Mein Fernstudiengang Prävention und Gesundheitspsychologie ist für mich eine einzigartige Möglichkeit – eine Möglichkeit, die mir einen zertifizierten Abschluss sichert, obwohl ich viele tausende Kilometer von Deutschland entfernt bin.
Eine ganz besondere Möglichkeit, wenn man sich die Bildungsmöglichkeiten in dem Land anschaut, in dem ich studiere: Peru!
Dank vielen beeindruckenden sowie schockierenden Erfahrungen möchte ich euch daher in diesem Artikel über die Unterschiede im Bildungsstandard zwischen Deutschland und Peru aufklären.
Deutschland
Das deutsche Bildungssystem: Grundschulen, weiterführende Schulen, Berufsschulen, Fachhochschulen oder Universitäten – eine Breite an Möglichkeiten, was unsere Weiterbildung und somit auch unsere Zukunft anbetrifft!
Deutschland investiert im Jahr (2014) circa 9,1% des BIP in Bildung, Forschung und Wissenschaft[1], und das zahlt sich aus: Die Schulen sind zum einen super ausgestattet und bieten das ganze Angebot technischer Neuheiten, wie zum Beispiel Computer oder Whiteboards, im Klassenraum an. Zum anderen sind die Lehrkräfte bestens ausgebildet, welche sich in ihrem Studium und im anschließenden Referendariat mehrere Jahre fachlicher Qualifikation sowie sozialen Kompetenzen widmen. Als Schüler wird man dann mit vielseitiger Unterstützung und Förderung in die Welt des Lernens entlassen: Förderunterricht, AGs und zahlreiche Wettbewerbe machen das Lernen interessant und zeigen zahlreiche Facetten auf, um das Maximum an Leistung aus den Schülern herauszuholen.
Ist die Schule dann abgeschlossen, wird das Studium praktisch schon vorausgesetzt – so liegt die Studienanfängerquote im Jahr 2015 bei erstaunlich hohen 58%[2]. Zur Wahl des Studiums scheint einem nichts im Weg zu stehen, außer vielleicht der Numerus Clausus: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich vom Staat finanziell unterstützen zu lassen, wie zum Beispiel durch das BAföG – hier wurden im Jahr 2014 rund 3,14 Milliarden Euro aufgewendet[3] – oder durch Austauschprogramme wie zum Beispiel das ERASMUS-Programm[4], welche ein Studium in anderen Ländern ermöglichen.
Doch was im deutschen Bildungssystem als Selbstverständlichkeit angesehen wird, ist in anderen Ländern noch nicht mal in Sichtweite…
Peru
Wenn ich nachmittags bis spät nachts durch Cuscos Straßen laufe, trifft es mich manchmal wie ein Schlag: Ich finde einen Haufen an Kindern, im Alter von 5 bis 10 Jahren, vor, welche sich in den Straßen aufhalten und darum betteln, dass ich ihnen einige ihrer Souvenirs abkaufe. „Und das um diese Uhrzeit?“, kommt es mir in den Sinn. „Wo sind denn die unverantwortlichen Eltern, die nicht dafür sorgen, dass sich ihre Kinder für die Schule am nächsten Tag ausruhen und ihre Hausaufgaben erledigen?“ Die Antwort auf meine Unglaubwürdigkeit: Das peruanische Bildungssystem hat versagt! Und warum erkläre ich euch im Folgenden:
Das peruanische Schulsystem ist mit 11 Jahren Schulpflicht wie folgt aufgebaut: Die Grundbildung beginnt mit der Primarschule im Alter von 6 bis 11 Jahren und endet mit der Sekundarschule, welche man mit 16 Jahren beendet. Im Anschluss steht optional ein Bereich höherer Bildung an, wie zum Beispiel der Besuch einer Universität mit circa 5 Jahren Dauer[5].
Dank einem mehrwöchigen Praktikum in einer Grundschule vor Ort durfte ich einige Erfahrungen aus erster Hand sammeln. Die Schule bot sich mir in Form von 4 Pavillons mitten im Nirgendwo – die kleinen Klassenräume spärlich ausgestattet mit Sitz- und Schreibgelegenheiten für die Schüler, einer Tafel und einigen dekorativen Postern. Bei staatlichen Bildungsausgaben von nur 3,7% des BIP im Jahr[6] eigentlich kein Wunder! Bis sich zu Beginn jeder Schulstunde alle Schüler und der Lehrer im Klassenraum zusammengefunden hatten, waren bereits je 15 Minuten vergangen. Auf Pünktlichkeit wurde also schon mal kein großer Wert gelegt – ebenso wenig wie auf die Fertigstellung der Hausaufgaben oder das Melden im Klassenraum. Nach diesem ersten Eindruck konnte ich weiteres feststellen: Einige Schüler waren in Mathematik sehr begabt, wurden jedoch in ihrem Tatendrang vom allgemeinen Trott der anderen Schüler gebremst. Ich fragte mich, wie es an einer kleinen Grundschule wie dieser wohl möglich wäre, begabte Schüler zu fördern um sie in ihren Fähigkeiten weiterzuentwickeln, sowie andererseits schwächeren Schüler zu helfen. Die Antwort fiel entsprechend meiner Befürchtungen sehr ernüchternd aus. Dieser Sachverhalt lässt sich unter anderem damit erklären, dass die peruanischen Lehrkräfte sehr unterschiedliche Ausbildungsniveaus haben – so arbeiteten im Jahr 2008 circa 15% der Lehrkräfte im Grundbildungsbereich ohne die entsprechende Ausbildung[7]. Hier fehlen also eindeutig die entsprechenden Qualifikationen zur Vermittlung der entsprechenden Bildung!
Verlassen die Kinder dann mit 16 Jahren die Schule, sind sie dank mangelnder Aufklärung in der Schule meist ungewollt schwanger (im Jahr 2005 betrifft dies rund 12,7% aller peruanischen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren[8]) und bereit, in eine Zukunft ohne Berufsausbildung oder -chancen zu starten. So erziehen sie ihre Kinder mit geringen finanziellen Mitteln und bereiten ihnen einen Weg in eine Zukunft wie die ihrige – Souvenirs verkaufend um Mitternacht, um das monatliche Einkommen für die Miete zusammenzukriegen.
Für einige Schüler jedoch kommt eine Weiterbildung oder ein Studium in Frage, welche mit 5 Jahren Dauer deutlich den deutschen Standard von 3 Jahren bis zum Bachelor überschreitet. Zudem kommen für die angehenden Studenten meist nur die örtlichen Universitäten zur Auswahl, da ein Stadtwechsel mit der Bezahlung einer eigenen Wohnung meist eine hohe finanzielle Belastung für Familien aus der mittleren Schicht darstellt.
Fazit
Peru ist eines der Länder weltweit, welches bezüglich der Bildung noch viel Verbesserungsspielraum hat. Besonders der Wissensstand der Schüler ist alarmierend: In einer nationalen Evaluierung konnten nur 11% der Schüler der 6. Klasse Fähigkeiten zum Textverständnis nachweisen[9]. Dies kann man unter anderem auch aus dem Knowledge Economy Index (KEI) ablesen: Peru nimmt hier im Jahr 2007 den 74. Rang ein – im Vergleich dazu liegt Deutschland auf Rang 15[10]!
Es ist daher Zeit für Veränderungen! Ob sich diese alleine durch Bildungspolitik und mehr finanzielle Mittel ausrichten lassen können, ist hier jedoch die Frage. Es müssen nicht nur die großen Unterschiede zwischen privaten und staatlichen Schule ausgeglichen werden[11] – zudem müssen Sonderprogramme den Weg zu universal zugänglicher Bildung ebnen, indem sie „auch die soziale und familiäre Situation der Kinder berücksichtigen“[12]. Auch könnte ein Umdenken aller Eltern, die ihre Kinder für ein wenig Kleingeld einem geregelten Schulalltag entziehen, einen großen Fortschritt darstellen.
Für mich steckt das Land voller Überraschungen; besonders die wunderschöne Natur Perus ist sehr vielseitig und beeindruckt mich immer wieder! Zudem kommen die fremde Kultur, die Offenheit der Menschen und die spannenden Lebensumstände – diese spontane, explosive Mischung macht meinen Alltag hier zu einem echten Abenteuer. Diese Mischung ist aber für mich als Europäer auch der Grund, nicht hier vor Ort zu studieren. Deshalb bin ich froh, mir die Garantie zu sichern, meinen Bachelor-Abschluss in einigen Jahren zu absolvieren!