Digitale Technologien bieten Menschen mit Beeinträchtigungen neue Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Besonders in der Unterstützten Kommunikation (UK) schaffen digitale Innovationen barrierefreie Zugänge zu Kommunikation, Bildung und sozialer Interaktion. Das Spektrum reicht von einfach bedienbaren Apps bis hin zu komplexen KI-gestützten Sprachassistenzsystemen. Dieser Beitrag zeigt anhand der Entwicklungsstufen kommunikativen Verhaltens nach M. Wahl auf, wie digitale Technologien UK-Nutzer*innen unterstützen (Scholz, M. 2010, zitiert nach Wahl 2021, S. 59). Abschließend werden Chancen digitaler Vernetzung in der UK betrachtet, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Was ist Unterstützte Kommunikation?
UK umfasst Hilfsmittel, Strategien und Techniken, die Menschen mit begrenzter oder fehlender Lautsprache dabei unterstützen, sich auszudrücken und eine bessere sprachliche Verständigung zu erreichen (Braun 2020, S. 21). Dabei wird zwischen körpereigener Kommunikation wie Mimik, Gestik und Gebärden sowie hilfsmittelgestützter Kommunikation unterschieden. Letztere beinhaltet nicht elektronische Hilfsmittel, wie beispielsweise Wort-Bild-Karten und elektronische Kommunikationshilfen, die von einfachen Sprachausgabetasten bis zu komplexen Sprachcomputern reichen (Braun 2020, S. 24–26.).
Entwicklungsstufen kommunikativen Verhaltens
Stufe 1 Basale Kommunikation
Diese Stufe richtet sich an Menschen mit stark eingeschränktem Sprachverständnis und sensorischen Beeinträchtigungen, deren Interaktion vorwiegend auf vegetativer Ebene stattfindet (Scholz, M. 2010, zitiert nach Wahl 2021, S. 60). Im Zentrum steht die Förderung grundlegender kommunikativer Fähigkeiten wie das Verstehen von Ursache – Wirkungszusammenhängen sowie die Möglichkeit, Zustimmung oder Ablehnung auszudrücken. Eyetracking Technologien wie Sensory Eye FX 2 von Tobii Dynavox ermöglichen spielerisch das Ursache–Wirkungsprinzip zu erlernen und fördern die Blickinteraktion. Durch Blickbewegung werden Bilder und Töne aktiviert und in fünf Schwierigkeitsstufen werden Kommunikations- und Augensteuerungskompetenzen geübt (Tobii Dynavox; Wahl 2021, S. 60–61).
Stufe 2 Reaktive Kommunikation
Hier zeigen Personen ein erkennbares Sprachverständnis und können Zustimmung oder Ablehnung situationsbezogen ausdrücken. Das Ziel ist es, die Ja/Nein-Kommunikation zu sichern und darüber hinaus verständliches Kommunikationsverhalten aufzubauen (Wahl 2021, S. 61–62). Tablets mit UK-Software wie Go Talk Now oder Grid 3 ermöglichen individuell gestaltbare Kommunikationsoberflächen. Beispielsweise können Ja/Nein-Buttons hinterlegt und durch synthetische Sprachausgabe verstärkt werden (REHAVISTA o. J.). Durch Apps wie iSpeak Button wird ebenfalls die Kommunikationsanbahnung gefördert, indem Sprachnachrichten gespeichert und auf Knopfdruck wiedergegeben werden können ( iAccessibility o. J.).
Stufe 3 Beginnende eigeninitiierte Kommunikation
Personen, die sich auf der dritten Stufe befinden, initiieren in der Regel Kommunikation eigenständig, um Bedürfnisse oder Wünsche auszudrücken. Dabei ist der Aufbau eines flexiblen multimodalen Kommunikationssystems unabdingbar. Dies kann durch die Nutzung der bereits genannten Apps Go Talk Now und Grid 3, welche sich durch METACOM Symbolen oder Fotos auf das Kompetenzlevel der Nutzer*innen anpassen lassen, gelingen. Zudem gibt es Gebärden-Lern-Apps wie die EiS-App die Begriffe multimodal, in Wort, METACOM Symbol, Audio und Gebärdenvideo in Deutscher Gebärdensprache darstellt (EiS-App o. J.; Wahl 2021, S. 62–63).
Stufe 4 Komplexe Kommunikation
In dieser Stufe nutzen Personen komplexe Kommunikationssysteme aktiv in Gesprächen. Der Förderschwerpunkt liegt in der Erweiterung von Wortschatz, Grammatik und Schriftsprache, um Kommunikation in unterschiedlichen Kontexten zu ermöglichen. Dynamische Kommunikationshilfen mit spezialisierter Software bieten vielfältige Kommunikationsstrategien, die individuell an die Bedürfnisse der UK-Nutzer*innen angepasst werden können. Ein Beispiel ist LiterAACy, ein Vokabular, das sowohl Symbol- als auch Texteingaben unterstützt und durch Kategorisierung einen umfangreichen Wortschatz sowie eine beschleunigte Kommunikation ermöglicht. Zudem wird das Erlernen von Lesen und Schreiben gefördert (Wahl 2021, S. 63–64). Zudem gibt es ein wachsendes Angebot an Apps, die Kommunikationsunterstützung bieten und auf Tablets oder Smartphones genutzt werden können. Eine solche App ist Proloquo4Text, eine schriftbasierte Kommunikationsapp die durch Wort- und Satzvorhersagen sowie Favoritenlisten die Kommunikation erleichtert (Reinhard et al. 2019, S. 9). Für Menschen mit erheblichen motorischen Beeinträchtigungen stehen verschiedene Ansteuerungsmöglichkeiten für Tablets und Sprachcomputer zur Verfügung, darunter Touchpad, Kopf-, Augen- oder Mundsteuerung sowie Scanning-Verfahren (Krstoski 2018, S. 259).
Digitale Vernetzung
Die Internetverbindung bei Tablets wird in der UK immer wichtiger, da sie asynchrone Kommunikation ohne Zeitdruck ermöglicht und somit eine Erleichterung gegenüber persönlichen Gesprächen darstellen kann. Messanger-Dienste, wie WhatsApp bieten multimodale Kommunikationsmöglichkeiten durch Sprach-, Text-, Bild- und Videonachrichten sowie Videotelefonie. Auch die damit verbundene Möglichkeit der Nutzung sozialer Netzwerke und Kommunikationsplattformen stärkt die gesellschaftliche Teilhabe und soziale Beziehungen (Raghavendra et al. 2015 zitiert nach Bosse, Wilkens, Renner, 2022, S. 26).
Fazit
Die digitale Weiterentwicklung in der UK kann die Teilhabe von Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen nachhaltig verbessern. Wesentliche Faktoren sind dabei die flexible Anpassung an individuelle Bedürfnisse und Kompetenzen, sowie die multimodalen Kommunikationsmöglichkeiten digitaler Technologien. Entscheidend ist jedoch, dass diese Technologien in der Weiterentwicklung noch nutzerfreundlicher gestaltet werden und dabei die speziellen Bedarfe von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden. Zudem sind kontinuierliche Schulungen und Weiterbildung von Fachkräften, sowie Betroffenen und Angehörigen unerlässlich, um das Potenzial digitaler UK-Lösungen allen Betroffenen zugänglich zu machen.
Literaturverzeichnis
Bosse, I.; Wilkens, L.; Renner, G. (2022): Internet, soziale Medien und unterstützte Kommunikation. Umgang mit sozialen Medien. In: Zeitschrift Erwachsenenbildung und Behinderung 33. (1), S. 24–35. Online verfügbar unter https://geseb.de/wp-content/uploads/2024/02/ZEuB-2022-01.pdf#page=26, zuletzt geprüft am 31.01.2025.
Braun, U. (2020): Entwicklung der Unterstützten Kommunikation in Deutschland – eine systematische Einführung. In: J. Boenisch und S. K. Sachse (Hg.): Kompendium Unterstützte Kommunikation. 1. Auflage, S. 19–31. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.
Krstoski, I. (2018): Unterstützte Kommunikation. In: I. Bosse, J.-R. Schluchter und I. Zorn (Hg.): Handbuch Inklusion und Medienbildung, S. 252–262. Weinheim: Beltz
Reinhard, S.; Fröhlich, N.; Hallbauer, A.; Castaneda, C.; Weigand, M.; Krstoski, I.; Lauther, K.; Lange, S.; Kitzinger, A. (2019): Best-of-App-Liste 2019. Hg. v. die-uk-kiste. Online verfügbar unter https://www.die-uk-kiste.de/themen/ipad-und-app-anleitungen/app-tipps/, zuletzt geprüft am 30.01.2025.
Wahl, M. (2021): Digitale Medien in der Unterstützten Kommunikation. In: T. Fritzsche, S. Breitenstein, H. Wunderlich und L. Ferchland (Hg.): Schwerpunktthema: Klick für Klick. Schritte in der digitalen Sprachtherapie. (Spektrum Patholinguistik, Band 14 (2021), S. 55–67. Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.
Titelbildquelle
Titelbild: METACOM Symbol Unterstützte Kommunikation von Kitzinger, A., o. J., erhalten per Email, Erlaubnis zur Verwendung, © Annette Kitzinger
Nutzungsbedingungen unter https://metacom.shop/nutzungsbedingungen/