By Published On: 8. August 2018Categories: Gesundheit, Wirtschaft

Vor rund 25 Jahren, also in den frühen 90er Jahren, wurde beim Menschen das endogene Cannabinoid-Rezeptorsystem entdeckt. Seitdem werden Medikamente auf der Basis von Cannabis intensiv erforscht. Im Jahr 2011 wurde in Deutschland erstmals seit Anfang der 50er Jahre ein Cannabisextrakt arzneimittelrechtlich zugelassen.

Geschichte

Hanf gehört mit zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, welche zu der Gewinnung von Fasern oder Ölen angebaut wurde. Es ist jedoch überliefert, dass bereits die Thraker (eine antike Völkergruppe, welche im Gebiet des heutigen Balkans lebte) den Hanf nicht nur als Nutzpflanze ernteten, sondern diesen auch zur Erzeugung von Rauschzuständen und als Medizin nutzten. Unter bestimmten klimatischen Bedingungen nämlich, etwa im Vorderen Orient (Persien) oder Indien, entwickelte die weibliche Hanfpflanze psychotropisch wirksame Substanzen. Diese sind vor allem im ausgeschiedenen, klebrigen Harz der Pflanze enthalten [1].

Medizinische Wirkung

Nachdem Cannabis mittlerweile in fast der Hälfte aller US-Bundesstaaten mindestens als Arzneimittel zugelassen ist, sorgt dieselbe Thematik der Zulassung auch in Europa und im deutschsprachigen Raum für Gesprächsstoff. Das dem Hanf zugeschriebene medizinische Potenzial scheint gross zu sein, beispielsweise soll es bei Koordinationsstörungen der Muskulatur krampflösend wirken oder den Appetit steigern. So können etwa MS-Patienten oder Menschen, welche aufgrund einer Chemotherapie, Aids oder Krebs an Appetitlosigkeit leiden, davon profitieren. Weiter können Cannabis und der Wirkstoff THC bei Schmerzen, chronischer Übelkeit, grünem Star oder gar psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörungen oder Schlafstörungen zu einer Linderung der Symptome führen [2].

Die klinischen Wirkungen von Cannabismedikamenten sind in der Vielzahl auf die Aktivierung von endogenen Cannabinoid-CB1- und CB2-Rezeptoren zu begründen. Mehr als 100 kontrollierte klinische Studien wurden seit 1975 mit Cannabinoiden oder Ganzpflanzen-Zubereitungen durchgeführt [3]. Die Schlüsse, welche nach diesen Studien gezogen werden konnten, führten in vielen Ländern zur Zulassung von Medikamenten auf Cannabisbasis. Die bekanntesten ihrer Art sind Dronabinol, Nabilon oder ein Cannabisextrakt, welcher sich zu gleichen Teilen aus den Wirkstoffen THC und CBD zusammensetzt. Dieser Extrakt ist in Deutschland seit 2011 für die Therapie von schweren oder mittelschweren Spastiken bei multipler Sklerose zugelassen. Zusätzlich erfolgt eine «Off-Label-Behandlung», also eine Behandlung ausserhalb des durch die Arzneimittelbehörde zugelassenen Gebrauchs, derzeit in den häufigsten Fällen bei Appetitlosigkeit, Übelkeit oder neuropathischen Schmerzen. Alternativ dazu ist es Patienten möglich, bei der Bundesopiumstelle eine Ausnahmeerlaubnis zu erlangen, um den Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten zu beantragen. Diese Selbsttherapie erfolgt im Rahmen einer ärztlichen Überwachung. Die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen von Cannabinoiden sind Schwindel und Müdigkeit sowie psychische Effekte und Mundtrockenheit. Allerdings entwickelt sich gegen die genannten Nebenwirkungen in den meisten Fällen nach kurzer Zeit eine Toleranz. Im therapeutischen Kontext stellen die Entzugssymptome kaum jemals ein Problem dar [4].

Dronabinol

Die oben bereits erwähnte Bezeichnung Dronabinol ist der internationale Freiname für den im Hanf vorhandenen Hauptwirkstoff THC, genauer gesagt das Delta-9-Tetrahydrocannabinol. Folglich sind Dronabinol und THC als Synonyme anzusehen. Dabei hat es sich so durchgesetzt, dass wenn von Dronabinol die Rede ist, man meist von künstlichem, synthetisch hergestelltem THC aus dem Labor spricht [5].

In der Schweiz ist es seit 2007 möglich, eine 2.5% Dronabinol-Lösung zu verschreiben. Allerdings nur dann, wenn eine entsprechende Verfügung des zuständigen Bundesamtes für Gesundheit (BAG) vorliegt. Die gebrauchsfertige Lösung enthält THC, also das Dronabinol, als einzigen Wirkstoff. Das Medikament ist ebenfalls frei von Konservierungsstoffen und ab dem Herstellungsdatum acht Wochen lang haltbar. Wird es zusätzlich konserviert, kann es bei Bedarf für sechs Monate haltbar gemacht werden (panakeia.ch, 2018). In Deutschland können Dronabinol, Nabilon oder ein Cannabisextrakt ebenfalls mit einem Betäubungsmittelrezept durch einen Arzt verordnend werden [6].

Die Therapiekosten einer Cannabis- oder Dronabinolbehandlung sind sehr individuell und stark von der benötigten Dosierung abhängig. Angesichts dessen können die Kosten einer Behandlung zwischen 5 und 30 Euro am Tag betragen, wobei in der Regel von Kosten zwischen 10 und 15 Euro ausgegangen wird.

Nebenwirkungen

Cannabis und die einzelnen Cannabinoidrezeptoragonisten weisen praktisch die gleichen Nebenwirkungen auf. Drogenkonsumenten rauchen Cannabis hauptsächlich wegen seiner psychischen Eigenschaften. Diese treten dann ein, wenn bei einer hohen Dosierung die individuell variable psychotrope Schwelle überschritten wird. Im Allgemeinen wird diese psychische Wirkung als entspannend und angenehm empfunden. Dabei wird oftmals auch die sensorische Wahrnehmung gesteigert. Das auf diese Weise gesteigerte Wohlbefinden kann allerdings auch in eine Dysphorie umschlagen, begleitet von Angst und Panik [7]. Weitere Nebenwirkungen von Cannabis sind unter anderem eine Beeinträchtigung des Gedächtnisses sowie der psychomotorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit, Euphorie oder Störungen der Zeitwahrnehmung. Nach wie vor wird diskutiert, ob ein starker Cannabiskonsum langfristige Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat. Nach dem jetzigen Wissensstand ist davon auszugehen, dass nur ein sehr starker Konsum – wie er zu therapeutischen Zwecken jedoch kaum eingesetzt wird – einen irreversiblen Einfluss haben kann. Bei einem exzessiven Konsum von Cannabis können nach abruptem Absetzen, ähnlich wie bei einem Tabakentzug, Entzugssymptome auftreten. Im Rahmen einer kontrollierten medizinischen Anwendung sind Entzugssymptome allerdings nur in Einzelfällen bekannt [8].

Schlussfolgernd kann man festhalten, dass Cannabis erwiesenermassen bei verschiedenen Krankheiten wie multipler Sklerose, HIV oder Krebs einen therapeutischen Nutzen besitzen kann, der in Zukunft mit Sicherheit weiter erforscht wird und auch für die Pharmaindustrie zu einem sehr lukrativen Geschäft werden könnte.

Heute dürfen chronisch Kranke in Deutschland Cannabis zu Therapiezwecken seit dem Juli 2014 privat anbauen. Das Kölner Verwaltungsgericht bestätigte damit eine Klage von drei schwerkranken Personen gegen ein Anbauverbot. Nach einer eingehenden und individuellen Prüfung ist der Anbau von Cannabis dann erlaubt, wenn der betreffende Patient austherapiert ist, keine Behandlungsalternative zu Cannabis besteht und Cannabisprodukte aus der Apotheke für die betreffende Person unerschwinglich sind.

 

Fussnoten:
[1] vgl.: Müller, 2008, S.104-108
[2] vgl.: Meier, 2014
[3] vgl.: Grotenhemen, 2012, S.495-500
[4] vgl.: Grotenhemen, 2012, S.495-500
[5] vgl.: Fankhauser, 2012, S.29-31
[6] vgl.: Grotenhemen, 2012, S.498
[7] vgl.: Grotenhemen, 2012, S.498
[8] vgl.: Grotenhemen, 2012, S.495-500

Literaturquellen:

Fankhauser, M. (2003). Haschisch als Medikament: Zur Bedeutung von cannabis sativa in der westlichen Medizin. Luzern: Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie.

Fankhauser, M. (September 2012). Cannabis- eine neue (wiederentdeckte) Therapieoption. Pharmajournal, S. 29-31.

Grotenhermen, F. (Juli 2012). Das therapeutische Potenzial von Cannabis und Cannabinoiden. Deutes Ärzteblatt, S. 495-498.

Meier, P. J. (20. November 2012). Beobachter.ch. Von https://www.beobachter.ch/medizin-krankheit/cannabis-dies-ist-ein-heilmittel abgerufen

Müller, I. (2008). Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen: Heilwissen aus der Klostermedizin. Kandern: Herder Verlag.

 

Bilderquelle:

Beitragsbild: Pixabay. Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/caduceus-marihuana-medizinische-2789577/

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