By Published On: 10. Juni 2024Categories: Psychologie


Ob Horrorfilme, Schauerromane, Unfälle, Naturkatastrophen oder Kriegsberichte. Das sind alles grausame Vorstellungen. Doch genau diese schrecklichen Vorstellungen sehen und hören sich viele Menschen mit Neugierde oder Spannung an. Menschen setzen sich bewusst angsteinflößenden Nachrichten und Bildern aus und nehmen sogar daraus entstehende Albträume in Kauf.

Gegensätzliche Wortbildungen wie Hassliebe, auch Oxymorons genannt, wurden bereits von den alten Griechen verwendet. Schon in der Antike schauten sich Menschen gespannt Tragödien an, in denen es um Leben und Tod oder um schmerzhafte Liebesgeschichten ging.  Das Spiel der Gegensätze scheint etwas Anziehendes an sich zu haben (Aumüller, 2023).

Die Spannung ist eine wichtige Facette der Angstlust, die besonders in Horror und Thriller Filmen wiederzufinden ist. Spannung entsteht, wenn der Ausgang des Geschehens offen ist und Fragen aufwirft. Je weniger Ausgangsmöglichkeiten zur Auswahl stehen, desto spannender wird es. Meistens geht es um Leben oder Tod. Je belastender und stärker die Spannungserregung ist, desto befriedigender wird die Entlastung nach der Auflösung empfunden. Die Angstlust ist keine reale Angst, sondern eine „als ob Angst“. Dieses Erleben löst Neugierde und Nervenkitzel aus (Frizzoni, 2012, S. 2-4)

Bei der Angstlust werden drei Schritte durchlaufen. Im ersten Schritt will die Person bewusst Angstlust erleben. Wodurch sich die Person im zweiten Schritt bewusst der Angst bzw. der Gefahr aussetzt, um diese Angst zu erzeugen. Dabei hat die Person im dritten Schritt die Hoffnung und das Vertrauen, die Situation unbeschadet zu überstehen. Die Angstlust kann nicht nur passiv, sondern auch aktiv auf unterschiedliche Weise durch Nervenkitzel wie in Extremsportarten (z.B. Bungee-Jumping, S-Bahn-Surfen o.ä.) oder auch in der Sexualität ausgelebt werden (Csef, 1998, S. 39-40).

Die psychologische Erklärung der Angstlust

Angst ist ein emotionaler Erregungszustand, welcher durch wahrgenommene Hinweise, die auf Vorstellungen von psychischer Bedrohung oder physischer Gefährdung hindeuten. Angstzustände lösen Spannung und körperliche Erregungsanzeichen aus (Fröhlich, 2017, S. 61).

Lust bezeichnet den Wunsch bzw. das Streben nach der Erfüllung von Triebansprüchen oder das Erfüllen seiner Vorstellung und Fantasie (Fröhlich, 2017, S. 310).

Horrorszenarien lösen ein elektrisierendes Gefühl, ein Nervenkitzel aus, was viele Menschen anzieht. Erleben Menschen sehr starke Gefühle wie Angst, wird der Körper von Hormonen und Botenstoffen überströmt. Angst wird im Gehirn als Bedrohung registriert. Stresshormone und Adrenalin werden im Körper ausgeschüttet. Dadurch werden körperliche Prozesse wie Blutdruck, Blutzuckerspiegel, Herz-, Atemfrequenz und Sauerstoffaufnahme erhöht. Alle Sinne verschärfen sich und die Muskelaktivität steigt. Ist die Angst bzw. Gefahr überstanden, so werden im Körper Endorphine ausgeschüttet, die wie eine Belohnung wirken. Sie lösen Glücksgefühle aus (Demmelhuber, 2018).

Laut dem Psychiater Prof. Bandelow verspürt jeder Mensch eine gewisse Lust an Gefahr und an Angst. Dabei handelt es sich vielmehr um inszenierte Angst und nicht um reale Situationen. Der dabei erlebte Nervenkitzel und das Vertrauen, dass am Ende die Situation gut ausgeht, dominiert gegenüber der verspürten Angst. Auch wird im Gehirn in Angst- und Stresssituationen Endorphine freigesetzt, welche Hochgefühle in den Menschen auslösen. Während die Angst nach der Situation sofort erlischt, zirkulieren die euphorisierenden Stoffe noch eine Weile in der Blutbahn, weswegen das Hochgefühl bei Angstlust länger anhält als die eigentliche Angst (Bandelow, 2020. S. 73-83). Hinzu kommt, dass je mehr Erfahrung eine Person mit Horrorszenarien hat, desto weniger gefährlich werden die Reize dieser Angstsituation im Gehirn eingestuft. Die vom Körper empfangenen Reize gelangen über den Cortex in die Amygdala, wo innerhalb einer sehr kurzen Zeit eine Entscheidung getroffen wird, ob die Reize gefährlich sind oder nicht. Bereits im Cortex werden die Reize erstmals bewertet und analytisch eingeschätzt. Dabei wird auf die abgespeicherten Erinnerungen im Hippocampus zurückgegriffen. Wurden bereits viele Erinnerungen solcher Horrorszenarien, Gewalt und Psychothriller gesammelt, so werden die Reize in der Amygdala als nicht wirklich gefährlich bewertet (Schwelgengräber, 2022, S. 86).

Fazit

Thriller, Krimis oder auch Katastrophen- und Kriegsnachrichten sind mit Neugierde und Spannung verbunden. Um die Neugierde zu stillen und die Spannung zu erleben, geben sich Menschen der Angstlust hin. Einige Personen wollen aber auch genau dieses sehr starke Gefühl der Angstlust erleben. Dieses wird insbesondere bei Horrorfilmen oder Extremsportarten erlebt. Das im Körper freigesetzte Adrenalin gibt einen den gewünschten Kick, welches durch die Freisetzung von Endorphinen zusätzlich ein Glücksgefühl ausgelöst. Angstlust kann bei einigen Personen daher wie eine Droge wirken. Sie sind ständig auf der Suche nach diesem „Kick“ und wollen ihr Bedürfnis danach befriedigen.

Literatur

Aumüller, S. (2023). Angstforscherin Katharina Domscke:“Angst ist die Reinigung“. Aufgerufen am 02.01.2024. Verfügbar unter https://www.derstandard.de/story/2000145587998/angstforscherin-katharina-domschke-angstlust-ist-reinigung

Bandelow, B. (2020). Angstlust – Ein Psychiater über die Anziehungskraft des Grauens. GEO Wissen, No. 69, S. 73-83

Csef, H. (1998). Neue Formen der Angstlust und deren Implikationen für die Objektbeziehungslehre Michael Balints. Psychotherapie Forum, Bd. 6, Heft 1, S. 39-46

Demmelhuber, S. (2018). Echte Gänsehautgefühle. Aufgerufen am 02.01.2024. Verfügbar unter https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/psychologie/gruseln-grauen-gaensehaut-100.html

.Frizzoni, B. (2012). Spannung!!! Spannung??? Facetten der Angstlust. Buch&Maus, (3), S. 2-4. https://doi.org/10.5167/uzh-67353

Fröhlich, W. D. (2017). Wörterbuch Psychologie. (5. Aufl.). Dtv: München.

Schwelgengräber, W. (2022). Wer sehen will, muss spüren – Warum uns manche Serien und Filme berühren und uns andere kaltlassen. Springer: Wiesbaden.

Titelbildquelle

Bild von Gebriele Picello (2020). In Pixabay. Aufgerufen am 26.12.2023. Verfügbar unter https://pixabay.com/de/photos/puppe-langeweile-coronavirus-grusel-4929364/

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