„So wird das nix!“, „Das ist zum Scheitern verurteilt.“ – Phrasen, die jeder so oder so ähnlich schon mal gehört hat oder selbst verlauten ließ. Wie oft wurden dann solche Aussagen zur Realität, begleitet von Sätzen wie „Wusst´ ich´s doch!“, „Na, bitte! Habe ich das nicht so gesagt?!“. Und wie gut dagegen Sprüche wie „Du schaffst das (mit links)!“ und „Ich glaube an dich!“ einem tun. Welche inneren Kräfte werden hier scheinbar nur durch Worte freigesetzt oder eher blockiert? Kann tatsächlich die eigene Einstellung, die unter Umständen von Mitmenschen manipuliert wurde, so viel Macht über menschliches Handeln haben? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen findet sich schnell das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung, welches im ersten Teil zunächst definiert wird. Wie dieses sich auswirkt, zeigen drei wissenschaftliche Experimente auf.
Selbsterfüllende und selbstzerstörende Prophezeiungen
Der Soziologe Merton beschäftigte sich erstmals 1948 mit dem psychologischen Phänomen der sogenannten „Selbsterfüllenden Prophezeihung“ (engl. Self-fulfilling prophecy). Danach handelt ein Mensch entsprechend seinen eigenen Erwartungen. So wird ein von ihm erhoffter Ausgang einer Situation wahrscheinlicher. [1] Dieses Phänomen lenkt demnach das menschliche Verhalten, das eigene oder das der anderen Person, indem bestimmte Erwartungen in das Resultat eigens gesetzt werden. Die Prognose bewahrheitet sich dann auch meist. [2] Behauptet jemand eisern, dass er etwas nicht schaffen kann, wird er sich nicht bemühen, um das Gegenteil zu erreichen. Anders zeigt sich ein Mensch, der bspw. sein Können beweisen möchte. Er wird alles in seiner Macht Stehende in den Erfolg investieren.
Daneben gibt es die „selbstzerstörende Prophezeiung“, die dafür sorgt, dass das Resultat bzw. das „Vorhergesagte“ durch entsprechendes, menschliches Handeln verhindert wird. [3] Freitag, der 13. Ist hierfür das beste Beispiel. Dieser Tag bringt, den Statistiken zufolge, nicht mehr Unfälle oder Schadensfälle als andere Kalendertage. [4] Warum? Die Menschen sind gerade an diesem Tag viel vorsichtiger als sonst. Damit versuchen sie den angeblichen, negativen Prognosen Widerstand zu leisten.
Es geht auch anders, aber
Merton ist sich dabei sicher, dass die eine bestimmte Schemata, die immer wieder zur selben selbsterfüllenden Prophezeiung führt, sich modifizieren ließe. Allerdings und trotzdem bleiben die Menschen bei ihrem Glauben. Diesen Ablauf nennt Merton „Herrschaft des Irrtums“, die „den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse als Beweis dafür zitieren [kann], dass [man] von Anfang an recht hatte“. [5] Menschen nehmen damit einen ungünstigen Ausgang einer Situation in Kauf, weil sie sich daran gewöhnt haben. Obendrein lagen sie mit ihrer Prognose richtig, was ihrerseits als eine Art Selbstbestätigung empfunden werden kann.
Selbsterfüllende Prophezeiung ist doch keine Prophezeiung
Sharot spricht seinerseits von einem „äußert machtvollem Phänomen“ [6], da Erhofftes sehr wirkungsvoll sei. [7] Erhofftes als Gedankengut, das Einfluss auf die Gefühlslage nimmt. So rufen bspw. negative Gefühle Stress hervor, [8] und sorgen damit für gewisse Barrieren. Und schon fühlt sich der Mensch gehemmt. Das erklärt, warum die selbsterfüllende Prophezeiung, streng genommen, nichts von sich aus vorhersagt, sondern etwas ist, was sich ursächlich auf das Geschehen auswirkt. Der Mensch glaubt an seinen Erfolg, und verbessert damit seine Chancen, diesen auch tatsächlich zu erreichen. [9] Das liegt an „[…] der subjektiven Wahrnehmung der Realität […]“, so Sharot. [10] Eine für ihn quasi garantierte Vorhersage eines Ereignisses lässt den Menschen sich besonders darum bemühen. [11] Weitere Definition fügt ein „[…] vorteilsvolles, diskriminierendes Verhalten gegenüber einer anderen Person oder sozialen Gruppe […]“ hinzu, [12] wie bereits im Beitrag erwähnt wurde. Genau darum ging es in den drei Experimenten, die im Folgenden erläutert werden.
Interessante Fakten
Das meist in Verbindung mit der selbsterfüllenden Prophezeihung gebrachtes Beispiel, ist das Experiment Pygmalion in the Classroom von Rosenthal und Jacobson (1968). [13] Dazu ließ er die Lehrerschaft glauben, dass von allen Schülern 20 Prozent besonders begabt seien. Die Schüler wählte er zufällig aus. Die IQ-Testwiederholung fand ein Jahr danach statt. Das Erstaunliche dabei war, beim Fünftel der angeblich begabten Schüler erreichten 30 Punkte mehr im Test als zuvor, die anderen nur 20 Punkte. [14] Es wird angenommen, dass die Lehrer sich mehr um die Leistungen der anscheinend begabten Schüler bemüht hatten. [15] Durch mehr an Aufmerksamkeit und Förderung seitens der Lehrer konnten sich die Schüler verbessern. Das führte letztendlich zu besseren IQ-Testergebnissen, was wiederrum den Erwartungen der Lehrer entsprach.
Im Jahr 1994 nahmen Mitarbeiter eines Personalbereiches bei einem ähnlichen Experiment von Dougherty, Turban und Callender teil. Sie mussten vor den Vorstellungsgesprächen zunächst die Bewerbungsunterlagen sichten, und diese als positiv oder negativ einstufen. Den als „gut“ befundenen Bewerbern gegenüber verhielt sich der Personalverantwortliche im persönlichen Gespräch nett und zuvorkommend. Auch das Feedback fiel entsprechend gut aus. Die Bewerber selbst waren ebenso positiv eingestellt und gut gelaunt. Bei den „schlechten“ Bewerbern war die Situation umgekehrt. Die Rückmeldungen waren eher negativen Charakters beiderseits, was sich auf das Wohlbefinden und die Laune der Bewerber auswirkte. Demzufolge malten sich die Interviewer bereits vor den Gesprächen den Verlauf und den Ausgang aus. Sie suchten regelrecht nach Anhaltspunkten, die ihrer Erwartungshaltung beipflichten. [16]
Bei den Führungskräften und ihren Untergebenen sah es 1988 identisch aus. So trieben die Vorgesetzten diejenigen Mitarbeiter an, die sie von vornherein für kompetent hielten. Die Mitarbeiter, die minder geschätzt wurden, waren in der Tat weniger produktiv. [17] Wer will sich schon anstrengen, wenn er spürbar keine Wertschätzung erfährt. Das ist quasi eine Reaktion auf die Aktion des Vorgesetzten.
Fazit
Die Erwartungen, Hoffnungen und Einstellungen beeinflussen das menschliche Handeln. Mehr noch, sie rufen bestimmte Reaktionen der Mitmenschen hervor, die wie erwartet ausfallen. Das konnten die im Beitrag erwähnten wissenschaftlichen Experimente bestätigen. Dabei sind Menschen allesamt keine Hellseher. Vielmehr steuern sie sich selbst, durch ihre eigene Zukunftsvorstellung.
Der zweite Teil handelt von verwandten Effekten bzw. Arten der selbsterfüllenden Prophezeiung. Darüber hinaus werden Alltagstipps für den Umgang mit dem Phänomen verraten.