Assistenzhunde für Menschen mit Epilepsie sind entscheidend für die Förderung von Teilhabe und Selbstständigkeit. Diese speziell ausgebildeten Hunde kombinieren tierische Intuition mit medizinischer Hilfe, was dazu beiträgt, die Herausforderungen der neurologischen Erkrankung zu meistern. Sie bieten emotionale Unterstützung und praktische Hilfe, indem sie beispielsweiße auf bevorstehende Anfälle reagieren und Sicherheit im Alltag gewährleisten. Sie stärken das Vertrauen der Betroffenen, verbessern deren Lebensqualität und aktivieren persönliche Ressourcen. Besonders für Personen mit häufigen oder schweren Anfällen sind sie eine wertvolle Unterstützung und bieten innovative Ansätze zur Bewältigung komplexer medizinischer Probleme. 1
1 Vgl. Deutsche Epilepsievereinigung (2020), Epi-Lichtblick (2018); Bundesregierung (2024)
Arten von Epilepsie-Assistenzhunden
Es gibt zwei Haupttypen, welche sich in der Art der Hilfeleistung unterscheiden.
- Epilepsiewarnhunde: Diese Hunde können einen bevorstehenden (fokalen) epileptischen Anfall oft einige Zeit im Voraus erkennen und signalisieren dies dem Epileptiker (z.B. durch anstupsen, lecken oder Pfote auflegen). Dies ermöglicht es dem Betroffenen, sich in Sicherheit zu bringen (z.B. sich hinzusetzen oder hinzulegen) und andere Person auf den sich anbahnenden Anfall aufmerksam zu machen
- Epilepsieanzeigehunde: Sie lernen, auf einen bereits eingetretenen Anfall zu reagieren und Hilfe zu holen (beispielsweise Angehörige alarmieren) oder dem Betroffenen beizustehen
Der Unterschied zwischen dem Warnhund und dem Anzeigehund ist, dass der Epilepsieanzeigehund lernt, auf einen Anfall zu reagieren, indem er Angehörige informiert. Er kann jedoch keine Anfälle (wie der Warnhund) im Voraus erkennen, sondern reagiert ausschließlich während des Anfalls. „Ein Hund muss als Epilepsiewarnhund geboren werden, man kann ihn nicht zum Epilepsiewarnhund machen!“ Bei Epilepsiewarnhunden muss die Gabe der Fähigkeiten von Geburt an da sein. Ein Eignungstest ist von Nöten. 2
2 Vgl. Epi-Lichtblick (2018); Deutsches Assistenzhunde-Zentrum (2024); Wohlfarth et al. (2013), S.90; Thum (2020)
Ausbildung, Aufgaben und Fähigkeiten
Epilepsie-Assistenzhunde können vielfältige Aufgaben übernehmen, jedoch sind nicht alle Hunde für diese Aufgaben geeignet (aufgrund nicht vorhandener Fähigkeiten). Wichtige Eigenschaften sind hohe Sensibilität und die Fähigkeit, subtile Veränderungen beim Menschen wahrzunehmen. Die Ausbildung dauert etwa 18-24 Monate und erfordert Geduld, spezielle Techniken sowie Fachkenntnisse. Die Hunde lernen, die individuellen Warnsignale ihres Besitzers zu erkennen und darauf zu reagieren, was durch positive Verstärkung und regelmäßige Übung mit professionellen Hundetrainern erfolgt. Die Ausbildung erfolgt meistens in Selbstausbildung (Betroffene leben mit Hund und werden von Assistenzhundetrainierenden unterstützt).
-Erkennen fokaler Anfälle (einige Minuten im Voraus) -> Warnung
-Alarmierung von Angehörigen oder des Rettungsdienstes (z.B. durch Bellen, Betätigen eines Notfalltelefon- oder Knopf)
-Bringen eines Handys, Notfallmedikation oder Messgeräten auf Kommando
-Gewährleistung von Sicherheit (bleibt in der Nähe; Begleitung nach Hause bei Orientierungslosigkeit; Führen des Betroffenen zu einem sicheren Ort (z.B. Sitzgelegenheit)
->Verhinderung gefährlicher Situationen (Warnhund: vor dem Anfall z.B. Treppensteigen)
-Beruhigung des Betroffenen (durch Nähe und Wärme) -> Spenden von Trost und emotionaler Unterstützung
-Erinnerung an die Einnahme von Medikamenten
3
Zu erwähnen gilt, dass die Anwesenheit von Hunden die Häufigkeit von Anfällen reduzieren kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob es systematische ausgebildete Epilepsiehunde sind. Dies wurde in verschiedensten Studien beschrieben.4
Forschende einer Studie sollen entdeckt haben, dass Hunde in der Lage sind, eine abnehmende Sauerstoffsättigung zu erkennen, was ihr Warnverhalten auslöst. Diese sinkende Sauerstoffsättigung führt zu subtilen Veränderungen in der Atemgeschwindigkeit, die für Menschen unauffällig bleiben. Die Forscher vermuten, dass Hunde diese feinen Atemgeräusche wahrnehmen können, da sie häufig ihre Ohren bewegen, um das Geräusch zu lokalisieren, bevor sie sich dem Betroffenen nähern. 5 Darüber hinaus könnten Mechanismen wie die Ausschüttung von Neurotransmittern und Hormonen zu einem veränderten Körpergeruch führen, den Hunde dank ihres ausgeprägten Geruchssinns wahrnehmen können. Zudem kündigen sich Anfälle oft durch Veränderungen in der Motorik und Stimmung an, weshalb Hunde auch minimale Verhaltensänderungen aufmerksam beobachten. 6
3 Vgl. Deutsches Assistenzhunde-Zentrum (2024); Epi-Lichtblick (2018); Wohlfarth et al. (2013), S.90,92-94; Thum (2020)
4 Vgl. Wohlfarth et al. (2013), S.94-95; Epi-Lichtblick (2018)
5 Vgl. Epi-Lichtblick (2018)
6 Vgl. Wohlfarth et al. (2013), S.92
Positive Auswirkungen
Die Vorteile von Warn- und Anzeige-Assistenzhunden für Menschen mit Epilepsie sind vielfältig. So tragen sie dazu bei, die Lebensqualität und die Sicherheit ihrer Besitzer zu verbessern:
- Verringerung von Anfallshäufigkeit (durch Studien bewiesen)
- Emotionale und psychische Unterstützung (z.B. Angst- und Depressionszustände können gelindert werden)
- Verbesserung sozialer Beziehungen (z.B. Hunde dienen als „Icebreaker“, dies fördert soziale Interaktionen)
- Erhöhung der Sicherheit und Unabhängigkeit (z.B. Bewältigen von Alltagsaufgaben)
- Steigerung des Selbstbewusstseins
7
Im Übrigen können Menschen mit einer Behinderung seit 2021 ihren Assistenzhund fast überallhin mitnehmen. Das ist im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) geregelt. 8
7 Vgl. Wohlfarth et al. (2013), S.95; Epi-Lichtblick (2018); Deutsches Assistenzhunde-Zentrum (2024)
8 Vgl. BMAS (2024); BMAS (2021)
Fazit
Epilepsie-Assistenzhunde sind weit mehr als nur treue Begleiter. Sie können Leben retten, Sicherheit bieten und die Lebensqualität von Menschen mit Epilepsie erheblich erhöhen. Durch ihre speziellen Fähigkeiten und intensive Ausbildung werden sie zu unverzichtbaren Partnern im Alltag ihrer Halter. Diese Hunde stellen eine innovative und lebensverändernde Unterstützung dar, die den Alltag grundlegend verbessert. Die positiven Rückmeldungen von Epileptikern, die mit Assistenzhunden leben, belegen den hohen Wert dieser vierbeinigen Helfer.9 Es wird von einer Reduzierung ihrer Anfälle sowie einem neu gewonnenen Gefühl von Freiheit und Sicherheit gesprochen. Letztendlich sind diese Hunde nicht nur Hilfsmittel, sondern treue Gefährten, die das Leben ihrer Menschen bereichern und ihnen ein erfüllteres, selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Sie sind ein herausragendes Beispiel dafür, wie die Verbindung zwischen Menschen und Tier innovative Lösungen für komplexe medizinische Herausforderungen bieten kann.
9 Vgl. Wohlfarth et al. (2013), S.95
Empfohlene Links:
Epileptischer Anfall: Manu ist 24/7 in Lebensgefahr – YouTube in
https://www.youtube.com/watch?v=JNPmVKPeiKQ
Nachweise
Abbildungsverzeichnis
Titelbildquelle:
designed by freepik, Schließen Sie herauf Hund, der auf Hand sitzt, www.freepik.com, abgerufen am 21.10.2024 unter: https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/schliessen-sie-herauf-hund-der-auf-hand-sitzt_13818145.htm#fromView=search&page=1&position=21&uuid=3654c196-0f49-4728-a386-fa230b5520a1
Abbildung 1:
designed by freepik, Entzückender kleiner Hund, der mit seinem Besitzer spielt, www.freepik.com, abgerufen am 21.10.2024 unter: https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/entzueckender-kleiner-hund-der-mit-seinem-besitzer-spielt_8715192.htm#fromView=search&page=2&position=38&uuid=3654c196-0f49-4728-a386-fa230b5520a1
Literaturverzeichnis
BMAS (2021), Aufbruch für mehr Barrierefreiheit − Neue Koalition setzt Maßstäbe, in: https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/2021/aufbruch-fuer-mehr-barrierefreiheit-neue-koalition-setzt-massstaebe.html?cms_templateQueryString=Zutrittsrechte, abgerufen am 28.10.2024
BMAS (2024), Fragen und Antworten zur Assistenzhundeverordnung (AHundV), in: https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/Assistenzhunde/Fragen-und-Antworten-AHundV/faq-ahundv.html, abgerufen am 28.10.24.
Bundesregierung (2024), Wie Assistenzhunde das Leben leichter machen, in: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/arbeit-und-soziales/assistenzhundverordnung-2268252, abgerufen am 28.10.24.
Deutsche Epilepsievereinigung (2020), Epileptische Anfälle und Epilepsien, in: https://www.epilepsie-vereinigung.de/wp-content/uploads/2020/01/Epileptische-Anfaelle-und-Epilepsien.pdf, abgerufen am 28.10.24.
Deutsches Assistenzhunde-Zentrum (2024), Assistenzhunde. Epilepsiewarn- und Epilepsieanzeigehund, in: http://www.assistenzhunde-zentrum.de/index.php/epilepsiewarnhund2, abgerufen am 28.10.24.
Epi-Lichtblick (2018), Epilepsiehunde: Epilepsiewarnhund – Epilepsieanzeigehund. Von Menschen mit Epilepsie – für Menschen mit Epilepsie, Angehörige und Interessenten, in: https://epi-lichtblick.de/hilfsmittel-sensoren-epileptiker/epilepsiewarnhund-epilepsieanzeigehund/#toggle-id-2, abgerufen am 18.10.24.
Thum, K. (2020), Die genialen Fähigkeiten eines Epilepsiewarnhundes, in: https://hunderunden.de/artikel/epilepsiewarnhund, abgerufen am 20.10.24.
Wohlfarth, R., Mutschler, B., Bitzer, E. (2013), Der Epilepsiehund – Traumtänzerei, Tierquälerei oder sinnvoller Einsatz? Zeitschrift für Epileptologie, 26, Nr. 2, S. 90–97.