Alles in bester Ordnung (?)
Einfach mal „Fünfe gerade sein lassen“? Für Menschen mit zwanghafter (anankastischer) Persönlichkeitsstörung ist das schwer vorstellbar. Sie sind überdurchschnittlich perfektionistisch, pedantisch und gewissenhaft. Doch was unterscheidet „normale“ Ordnungsliebe oder Genauigkeit von einer pathologischen Störung? Und: Wie lässt sich eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung von einer Zwangsstörung abgrenzen? Ein Überblick. Was ist eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung? Persönlichkeitsstörungen sind sozusagen die „Extremvarianten“ unter den Persönlichkeitstypen. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung (kurz: PS) weisen tief verwurzelte, weitgehend stabile und starre Denk- und Verhaltensmuster auf, die deutlich von der Norm abweichen.[1] Je nachdem, welche Muster im Vordergrund stehen, unterscheiden Fachleute zwischen verschiedenen Formen von PS. Die anankastische PS [...]
„Going green to be seen“: Umweltfreundlich für den Status
Das teure Hybridauto hier, die kostspielige Photovoltaikanlage da: „Grüne“ Produkte sind gefragt. Die Käufer*innen sind bereit, dafür viel Geld zu zahlen. Umweltschutz ist ihnen viel wert – sollte man meinen. Doch bei der Kaufentscheidung steht das Umweltbewusstsein bei vielen offenbar gar nicht an erster Stelle. Sondern das eigene Ansehen. Ein häufig genanntes Beispiel für dieses Phänomen ist das Konsumverhalten zum Toyota Prius. Das 1997 in Japan und 2001 in Deutschland auf den Markt gekommene Auto ist mit einem Hybridmotor ausgestattet, kann also sowohl mit Kraftstoff als auch mit elektrischem Strom fahren.[1] Trotz seines im Vergleich zur Ausstattung relativ hohen Preises war [...]
Das fremde Ich
„Mein Spiegelbild erscheint mir fremd.“ „Wenn ich spreche, scheint mir, als spräche ein anderer.“ „Der Garten wirkt farblos und stumpf.“ So oder ähnlich hören sich Schilderungen von Menschen mit einer Depersonalisations-Derealisationsstörung (kurz: DDS) an. Was für Außenstehende unvorstellbar klingt, bedeutet für Betroffene einen erheblichen Leidensdruck. Studien weisen darauf hin, dass im westlichen Kulturkreis etwa 1 von 100 Personen an einer DDS erkrankt ist.[1] Damit wäre die Störung keinesfalls selten – dennoch ist sie vielen Mediziner*innen und Psycholog*innen nicht oder nur unzureichend bekannt und die Diagnose wird äußerst selten gestellt.[2] Ein Grund, die DDS näher vorzustellen. Was ist eine Depersonalisations-Derealisationsstörung? [...]
Jemand braucht Hilfe – und alle schauen zu (?)
Essen, Oktober 2016: Ein Rentner liegt regungslos im Vorraum einer Bankfiliale. Vier Kunden lassen ihn liegen, erst der fünfte ruft Hilfe. Der Rentner stirbt.[1] Immer wieder berichten Medien von Gewalttaten oder anderen Notfällen, in denen Augenzeugen helfen könnten – es aber nicht tun. Warum? Diese Frage beschäftigte die Forscher Bibb Latané und John Darley schon vor über 50 Jahren. Ausgangspunkt ihrer Forschung ist ein Mord, der sich 1964 in New York ereignete. Catherine „Kitty“ Genovese wurde vor ihrer Wohnung niedergestochen und vergewaltigt. Einem Bericht der New York Times zufolge hatten mindestens 38 Personen über eine halbe Stunde lang zugesehen, aber [...]
Mental Health First Aid: Erste Hilfe für die Psyche
Spätestens mit dem Führerschein ist er Pflicht: der Erste-Hilfe-Kurs. Er bereitet auf den körperlichen Notfall vor – etwa, wenn das Gegenüber nicht mehr atmet oder schwer verletzt ist. Aber was ist bei Panikattacken, traumatischen Erlebnissen oder Suizidgedanken? Was tun, wenn jemand weint, apathisch wirkt oder Stimmen hört? Der Umgang mit psychischen Krisensituationen gehört nicht zum Standardrepertoire eines klassischen Kurses. Das Programm „Mental Health First Aid“, kurz MHFA, soll Abhilfe schaffen – mit Erste-Hilfe-Kursen zur psychischen Gesundheit. MHFA wurde in Australien entwickelt und steht mittlerweile in 24 Ländern zur Verfügung. Seit Herbst 2020 werden auch in Deutschland Kurse angeboten.[1] Psychische Störungen: [...]
Panik vor der Impfung: Was hilft gegen die Spritzenphobie?
"Bist du gegen Corona geimpft?" Wer diese Frage verneint, steht schnell im Verdacht, Impfgegner*in oder Corona-Leugner*in zu sein. Doch es gibt auch Menschen, die sich gern impfen lassen würden, es aber schlichtweg nicht schaffen – aus Furcht vor der Spritze. Bisweilen fallen sie allein beim Gedanken an den Piks in Ohnmacht. Für Menschen mit Spritzenphobie ist oft auch der Anblick von Blut oder Verletzungen problematisch. Fachleute sprechen zusammenfassend von einer Blut-Spritzen-Verletzungsphobie (kurz: BSV).[1] Mindestens drei bis vier Prozent der Bevölkerung sind betroffen.[2] Möglicherweise ist die Dunkelziffer deutlich höher, denn naturgemäß meiden viele Betroffene den Arztbesuch.[3] Die Furcht ist mitunter so [...]