Warum hat sich die Bundesregierung dazu entschieden Cannabis in Deutschland ab 2023 zu legalisieren, während andere Länder schon viel weiter sind? In vielen Ländern auf der Welt ist mittlerweile der Erwerb und der begrenzte Besitzt von Cannabis legalisiert. Seit dem 10. März 2017 ist das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Deutschland in Kraft getreten und regelt den Einsatz von Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative (Bundesministerium für Gesundheit 2023a). Am 12. April 2023 wurden nun die Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis als Genussmittel in Deutschland im Rahmen einer Bundespressekonferenz vorgestellt. Bei dem Vorhaben stehen die kontrollierte Abgabe an Erwachsene und der maximale Schutz von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund (Die Bundesregierung 2023).
Cannabiskonsum in Deutschland
Die gescheitert Verbotspolitik und die negativen Auswirkungen des Schwarzmarktes sind immer lauter werdende Argumente für eine staatlich regulierte Abgabe. Nach Karl Lauterbach (Bundesgesundheitsminister) ist
„Cannabis ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland oft illegal angeboten und genutzt. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit. Besonders Jugendliche sind durch Cannabis in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung beeinträchtigt. Trotzdem konsumieren immer mehr Jugendliche die Droge. Die Schwarzmarktware ist häufig verunreinigt und schafft zusätzliche Gesundheitsgefahren. Das können wir nicht länger hinnehmen. Deswegen wagen wir die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in klaren Grenzen und drängen den Schwarzmarkt zurück, flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche. Der Gesundheitsschutz steht dabei im Vordergrund. Die bisherige Cannabis-Politik ist gescheitert. Jetzt müssen wir neue Wege gehen.“
(Karl Lauterbach 2023).
Experten warnen jedoch davor, dass durch eine Legalisierung von Cannabis die Hürden des Zugangs zu dieser Substanz mit psychoaktiver Wirkung gesenkt werden und dies mutmaßlich zu einer Zunahme der Cannabiskonsumprävalenz in der erwachsenen Bevölkerung führen könnte. Um eine stoffgebundene Abhängigkeit entwickeln zu können sind neben biologischen und psychischen Faktoren auch gesellschaftliche Aspekte nicht zu unterschätzen (Pogarell 2022, S. 26).
In einer Umfragen von Infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbandes im Dezember 2022 zeigt sich, dass in der Zeit von 2014 bis 2022 die Zustimmung zu einer legalen und regulierten Abgabe von Cannabis in Deutschland deutlich zugenommen hat (Statista (2023a). Zudem zeigt eine Umfrage im November 2022, dass die Ergebnisse in einer Unterteilung nach Gruppen, beinahe in allen Kategorien bei 50 zu 50 lagen. Die Zustimmung lag dabei in der Altersgruppe der 18 bis 34-jährigen mit 63 Prozent am höchsten, gefolgt von der Gruppe mit dem höchsten Bildungsstand mit 56 Prozent (Statista 2023b).
Das CARe-Modell
Mit den Zielen Jugendliche besser zu schützen, den Konsum sicherer zu machen und die Justiz und Polizei zu entlasten, einigt sich die Bundesregierung auf die folgenden Eckpunkte zur Legalisierung, welche in einem Zwei-Säulen-Modell zusammengefasst werden. Am 12. April 2023 stellten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir das sogenannte CARe-Modell („Club Anbau & Regional-Modell“) vor. Dabei sollen Erwachsene in Zukunft eine bestimmte Menge Cannabis über eine nicht-gewinnorientierte Vereinigung beziehen können. Im Rahmen regionaler Modellvorhaben können Erwachsene zudem in lizenzierten Fachgeschäften Cannabis legal erwerben. Darüber hinaus wird auch der private Anbau möglich werden.
1. Säule: Privater & gemeinschaftlicher, nicht-kommerzieller Eigenanbau
Sowohl der Anbau in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen als auch der private Eigenanbau wird bundesweit legalisiert. Hierbei liegt vor allem der Fokus sich selbst legal mit Cannabis versorgen zu können. Die Abgabe in Vereinen und Clubs bedarf einer Mitgliedschaft und ist pro Tag auf maximal 25 Gramm Cannabis und pro Monat 50 Gramm begrenzt. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist die nachzuweisende Volljährigkeit der Konsument:innen. Mitglieder zwischen 18 und 21 Jahren gelten als heranwachsend. Die Abgabe ist auf 30 Gramm pro Monat begrenzt. Für den Eigenanbau können pro Monat maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge erworben werden. In der Folge ist es erlaubt Cannabis bis 25 Gramm für den Eigenbedarf zu besitzen und mitzuführen. Für Menschen, die selbst anbauen möchten, sind maximal 3 Pflanzen zulässig. Der Gesetzesentwurf folgt im April 2023.
2. Säule: Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten
Die Regierung plant die Umsetzung in ausgewählten Regionen fünf Jahre ein wissenschaftlich konzipiertes Modellvorhaben, in dessen Rahmen Unternehmen die Produktion, den Vertrieb und die Abgabe von Genusscannabis ermöglicht wird. Die Abgabe erfolgt lediglich an Erwachsene in Fachgeschäften. Das Modell wird staatlichen kontrolliert, wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Der Gesetzesentwurf folgt nach der Sommerpause 2023 (Die Bundesregierung 2023).
Steueraufkommen und Einsparpotenziale
Neben den Chancen der kontrollierten Abgabe ergeben sich außerdem fiskalische Auswirkungen einer Cannabislegalisierung in Deutschland, wie Steuereinnahmen und Einsparung von Kosten. Eine Erhebung im November 2021 zeigt, dass der deutsche Staat rund 4,7 Milliarden Euro durch zusätzliche Steuereinnahmen im Bereich der Konsumsteuer, Umsatz-, Gewerbe-, Körperschafts- sowie Lohnsteuer einnehmen und Polizei-, Gerichts- und Justizvollzugskosten in Höhe von rund 1,36 Milliarden Euro einsparen könnte.
Fazit
Durch eine Legalisierung können mehrere positive Effekte generiert werden. Dabei stehen die kontrollierte Abgabe und der Schutz von heranwachsenden im Fokus. So wird beispielsweise sichergestellt, dass Vereinigungen Auflagen zum Jugendschutz und Prävention erfüllen müssen und mit lokaler Suchtpräventions- oder Beratungsstelle zusammenzuarbeiten (Die Bundesregierung 2023). Neben dem legalen Erwerb von „sauberem“ Cannabis soll der Schwarzmarkt eingedämmt werden. Nach dem Deutschen Hanfverband wird Cannabis im Straßenverkauf mit Sand, Zucker, Glas oder Gewürzen gestreckt und stellen eine erhöhte Gesundheitsgefährdung dar (Belousova 2021). Die Abgabe in Vereinigungen ist an Voraussetzungen geknüpft und begrenzt darüber hinaus die maximale Abgabe pro Tag und Monat. Daneben haben Konsument:innen die Möglichkeit selbstständig bis zu 3 Pflanzen für den Eigenkonsum anzupflanzen. Auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind enorm. Neben der Steigerung der Steuereinnahmen und der Reduzierung von Kosten können durch das Zwei-Säulen-Modell (CARe-Modell) außerdem neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch gibt es neben all diesen Vorteilen auch Nachteile? Diese Frage wird wohl erst in der Zukunft beantwortet werden können.
Literatur
Belousova, K. (2021), Zugriff am 16.04.2023, verfügbar unter https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/cannabis-legalisierung-pro-contra-100.html
Bundesministerium für Gesundheit (2023a), Zugriff am 16.04.2023, verfügbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/c/cannabis.html
Die Bundesregierung (2023), Zugriff am 16.04.2023, verfügbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/cannabis-politik-2183814
Karl Lauterbach (2023), Zugriff am 16.04.2023, verfügbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/eckpunkte-cannabis-12-04-23.html
Pogarell, O. (2022), Lizensierte Abgabe von Cannabis aus Sicht der Suchtmedizin. Schmerzmedizin, Ausgabe 38, S. 24–26
Statista (2023a), Zugriff am 16.04.2023, verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1280064/umfrage/umfrage-zur-cannabislegalisierung-in-deutschland/
Statista (2023b), Zugriff am 16.04.2023, verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1280649/umfrage/umfrage-zur-cannabislegalisierung-in-deutschland-nach-alter-und-geschlecht/
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