By Published On: 7. Oktober 2020Categories: Meine Hochschule und mein Studium

Einleitung

 

Ängste und Sorgen hat jeder Mensch. Generell stellt das Gefühl der Angst eine evolutionär nützliche Emotion dar, welche beispielsweise Hinweise auf mögliche Bedrohungsfaktoren geben kann. Nehmen die Ängste jedoch überhand und sind zudem unbegründet, so besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine sogenannte Angststörung handeln. Angststörungen weisen eine Lebenszeitprävalenz von ca. 30 % auf und zählen somit zu den häufigsten psychischen Störungen überhaupt. Es existieren eine Reihe unterschiedlicher Arten an Angststörungen – ihnen allen gemeinsam ist es jedoch, dass die Emotion Angst im Vordergrund der Diagnose steht (Caspar, Pjanic & Westermann, 2018, S. 65).

Was genau ist jedoch unter dem Begriff Angststörung zu verstehen? Wo hört normale Angst auf und wo beginnt krankhafte Angst? Wie entstehen Angststörungen und wie können diese behandelt werden? Der vorliegende Artikel verfolgt das Ziel, Antworten auf diese Fragestellungen zu geben und die verschiedenen Formen von Angststörungen überblicksartig darzustellen.

 

Theorieteil

 

Welche Arten von Angststörungen gibt es?

In der ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) wird zwischen Phobien (Agoraphobie, soziale und spezifische Phobie), anderen Angststörungen (Generalisierte Angststörung und Panikstörung), Zwangsstörungen und Belastungs- und Anpassungsstörungen differenziert. Generell sind Angststörungen durch eine objektiv nicht begründbare Angst zu charakterisieren. Im Folgenden findet sich eine Aufzählung sowie Beschreibung der diesbezüglich relevantesten Krankheitsbilder (Dworschak, 2019):

 

  • Agoraphobie

Grundsätzlich können jegliche Phobien dadurch charakterisiert werden, dass exzessive Angst vor objektiv ungefährlichen (oder zumindest wenig gefährlichen) Situationen bzw. Objekten besteht. Die Agoraphobie kann sowohl mit als auch ohne Panikstörung auftreten. In aller Regel ist es im Kontext der phobischen Störungen so, dass die Angst nahezu immer in eindeutig definierten Situationen oder bei spezifischen Objekten in Erscheinung tritt. Befürchtungen das Haus zu verlassen, Einkaufsläden zu betreten, sich auf öffentlichen Plätzen in Menschenmengen aufzuhalten, alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen – all das sind Phobien, welche der Agoraphobie zugeordnet werden. Bei den betroffenen Personen können die genannten Situationen beispielsweise deswegen Angst auslösen, weil vermutet wird, dass es sich in solchen Kontexten als äußerst schwierig gestalten würde, bei einem Notfall bzw. körperlichen Beschwerden Hilfe zu bekommen. Im Mittelpunkt steht die Angst vor einem Kontrollverlust (Caspar et al., 2018, S. 67).

 

  • Soziale Phobie

Hierbei handelt es sich um eine Phobie, welche sich um die Angst vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen in sozialen Situationen des Alltags dreht. Im Vordergrund steht die Sorge sich zu blamieren, sich bloßzustellen oder zu versagen. Diese Ängste können beispielsweise beim Halten eines Referats auftreten. In der Folge versuchen Betroffene soziale Situationen weitestgehend zu meiden. Somatische Symptome wie Übelkeit oder Zittern sind typisch (Stangier, Clark, Ginzburg & Ehlers, 2016, S. 2-6).

 

  • Spezifische Phobie

Die spezifische Phobie stellt die häufigste Ausprägung einer Angststörung dar. Gegenstand ist eine irrationale Angst, welche sich auf eng umschriebene Situationen oder Objekte bezieht. Auch wenn die Anzahl angstauslösender Situationen kaum überschaubar ist, wird im Allgemeinen zwischen vier spezifischen Untergruppen differenziert (Butcher, Mineka & Hooley, 2009, S. 6):

“ 1. Natürliche Umgebung (Tiere, Insekten, Wasser, Gewitter oder Sturm), 2. Blut, Spritzen, Verletzungen, 3. Situativ (Auto, Flugzeuge, Höhe, Aufzüge, Tunnels, Brücken) und 4. Sonstige (z. B. phobische Vermeidung von Situationen, die zum Ersticken, zum Erbrechen oder zu Krampfanfällen führen könnten).“ (Caspar et al., 2018, S. 68).

 

  • Panikstörung

Im Fokus der Panikstörung steht eine Angstattacke. Diese beschränkt sich zudem nicht auf eine spezifische Situation und wird von Betroffenen daher als unvorhersehbar empfunden. Charakteristisch für eine Panikstörung ist außerdem die Angst vor den körperlichen Symptomen (beispielsweise Brustschmerz, Herzklopfen, Schwindel, Erstickungsgefühl etc.). Solch eine Angstattacke kann innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes entstehen – oftmals innerhalb weniger Minuten – und fühlt sich zudem für die betroffenen Personen subjektiv meist länger an. Generell wird eine Panikattacke als äußerst bedrohlich empfunden und geht nicht selten mit Todesangst einher. In vielen Fällen verspüren Betroffene nach einem Anfall eine starke Angst eine weitere Attacke durchleben zu müssen und auch die jeweiligen Orte einer vorhergehenden Attacke werden möglichst gemieden. Um eine entsprechende Diagnose stellen zu können, müssen sich mehrere schwerwiegende Angstattacken im Zeitraum eines Monats ereignen (Caspar et al., 2018, S. 69-70).

 

  • Generalisierte Angststörung

Ähnlich wie die Panikstörung beschränkt sich die generalisierte Angststörung nicht auf spezifische Situationen. Menschen mit stark ausgeprägter Überängstlichkeit, welche sich zudem stets viele Sorgen machen und sich auch vor zukünftigem Unheil fürchten, haben womöglich eine generalisierte Angststörung entwickelt. Das Leitsymptom dieser Erkrankung ist daher eine permanente Angstsymptomatik gemäß einer andauernden Besorgnis, dass entweder einem selber oder einer vertrauten Person etwas Schlimmes (beispielsweise eine Erkrankung, ein Unfall usw.) zustoßen könnte. Das Angstgefühl geht mit körperlichen Symptomen, wie etwa Anspannung, Benommenheit, Schwitzen, Schwindel oder Herzklopfen einher und kann in der Folge zu Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen führen. Im Hinblick auf eine Diagnose muss sichergestellt werden, dass die Angstgefühle über mehrere Wochen bzw. Monate hinweg an den meisten Tagen aufkommen (Schmidt-Traub, 2017, S. 11-12).

 

  • Zwangsstörung

Auch Zwangsstörungen gehören zur Gruppe der Angststörungen. Charakteristisch für jegliche Zwangsstörungen sind immer wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen.

Zwangsgedanken können als individuelle, bildhafte Vorstellungen, zwanghafte Ideen bzw. zwanghafte Impulse verstanden werden, welche sich den betroffenen Personen geradezu „aufdrängen“ und aufgrund ihres oftmals gewalttätigen Inhalts in aller Regel als belastend empfunden werden (z. B. „Ich könnte jemanden auf die Gleise stoßen/erwürgen“). Die zwanghaften Gedanken sind unwillkürlich, werden aber dennoch so erlebt, als würden sie zur eigenen Person dazugehören (Caspar et al., 2018, S. 71).

Zwangshandlungen sind im Gegensatz dazu meist tatsächlich ausgeführte Handlungsvorgänge. Diese werden zum einen stets wiederholt, zum anderen werden sie auch immer auf exakt gleiche Art und Weise vollzogen. Genau wie die zwanghaften Gedanken, werden auch diese als äußerst unangenehm erlebt – und dennoch fühlt sich die betroffene Person in deren Ausführung gezwungen. Die am weitesten verbreitetsten Zwangshandlungen beziehen sich auf die Hygiene, beispielsweise übertriebenes Händewaschen. Oftmals gestalten sich solche Zwangshandlungen als so zeitaufwendig, dass einer regulären Berufstätigkeit nicht mehr nachgegangen werden kann. Um eine Person mit Zwangsstörungen diagnostizieren zu können, müssen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen entweder Zwangsgedanken oder -handlungen  auftreten, welche die Betroffenen einerseits als quälend empfinden und die sie andererseits von der Ausübung ihrer alltäglichen Tätigkeiten abhalten (Caspar et al., 2018, S. 72).

 

  • Akute Belastungsreaktion

Unter einer akuten Belastungsreaktion ist eine temporäre Störung zu verstehen, welche die Reaktion auf ein psychisch oder physisch belastendes Ereignis, wie beispielsweise ein schwerer Unfall oder eine Naturkatastrophe, darstellt. Im Hinblick auf die Symptome zeigt sich ein vielfältiges Bild: Möglich sind Bewusstseins- und Aufmerksamkeitseinschränkungen, Desorientiertheit sowie die Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten. Darüber hinaus sind Fluchtreaktionen oder Symptome panischer Angst typisch. Das ausschlaggebende Differenzierungsmerkmal zur posttraumatischen Belastungsstörung ist das Folgende: Die akute Belastungsstörung ist zeitlich eingegrenzt auf Stunden oder Tage und klingt danach ab. Die posttraumatische Belastungsstörung tritt im Gegensatz dazu erst später auf (Caspar et al., 2018, S. 73).

 

  • Posttraumatische Belastungsstörung

„Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse (wie z. B. Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, auch in der Kindheit (sog. sexueller Missbrauch), Vergewaltigung, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Krieg, Kriegsgefangenschaft, politische Haft, Folterung, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit), die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können. In vielen Fällen kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit und durch das traumatische Erlebnis zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses.“ (Flatten, 2004, S. 4). Innerhalb von sechs Monaten nach dem jeweiligen traumatischen Ereignis können beispielsweise die nachfolgenden Symptome auftreten: Das Wiedererleben der Situation in sich aufdrängenden Erinnerungen oder Albträumen (sog. Flashbacks), ein andauerndes Gefühl des Betäubtseins und emotionaler Stumpfheit, übermäßige Schreckhaftigkeit, Suizidgedanken etc. (Caspar et al., 2018, S. 73-74).

 

  • Anpassungsstörung

Zuletzt geht es im Sinne einer Anpassungsstörung um Zustände von subjektiver Not sowie emotionaler Beeinträchtigung, welche sowohl das Sozial- als auch das Berufsleben maßgeblich beeinträchtigen. Die Anpassungsstörung kann nach einer gravierenden oder belastenden Lebensveränderungen auftreten (beispielsweise nach einem Trauerfall oder einer Trennung). Die Symptome sind nicht einheitlich, umfassen generell aber depressive Stimmung, Sorgen und Angst (Caspar et al., 2018, S. 74).

 

Fazit

 

Im Rahmen des vorliegenden Blogbeitrags konnten die wichtigsten Formen von Angststörungen anhand ihrer typischen Merkmale spezifisch dargestellt werden. Dabei soll jedoch an dieser Stelle erwähnt werden, dass es sich hierbei lediglich um eine oberflächlich gehaltene Übersicht handelt, welche nicht zu einer Diagnosestellung genutzt werden kann. Die Abgrenzung, wo normale Angst aufhört und krankhafte Angst beginnt, ist nicht immer leicht zu treffen – daher ist in jedem Fall die Begutachtung durch einen Experten nötig. Dennoch ist eines sicher: Wer sich beispielsweise vor Spinnen fürchtet oder aber Nervosität vor dem Halten einer Rede verspürt, hat deshalb noch lange keine Angststörung. Hinsichtlich der Entstehung von Angststörungen existiert kein einheitliches Erklärungsmodell, es werden sowohl genetische, psychodynamische, kognitive, neurobiologische als auch lerntheoretische Theorien herangezogen. Beispielsweise begünstigt das auf die Genetik zurückzuführende Temperamentsmerkmal der Verhaltenshemmung die Ausbildung von Ängsten. Auch weitere Faktoren, wie etwa das Erziehungsverhalten der Eltern, können hier von Relevanz sein. Im Rahmen einer Therapie stellt etwa die Gabe von Psychopharmaka eine Option dar. Darüber hinaus können mittels verhaltenstherapeutischer Verfahren gute Erfolge erzielt werden. Auch spezielle Entspannungspraktiken und Rollenspiele können zur Behandlung von Angststörungen genutzt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Angststörung ohne entsprechender professioneller Behandlung zurückbildet, ist sehr gering (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 320-322).

 

Literatur

 

Butcher, James Neal; Mineka, Susan; Hooley, Jill M.; Plata, Guido; Schleider, Karin (2009): Klinische Psychologie. 13., aktualisierte Aufl. [der amerikan. Ausg.]. München: Pearson Studium (PS – Psychologie). Online verfügbar unter http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-8273-7328-1.

Caspar, Franz; Pjanic, Irena; Westermann, Stefan (2018): Klinische Psychologie. Wiesbaden: Springer VS (Basiswissen Psychologie). Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-531-93317-7.

Dworschak, Philipp (2019): Angststörung. Gelbe Liste. Online verfügbar unter https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/angststoerung, zuletzt aktualisiert am 14.11.2019, zuletzt geprüft am 24.09.2020.

Flatten, Guido (2004): Posttraumatische Belastungsstörung. Leitlinie und Quellentext ; Leitlinien-Entwicklung der Fachvertreter für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Abstimmung mit den AWMF-Fachgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin (DGPM), Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie (AÄGP), Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) ; mit 14 Tabellen. 2., aktualisierte und erw. Aufl. Stuttgart: Schattauer (Leitlinien Psychosomatische Medizin und Psychotherapie).

Lohaus, Arnold; Vierhaus, Marc (2015): Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor. 3., überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer (Springer-Lehrbuch). Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-662-45529-6.

Schmidt-Traub, Sigrun (2017): Generalisierte Angststörung. Ein Ratgeber für übermäßig besorgte und ängstliche Menschen. 2., überarbeitete Auflage. Göttingen: Hogrefe.

Stangier, Ulrich; Clark, David M.; Ginzburg, Denise M.; Ehlers, Anke (2016): Soziale Angststörung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe (Fortschritte der Psychotherapie, Band 28).

Beitragsbild:

Photo by Aarón Blanco Tejedor on Unsplash, https://unsplash.com/photos/VBe9zj-JHBs

Teile diesen Artikel