Soziales Verhalten in Form von Altruismus spielt in der Gesellschaft fortwährend eine wichtige Rolle, vor allem in Krisenzeiten wie Corona. Dennoch kann das soziale Verhalten negative Züge annehmen, in Form von pathologischem Altruismus.
Altruismus
Die Definition des Begriffs Altruismus wird in der Psychologie als sehr umstritten angesehen. Altruismus umfasst alle Handlungen einer Person, die dem Wohl einer anderen Person dienen, ohne dem Helfenden selbst einen Vorteil zu verschaffen. Nach Piliavin (2009) ist Altruismus somit jedes an den Tag gelegte Verhalten, das anderen Personen nützt, ohne sich Belohnungen aus äußeren Quellen zu erhoffen. Durch diese Definition ergab sich ein Problem bezüglich der zugrundeliegenden Motivation, denn die ausgeführten Handlungen müssen einen selbstlosen Charakter aufweisen, um als altruistisch zu gelten. Hierzu wurde eine große Anzahl an Forschungsarbeiten durchgeführt, welche für eine spezifische Überlappung zwischen dem Selbst und anderen Menschen sprechen. (Levine & Manning, 2014, S. 361)
Modelle zur Entstehungserklärung
Es existiert eine Vielzahl an Modellen zur Erklärung des menschlichen Altruismus. Während situationsspezifische Modelle altruistische Verhaltensweisen durch eine Abhängigkeit von situativen Faktoren, wie Zeitdruck oder der Stimmung, erklären, sehen persönlichkeitsspezifische Ansätze Altruismus als Disposition und sozialisationstheoretische Modelle erklären die Entstehung von hilfreichem Verhalten durch eine Aktivierung sozialer Normen, wie z. B. der Norm der sozialen Verantwortung in der Gesellschaft. Als weitere Modelle sind das Prozessmodell, welches von einer erfolgreichen Bewältigung einzelner Schritte zur Umsetzung eines Hilfeverhaltens ausgeht, sowie soziobiologische Modelle, welche den funktionalen Stellenwert der altruistischen Handlung für die höhere Einheit, wie das Weiterleben der Familie, in den Fokus stellt, zu nennen. (Stangl, 2020)
Ursachen der Entstehung
Die Ursachen der Entstehung von Altruismus sind bisher nur vereinzelt erforscht. Dennoch konnte ein Zusammenhang zwischen dem sozialen Status einer Person und dem individuellen Altruismus nachgewiesen werden. Dies ist bereits bei Kleinkindern zu beobachten, denn Vorschüler mit einem niedrigeren Sozialprestige waren häufiger bereit, anderen Kindern trotz einem hohen eigenen Aufwand zu helfen. Ähnliche Effekte zeigen sich im Erwachsenenalter. Während Erwachsene mit einem hohen Status zum Ziel haben kompetenter als hilfsbereit zu wirken, zeigen Personen mit einem niedrigeren Prestige altruistischere Verhaltensweisen. Weiters wählen Erwachsene mit geringem Status häufiger einen Beruf, in dem sie der Gesellschaft helfen können und besitzen sozialere und universellere Wertvorstellungen. (Stangl, 2020)
Empathie-Altruismus-Hypothese
Eine Theorie zur Entstehung von Altruismus stellt die Empathie-Altruismus-Hypothese von Batson (1991) dar. Batson geht davon aus, dass die Beobachtung eines in Not geratenen Menschen mit einem negativen Erregungszustand einhergeht. Diese negative Erregung führt je nachdem, ob eine Person altruistisch oder egoistisch motiviert ist, zu prosozialem Verhalten oder Flucht. Neben der altruistischen Motivation spielt ebenso die Situation an sich eine Rolle. Personen mit Altruismus zeigen im Gegensatz zu egoistischen Personen auch prosoziale Verhaltensweisen, obwohl eine Flucht aus der Situation möglich wäre. Befindet sich eine Person in einer Situation ohne adäquate Fluchtmöglichkeit wird das prosoziale Handeln durch die eigene Empathie und das personelle Unbehagen gefördert. (Terzi, 2019, S. 69)
Altruismus und Generosität
Ebenso wird zwischen den Dimensionen Altruismus und Generosität ein Zusammenhang angenommen, wie Messungen zeigen, in denen großzügiges Verhalten als Basis für den Altruismus herangezogen wird. Altruistisches Verhalten ist in verschiedenen Formen anzutreffen, beispielsweise durch eine Spendebereitschaft bis hin zu physischem Hilfeverhalten in Notfallsituationen. Dennoch besteht ein bedeutender Unterschied zwischen Altruismus und Generosität, in der „Freiheit im Geben“. Dies zeigt das Beispiel der Spendebereitschaft an einen Obdachlosen. Eine Person mit rein altruistischer Motivation würde einen kleinen Geldbetrag spenden, eine Person mit altruistischer und zusätzlich generöser Motivation würde einen verhältnismäßig sehr großen Betrag geben. (Pinto, 2016, S. 69)
Pathologischer Altruismus
Trotz der Tatsache, dass altruistisches Verhalten vor allem Vorteile für andere Personen und sich selbst beinhaltet, ist die Regel „Je mehr, desto besser.“ in diesem Fall nichtzutreffend. Wird Altruismus in krankhaft gesteigerter Form ausgeführt, wird von pathologischem Altruismus gesprochen. Der pathologische Altruismus liefert für die Person, welche Hilfe empfängt, positive Effekte, dennoch zeigen sich für den Betroffenen und teilweise dritte Personen Nachteile. Ein Beispiel dieser selbstaufopfernden Hilfeleistung ist in der Fernsehserie Dr. House zu erkennen. Ein Patient ist bereit einem ihm fremden Menschen beide Nieren zu spenden, ohne die negativen Konsequenzen für sich selbst oder sein nahes Umfeld zu berücksichtigen. Somit ist ein wesentliches Merkmal des pathologischen Altruismus, dass eventuelle Einbußen durch das eigene Verhalten im Gegensatz zum entstehenden Nutzen für die hilfsbedürftige Person keine Berücksichtigung finden. (Fischer, Jander & Krueger, 2018, S. 69) Als Ursachen werden neben einem unerfüllten Bedürfnis nach Anerkennung und Akzeptanz durch Dritte, das Ziel der Festigung eines instabilen Selbst angesehen. Weiters kann sich der pathologische Altruismus als Ausdruck von Schuldgefühlen, z. B. wenn eine Person den Gedanken unverdient glücklich zu sein, durch soziales Verhalten ausgleicht, oder eine Persönlichkeitsstörung entwickelt. (Bürgle, 2017, S. 33)
Fazit
Der Altruismus scheint heutzutage dem Egoismus zu unterliegen. Alleine die Bereitschaft von Menschen einander zu helfen und zu unterstützten trägt zu einer Stärkung des Miteinanders und der Formung einer reibungslosen Gesellschaft bei. Altruismus, in Form von ehrenamtlichem Engagement oder der Spendebereitschaft, fördert eine prosoziale Orientierung, solange er nicht in einem pathologischen Ausmaß vorliegt. (Bürgle, 2017, S. 33)
Literatur
Bürgle, N. (2017). Die Sterntaler von den Gebrüder Grimm (1819). In D. Frey (Hrsg.), Psychologie der Märchen. 41 Märchen wissenschaftlich analysiert – und was wir heute aus ihnen lernen können (S. 29–36). Berlin: Springer.
Fischer, P., Jander, K. & Krueger, J. (2018). Sozialpsychologie für Bachelor (Springer-Lehrbuch). Berlin, Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56739-5
Levine, M. & Manning, R. (2014). Prosoziales Verhalten. In K. Jonas & F. C. Brodbeck (Hrsg.), Sozialpsychologie (Lehrbuch, 6. Aufl., S. 357–400). Berlin: Springer.
Pinto, V. (2016). Generosität. In D. Frey (Hrsg.), Psychologie der Werte. Von Achtsamkeit bis Zivilcourage – Basiswissen aus Psychologie und Philosophie (1. Auflage, S. 67–78). Berlin: Springer.
Stangl, W. (2020). Lexikon für Psychologie und Pädagogik. Altruismus. Zugriff am 13.07.2020. Verfügbar unter https://lexikon.stangl.eu/1162/altruismus/
Terzi, P. von (2019). Phillipp Lahm. In D. Frey (Hrsg.), Psychologie des Guten und Bösen. Licht- und Schattenfiguren der Menschheitsgeschichte – Biografien wissenschaftlich beleuchtet (S. 177–190). Berlin: Springer.
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