Prüfungen, Spinnen, Fahrstühle, volle Räume, Flugzeuge, Hunde, Wettkämpfe,… . Jeder gesunde Mensch hat das Gefühl der Angst schon erlebt. In gewissen Lebenssituationen kann sie unser Leben retten. Der Körper wird durch sie in einen spezifischen Aktivierungszustand versetzt. Das Herz schlägt schneller, die Atmung wird erhöht, die Muskulatur durchblutet, Noradrenalin wird ausgeschüttet und der beruhigende Hirnbotenstoff Gamma Amino-Buttersäure wird reduziert. Der Mensch ist bereit zu kämpfen oder zu fliehen (vgl.: Prölß/Schnell/Koch, 2019, S.41).
Warum kommt es zur Angststörung
Kann das alltägliche Leben nicht mehr organisiert werden oder das Leben nicht mehr genossen werden, hat die Angst ein Ausmaß angenommen, welches zum Problem geworden ist. Je nach Umfang des Angsterlebens, dem Schweregrad der erlebten Angst und der Situation, in der sie auftritt oder die sie auslöst, wird sie einer der zahlreichen Angststörungen zugeordnet (vgl.: Gerrig, 2018, S.560).
Die häufigsten Angststörungen sind: Die Generalisierte Angststörung, Betroffene sind unbegründet dauerhaft angespannt und fühlen sich nicht wohl. Die Panikstörung, Betroffene verspüren plötzlich auftretenden Anfälle intensiver Angst. Die Phobie, Betroffene fürchten sich in einer irrationalen Weise vor spezifischen Situationen oder Objekten. Die Zwangsstörung, Betroffen plagen immer wiederkehrende Gedanken oder Handlungen. Posttraumatische Belastungsstörung, Betroffene können ein schlimmes, unkontrolliertes Erlebnis nicht alleine verarbeiten (vgl.: Myers, 2014, S.663). Die neueste Auflage des amerikanischen Diagnosekatalogs DSM-5, an welchem sich der europäische, für das Jahr 2019 angekündigte Katalog, ICD-11 orientiert, hat neue Angststörungen eingeführt. Neu ist die Trennungsangst, Betroffene haben übermäßig Angst von wichtigen Personen getrennt zu werden und der selektive Mutismus, Betroffene werden sprachlos, sie können aus Angst vor Kommunikation mit bestimmten Personen oder in bestimmten Situationen nicht sprechen (vgl.: Prölß/Schnell/Koch, 2019, S.41-52).
Ängste im Kindesalter sind ganz normal und gehören zur Entwicklung dazu. Pathologisch werden sie erst dann, wenn die Ängste über längere Zeit sehr stark ausgeprägt sind und sich auf Inhalte beziehen, die nicht mehr dem Alter entsprechen. Wenn Kinder aufgrund der Ängste anstehende Entwicklungsaufgaben nicht mehr ausführen können, kann eine Angststörung der Grund sein (vgl.: Heinrichs/Lohaus, 2011, S.114f.).
Erklärungsansätze zur Entstehung von Ängsten
In biologischen Ansätzen beschäftigen sich Forscher mit dem evolutionsbiologischen Hintergrund von Angststörungen, den Genen und dem Gehirn. Einige der heutigen Ängste könnten auf Erlebnisse unserer Vorfahren zurückgeführt werden. Da die Überlebenschancen gering waren, wenn mit wilden Tieren gekämpft wurde, wenn die Vorfahren in die Dunkelheit aufbrachen oder plötzlich Unwetter aufkamen, fürchten sich auch heute noch die Menschen in solchen Situationen. Übertreibungen des Individuums in unterschiedlichsten Situationen führen zur Angststörung.
Auch Gene sind an Störungen beteiligt. Studien haben Gene identifiziert, die oft bei typischen Angststörungen vorhanden sind. Das Gleichgewicht von Botenstoffen wie Serotonin, Noradrenalin, Glutamat oder Gamma-Aminobuttersäure wird durch sie gestört (vgl.: Myers, 2014, S.670). Zusätzlich wurden Veränderungen in bestimmten Gehirnarealen festgestellt, die für die Steuerung menschlicher Emotionen zuständig sind (vgl.: Schandry, 2016, S.455).
Im psychodynamischen Modell sind Gründe für Angststörungen zugrunde liegende psychische Konflikte. Symptome wie ein Panikattacken sind demnach Versuche der eigenen Psyche, sich vor psychischen Schmerzen zu bewahren (vgl.: Gerrig, 2018, S.566).
In Lerntheoretischen Ansätzen forschen Wissenschaftler an:
-Angstkonditionierung, spezifische Lernprozesse können an Ängsten beteiligt sein. Dabei begünstigen negative Lernerfahrungen die Aufrechterhaltung von Ängsten; Beobachtungslernen, durch das Beobachten von Ängsten können diese erlernt werden; Denkprozessen, Angst entsteht, wenn Menschen in erhöhtem Maß wachsam sind, Ängste zu erleben. Wenn diese Aufdringlichen Gedanken nicht abgestellt werden können (vgl.: Myers, 2014, S.669).
PD Dr. med. und Dr. phil. Alfried Längle Begründer der Personalen Existenzanalyse, entwickelte ein Strukturmodell der Existenzanalyse, mit vier existentiellen Grundmotivationen, wenn diese nicht befriedigt werden, können nach seiner Theorie verschieden Ängste entstehen (Leu, 2018, Kapitel 2.2).
– Die Erste Grundmotivation entspricht der Welt, das ist die Realität, in der der Mensch lebt. Voraussetzungen um ein Grundvertrauen entwickeln zu können sind Halt und Schutz. Bei Defiziten in den Voraussetzungen entstehen Angst vor Haltverlust, vor Kontrollverlust oder, dass etwas Schreckliches passieren könnte.
– Die Zweite Grundmotivation entspricht dem Leben, der im Körper begründeten Vitalität, die für Wachstum und Reife zuständig ist. Voraussetzungen sind Beziehung, Zeit und Nähe. Bei Defiziten entsteht Angst vor Beziehungsverlust und Beziehungslosigkeit.
– Die Dritte Grundmotivation entspricht dem Sich-selbst-Sein, dem Fakt, dieses Leben immer dasselbe Ich sein zu müssen. Voraussetzungen sind Beachtung, Gerechtigkeit und Wertschätzung, bei Defiziten entsteht Angst vor Verluste des Ansehens oder der Wertschätzung.
– Die Vierte Grundmotivation entspricht dem Stehen in größeren Kontext, beschreibt die Werte, für die der Mensch steht. Voraussetzungen sind das Gefühl für Sinn in der Zukunft, bei Defiziten entstehen Angst vor Leere, Sinnlosigkeit oder auch Zukunftsängste (vgl.: Längle, 2016, S.67f.).
Behandlungsansätze
Den größten Wirksamkeitsnachweis bringen die kognitive Verhaltenstherapie, eine medikamentöse Therapie oder einer Kombination aus beiden.
In der kognitiven Verhaltenstherapie bekommt der Patient das Verständnis, welche Denkabläufe seiner Angst zugrunde liegen und welche sie verstärken. In Konfrontationsübungen können vermeidende Verhaltensweisen bewusst korrigiert werden. Der Patient merkt im Beisein seines Therapeuten, dass die Angst von selbst auch wieder nachlässt. Auf diese Weise können auch starke Ängste erfolgreich behandelt werden (vgl.: Bandelow, 2019).
Bei der medikamentösen Therapie werden Antidepressiva verwendet. Selektive Serotonin- und Serotonin-Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer werden am häufigsten eingesetzt. Es sind auch noch andere Medikamente gut wirksam, wie zum Beispiel Benzodiazepine diese haben jedoch ein Abhängigkeitsrisiko und sollten daher nur in Ausnahmefällen bei starken Ängsten eingesetzt werden. Medikamentöse Therapien sollten auch nach einer Besserung noch sechs bis zwölf Monate weiter durchgeführt werden (vgl.: Bandelow, 2019).
Fazit
Verschiedenste Erklärungsansätze und Theorien begründen die Entstehung von Ängsten und bilden die Basis jeder Therapie. Der Patient muss ein Verständnis dafür bekommen, wo die Angst ihre Wurzeln hat. Wenn dieses erkannt wurden, können sie durch neue Verhaltensweisen ersetzt werden und die Angst verringert sich. Atem- und Entspannungsübungen zu erlernen kann sehr hilfreich sein bei der Bewältigung oft unbegründeter Ängste. Ist die Ursache bekannt, aber die Konfrontation damit wird trotzdem gemieden, wird dadurch die Angst immer stärker.
Literaturverzeichnis
Bandelow, B. (2019). www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org. (S. Monks, Hrsg.) Abgerufen am 5. . November 2019 von https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/angsterkrankungen/therapie/.
Gerrig, R. J. (2018). Psychologie (Bde. 20., aktualisierte und erweiterte Auflage). Hallbergmoos: Pearson.
Heinrichs, N., & Lohaus, A. (2011). Klinische Entwicklungspsychologie kompakt. Psychische Störungen in Kindes- und Jugendalter; Mit Add-on (Bde. Anwendung Psychologie, 1. Auflage). Weinheim: Beltz.
Längle, A. (2016). Existenzanalyse: Existentielle Zugänge der Psychotherapie. Wien: Facultas.
Leu, B. (2018). Angst, Verlust, Trauer und die Frage nach dem Sinn. Berlin, Heidelberg: Springer.
Prölß, A., Schnell, T., & Koch, L. (2019). Psychische StörungsBILDER. Berlin, Heidelberg: Springer.
Schandry, R. (2016). Biologische Psychologie (4., überarbeitete Auflage). Weinheim: Beltz.
Bildquelle
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