By Published On: 20. März 2023Categories: Psychologie

Er fiel anfangs ausschließlich durch Vandalismus auf. Als Nächstes wurde ein Schulverweis ausgesprochen. Danach erfolgten einige Verhaftungen. Der Ausriss von daheim war keine Seltenheit. Seine äußerliche Erscheinung wirkte nie besonders gepflegt. Den ausgewählten Job hielt er nur einige Tage durch und kündigte anschließend. Auffällig waren ebenso, dass er Einzelgänger war und die Eigenschaften Aggressivität sowie ein selbstzentriertes Verhalten aufwies (Mineka et al., 2009, S. 466).

Symptomatik

Die beschriebene psychische Erkrankung wird im ICD-10 als Dissoziale Persönlichkeitsstörung bezeichnet und im DSM-5 im Cluster B als Antisoziale Persönlichkeitsstörung (Benecke , 2014, S. 393–394). Darüber hinaus besteht eine weitere Bezeichnung als Psychopathie, diese ist eng verwandt mit der Antisozialen und Dissozialen Persönlichkeitsstörung. 1941 führte Cleckley dazu Kriterien auf, welche sich weniger auf das Verhalten fokussierten, sondern auf der Betrachtung der Psyche der Schwerpunkt lag. Als schwere Form einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung wird die Psychopathie beschrieben.

Das zu Beginn aufgeführte Beispiel beschreibt bereits einige Merkmale einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung. Um auf diese nochmals genauer einzugehen, werden folgend einige Symptome beschrieben.

Betroffene Personen weisen oftmals eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber den Mitmenschen auf. Unzuverlässigkeit sowie die Nichtbeachtung von sozialen Normen sind weiter zu nennen. Der Beginn des Missachtens von sozialen Normen hat ihren Beginn meist schon früh. Verhaltensauffälligkeiten wie z.B. eine Unterrichtsstörung im Klassenzimmer oder die Beteiligung an einer Prügelei sind nicht selten (Gerrig et al., 2018, S. 592). Eine Beziehung hält meist nicht lange an und aus Erfahrungen ergeben sich meistens keine Rückschlüsse. Kriminelle Tätigkeiten können mittlerweile bei einigen nachgewiesen werden (Köhler, 2020, S.141).

Diagnostik

Es bestehen hinsichtlich dem ICD-10 sowie dem DSM-5 Kriterien, an denen sich für das Stellen einer Diagnose orientiert wird. In dem DSM-5 sind folgende Kriterien zu finden:

„A: Es besteht ein tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, das seit dem 15. Lebensjahr auftritt. Mindestens 3 der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:“

  1. „Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftlichen Normen anzupassen, was sich in wiederholtem Begehen von Handlungen äußert, die einen Grund für eine Festnahme darstellen.“
  2. „Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Decknamen oder dem Betrügen anderer zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen äußert.“
  3. „Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen.“
  4. „Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien oder Überfällen äußert.“
  5. „Rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit oder der Sicherheit anderer.“
  6. „Durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich in wiederholtem Versagen zeigt, eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.“
  7. „Fehlende Reue, die sich in Gleichmütigkeit oder Rationalisierung äußert, wenn die Personen andere Menschen gekränkt, misshandelt oder bestohlen hat.“

„B: Die Person ist mindestens 18 Jahre alt.“

„C: Eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des 15. Lebensjahr erkennbar.“

„D: Das antisoziale Verhalten tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder einer bipolaren Störung auf.“ (Nettelbladt, 2019, S.245).

Beim Unterziehen eines Vergleiches der beiden Kriterien von ICD-10 und DSM-5 fällt auf, dass hinsichtlich des DSM-5 ein Kriterium mehr besteht.  Außerdem unterscheiden sich die Kriterien des DSM-5 an der deutlicheren Betrachtung des Verhaltens z.B. anhand der Gründe für eine Ablehnung der Beachtung der eigenen Sicherheit (Benecke, 2014, S. 393). Kritik fand bereits hinsichtlich des DSM-5 Konzeptes statt. Dies betraf Merkmale, die einer tiefgreifenden Störung der Entwicklung des eigenen Charakters zu wenig Betrachtung finden. Eine erhöhte Anzahl der Diagnosen sowie eine fehlerhafte Beachtung des Grads der Schwere (Ahrens/Schneider, 2018, S. 225).

Epidemiologie

Hinsichtlich des Anteils an betroffenen Personen ergibt sich bei Frauen der Wert von 1-2% und bei Männern 3%. Weiterhin bestehen Begleiterkrankungen wie ADHS oder Suchtprobleme. Ebenso können zusammen mit APS die narzisstische und die Borderline-PS in einer Diagnose festgestellt werden. Besonders männliche Personen, welche eine APS aufweisen, befinden sich häufig im Maßregelvollzug. Der Anteil liegt hierbei bei 50-80%, hiervon liegt die Zahl der ausgeprägten Psychopathen bei 15% (Prölß et al., 2019, S. 126).

Entstehung/ Ursachen der Antisozialen Persönlichkeitsstörung

Die Entstehung von der Antisozialen Persönlichkeitsstörung lässt sich auf einige Faktoren zurückführen. Dazu zählen zum einen die biologischen Faktoren. An eineiigen Zwillingen fand eine Untersuchung statt, welche eine Konkordanzrate für die Störung von 50-60% aufwies. Ein weiterer möglicher Grund für die Entstehung ist das Vorhandensein von Suchterkrankungen der Eltern sowie Komplikationen im Zeitraum der Schwangerschaft.

Bei der Betrachtung des Gehirns anhand von bildgebenden Verfahren wird eine Störung der Kontrolle von Affekten hinsichtlich der frontalen und limbischen Strukturen ersichtlich. Die Forschung klassifiziert noch eine weitere Ursache für das Entstehen von Antisozialer Persönlichkeitsstörung. Dabei wird von einer Misshandlung im Kindesalter gesprochen (Gerrig et al., 2018, S. 593).

Außerdem wurde festgestellt, dass bei Antisozialen Persönlichkeitsstörungen Hirnstrukturen Veränderungen aufweisen. Eine Reduktion des Volumens und eine Abnahme der Aktivität von frontalen Hirnstrukturen kann ebenso vorliegen (Roth/Strüber, 2009). Neben diesen aufgezählten möglichen Faktoren bestehen einige weitere.

Unterschiedliche Schemamodi  

Betroffene Personen mit der Diagnose Antisoziale Persönlichkeitsstörung kennzeichnen sich durch einen pathogenen Schemamodus. Insbesondere werden vier Gruppen von Modi differenziert. Ein Modi stellt einen aktuellen Zustand, welcher erlebt wird dar. Zuerst bestehen kindliche Modi. Diese teilen sich in ein vulnerables Kind, ärgerlich-wütendes Kind sowie impulsiv-undiszipliniertes Kind ein. Das vulnerable Kind zeigt die Eigenschaften des Empfindens von Verletzbarkeit, die Überwältigung von negativen Gefühlen wie z.B. einsam oder traurig. Des Weiteren ist das ärgerlich-wütende Kind aufzuzählen. Das Verhalten ähnelt einem Kind, welches einen Wutanfall hat. Es wird dabei das Gefühl einer ungerechten Behandlung empfunden. Ähnlichkeit erweist sich in Bezug auf das vulnerable Kind. Zuletzt findet das impulsiv-undisziplinierte Kind Beschreibung. Verhalten, welches aufgewiesen wird, gleicht einem verwöhntem Kind, welches alles bekommen möchte.

Dagegen besteht ein typischer dysfunktionalerer Elternmodi, welcher als strafender, kritischer Elternteil bezeichnet wird. Hierbei herrscht eine Beurteilung, welche oftmals gegen die eigene Person geht. Weiterhin werden Schamgefühle ausgelöst (Dulz et al., 2018, S. 462–463).

Möglichkeiten der Therapie

Bislang ist das Vorhandensein von erfolgsversprechenden Berichten über die Erfolge der Behandlung gering. Multimodale, gut strukturierte Programme der Behandlung mit verhaltenstherapeutischen und kognitiven Elementen hingegen zeigen positive Auswirkungen auf. Durch Trainingsprogramme erlernt der*die Patient*in eine Beobachtung des eigenen Selbst, eine Betrachtung von Handlungen, welche sich als aggressiv aufweisen. Durch diese und weitere Beobachtungen soll der*die Patient*in eine Kontrolle über das Selbst erhalten (Ahrens/Schneider, 2018, S. 226).

Fazit

Bei der Entstehung bzw. den Ursachen von Antisozialer Persönlichkeitsstörungen findet eine Zurückführung auf die Genetik oder organische Ursachen statt. Da die Antisoziale Persönlichkeitsstörung meist einen schweren Grad aufweist und oftmals schwerwiegende Folgen mit sich bringt ist die Thematik schwierig. Die Wirkung der Behandlung ist abhängig von der Motivation, welche der*die Patient*in besitzt.


Quellenverzeichnis:

Ahrens, S./Schneider, W. (2018), Lehrbuch der Psychotherapie und Psychosomatischen Medizin, Stuttgart

Benecke, C. (2014), Klinische Psychologie und Psychotherapie. Ein integratives Lehrbuch, Kohlhammer

Dulz, B./Briken, P./Kernberg, O. F./Rauchfleisch, U. (2018), Handbuch der Antisozialen Persönlichkeitsstörung, Stuttgart

Gerrig, R. J./Dörfler, T./Roos, J. (2018), Psychologie, 21. Aufl., Hallbergmoos/Germany

Köhler, T. (2020), MEDIZIN FUR PSYCHOLOGEN UND PSYCHOTHERAPEUTEN;. ORIENTIERT AN DER APPROBATIONSORDNUNG FUR PSYCHOLOGISCHE, 4. Aufl., [S.l.]

Mineka, S./Hooley, J. M./Butcher, J. N. (2009), Klinische Psychologie, München

Nettelbladt, F. von (2019), Antisoziale Persönlichkeitsstörung, Psychotherapeut, 64. Jg., Nr. 3, S. 241–258

Prölß, A./Schnell, T./Koch, L. J. (2019), Antisoziale Persönlichkeitsstörung (APS), Dissoziale Persönlichkeitsstörung (DPS) und Psychopathie. In: Prölß, A./Schnell, T./Koch, L. J. (Hrsg.), Psychische StörungsBILDER, Berlin, Heidelberg, S. 121–127

Roth, G./Strüber, D. (2009), Neurobiologische Aspekte reaktiver und proaktiver Gewalt bei antisozialer Persönlichkeitsstörung und „Psychopathie“, Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 58. Jg., Nr. 8, S. 587–609

Bildquelle:

geralt (2014a), Ketten Gefangen Psyche Mann Patient Augen Leiden, in: https://pixabay.com/de/photos/ketten-gefangen-psyche-mann-433541/ , abgerufen am 14.03.2023

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