. Diese Definition stammt von Jon Kabat Zinn, dem Begründer eines der bekanntesten Achtsamkeitstrainings, dem MBSR.
MBSR – Die Lehre der Achtsamkeit
„Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt.“
Leo Tolstoi
Das MBSR Training ist ein Gruppenprogramm, das sich über einen Zeitraum von 8 Wochen erstreckt. Es fußt auf einer Kombination von Sitzmeditation, Bodyscanübungen und Yogaübungen. Ziel ist es, das Bewusstsein zu schulen und zu lernen achtsam zu sein sowie dieses Verhalten in den Alltag zu integrieren.[9] Der Gedanke hinter dem Training ist, dass sich Stress aus zwei Faktoren zusammensetzt: Der Reiz, der nicht beeinflusst werden kann und der darauffolgenden Reaktion. Durch ein Bewusstmachen der eigenen Emotionen und Empfindungen wird versucht, auf die Reaktion Einfluss zu nehmen und somit den Umgang mit den Stressoren, den stressauslösenden Faktoren, zu verändern.[10]
Oftmals wird das Achtsamkeitstraining mit der Rosinenübung begonnen. Hier erfahren die Teilnehmer erstmals was Achtsamkeit bedeutet. Daneben baut das Training vor allem auf drei Übungen auf: dem Bodyscan, der Sitzmeditation und dem bewusst ausgeführten Hatha-Yoga.[11]
Achtsamkeitsübungen
Die Rosinenübung
Bei dieser Übung wird die ganze Aufmerksamkeit auf eine Rosine gelenkt. Es geht darum, sie mit allen Sinnen wahrzunehmen und wie ein Wissenschaftler zu erforschen. Wie sieht sie aus? Wie schmeckt sie? Wie riecht sie? Wie fühlt sie sich an? Triften die Gedanken während der Übung ab, sollte immer wieder bewusst, die Aufmerksamkeit auf die Rosine gelenkt werden.[12]
Bodyscan
Beim Bodyscan geht es nicht um Entspannung, sondern darum, die eigene Aufmerksamkeit bewusst zu lenken, um einen gewissen Abstand zu den eigenen inneren Impulsen zu erlangen.[13] Gedanklich werden nach und nach alle Körperregionen abgetastet. Es wird gezielt die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Körperteile gelenkt und versucht, die dabei entstehenden Gefühle und Gedanken vorurteilsfrei wahrzunehmen.[14] Das heißt ein Kribbeln in den Zehen, einen Schmerz in der Schulter, eine Verspannung des Nackens, aber auch gar keine Gefühle werden bewusst wahrgenommen, jedoch nicht versucht zu unterdrücken oder zu verändern.[15] Durch diese Übung wird die Konzentrationsfähigkeit geschult und ein neues Bewusstsein für den eigenen Körper geschaffen, um dadurch zu einer veränderten Körperwahrnehmung zu gelangen.[16]
Sitzmeditation
„Bei der Meditation geht es nicht um den Versuch, irgendwo hinzugelangen. Es geht darum, dass wir uns selbst erlauben, genau dort zu sein, wo wir sind, und genau so zu sein, wie wir sind, und desgleichen der Welt zu erlauben, genau so zu sein, wie sie in diesem Augenblick ist.“
Jon Kabat-Zinn
Wichtig ist, dass eine bequeme Sitzposition eingenommen wird. Bei der Sitzmeditation wird die Aufmerksamkeit bewusst auf die Atmung gelenkt. Es wird der eigene Atem beobachtet, die Ein- und Ausatmung und die dabei entstehenden Gefühle werden wahrgenommen. Meist entsteht dabei eine innere Unruhe oder die Gedanken schweigen ab. Passiert dies, sollten die Gedanken sowie deren Ursache wahrgenommen werden und anschließend die Konzentration zurück auf die Atmung gelenkt werden.[17]
Hatha Yoga
Das (achtsame) Hatha Yoga unterscheidet sich von normalen Yogaprogrammen durch die Zielsetzung und die bewusste Ausführung der Übungen. Es geht hier nicht darum ein bestimmtes Ziel zu erreichen und sich zu verbessern, sondern darum sich seine Grenzen bewusst zu machen und jede Stellung, so genannte Asanas, langsam und bewusst auszuführen. Durch die Übungen soll der Körper gekräftigt sowie gedehnt werden und gleichzeitig ein Zustand der Entspannung erreicht werden.[18]
Fazit
Achtsamkeitstrainings sind nur eine Art wie Menschen in der heutigen Zeit versuchen mit Stress umzugehen. Da die heutige Arbeitswelt immer stressiger wird, wird die Bedeutung solcher Maßnahmen in Zukunft noch weiter an Relevanz gewinnen. Egal wie jeder persönlich zu solchen Konzepten stehen mag, ob er dran glaubt oder nicht, einen Versuch sollte es wert sein. Letzten Endes kann dann jeder für sich selbst feststellen, welchen Mehrwert es für einen persönlich hat.
[1] Vgl. DAK Psychoreport 2015, S. 1-3
[2] Vgl. BKK Gesundheitsreport 2016, S. 44
[3] Vgl. BKK Gesundheitsreport 2016, S. 44
[4] Vgl. Shapiro, S. L. et al: 1998, S. 585 ff.
[5]Vgl. Biegel, G.M. et al: 2009, S. 864
[6] Vgl. Rose, N./ Walach, H.: 2009, S. 31; Michalak, J, Heidenreich, T.:2012, S. 8
[7] Vgl Tibet (gefunden am 1.09.2017) www.Tibet.de
[8] Kabat-Zinn, J.: 2003, S.145 übersetzt von Harrer/Weiss: 2016, S. 30
[9] Vgl. Michalak, J./ Heidenreich. T.: 2012, S. 9
[10] Vgl. Millington, C. (gefunden am 17.02.2017) https://achtsamkeit-goettingen.de/
[11] Vgl. Kabat-Zinn: 2013 o.S.
[12] Vgl. Stahl, B./ Goldstein, E.: 2010, S. 40 ff.
[13] Vgl. Kirch, D.: o.J., S. 6
[14] Vgl. Kirch, D.: o.J., S. 2
[15] Vgl. Achtsamleben (gefunden am 17.02.2017) www.achtsamleben.at
[16] Vgl. Kabat-Zinn, J.: 2013, S. 114
[17] Vgl. Kabat-Zinn, J.: 2013, S. 95 ff.
[18] Vgl. Kabat-Zinn, J.: 2013, S. 128 ff.
Bildnachweis
https://pixabay.com/de/gesch%C3%A4ftsleute-gesch%C3%A4ftsmann-530331/
https://pixabay.com/de/steine-meditation-zen-balance-2043707/
https://pixabay.com/de/lebensmittel-essen-di%C3%A4t-sunmaid-2202402/
https://pixabay.com/de/finger-halten-meditieren-hand-2307828/
https://pixabay.com/de/yoga-pose-silhouette-person-stand-1082172/
Literaturverzeichnis
Achtsamleben. Online verfügbar unter http://www.achtsamleben.at/praxis/bodyscan/. Zugriff am 17.02.2017.
Biegel, G.M./ Braun, K.W./ Shapiro, S.L./ Schubert, C.M. (2009) Mindfulness-Based Stress Reduction for the Treatment of Adolescent Psychiatric Outpatients: A Randomized Clinical Trial. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology (Ausgabe 77, Nr 5). S. 855–866.
BKK Gesundheitsreport (2016) Gesundheit und Arbeit. Zahlen, Daten, Fakten mit Gastbeiträgen aus Wissenschaft, Politik und Praxi. Hg. v. F. Knieps und H. Pfaff. Online verfügbar unter http://www.bkk-dachverband.de/fileadmin/publikationen/gesundheitsreport_2016/BKK_Gesundheitsreport_2016.pdf. Zugriff am 01.07.2017.
DAK (2015) Psychoreport 2015. Deutschland braucht Therapie. Herausforderungen für die Versorgung. Online verfügbar unter https://www.dak.de/dak/download/dak-psychoreport-2015-1718180.pdf. Zugriff am 01.07.2017.
Harrer, M. E./ Weiss, H. (2016) Wirkfaktoren der Achtsamkeit. Wie sie die Psychotherapie verändern und bereichern. Stuttgart. Schattauer.
Kabat-Zinn, J. (2003) Mindfulness-Based Interventions in Context. Past, Present, and Future. In: Clinical Psychology: Science and Practice 10 (2) S. 144–156.
Kabat-Zinn, J. (2013) Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR. vollständig überarbeitete Neuausgabe. München. Knaur.
Kirch, D. (17.02.2017) Den Bodyscan lieben lernen. Online verfügbar unter https://dfme-achtsamkeit.de/wp-content/uploads/2015/10/Den_Bodyscan_lieben_lernen.pdf.
Michalak, J./ Heidenreich, T./ Williams, J. M. G. (2012) Achtsamkeit. Göttingen. Hogrefe.
Millington, C. Online verfügbar unter https://achtsamkeit-goettingen.de/mbsr-nach-jon-kabat-zinn/stressbewaeltigung/. Zugriff am 17.02.2017.
Rose, N./ Walach, H. (2009) Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie. 3. überarbeitete Auflage. Tübingen. dgvt-Verlag.
Shapiro, S.L./ Schwartz G.E./ Bonner, G. (1998) Effects of mindfulness-based stress reduction on medical and premedical students. In: Journal of Behavioral Medicine (Ausgabe 21, Nr 6). S. 581–599.
Stahl, B./ Goldstein, E. (2012) Stressbewältigung durch Achtsamkeit. Das MBSR-Praxisbuch. 2. Aufl. Freiburg, Br. Arbor.
Tibet. Online verfügbar unter https://www.tibet.de/zeitschrift/themen/achtsamkeit/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=448&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=f6dcf6470832d163f7ca4f15723758a6. Zugriff am 01.09.17.