By Published On: 4. April 2023Categories: Literaturempfehlungen

Als das Buch „Das Leben annehmen: So hilft die Akzeptanz- und Commitment-Therapie“ von Matthias Wengenroth 2008 erschien, musste es schon bald wieder neu aufgelegt werden (seit der 3. Auflage im Hogrefe-Verlag). Dem psychologischen Psychotherapeuten (Wengenroth, 2023) gelang mit seinem Buch eine Darstellung der Therapieform in leicht verständlicher und oft unterhaltsamer Weise. Bis heute profitieren deshalb nicht nur Psychotherapeuten davon, sondern auch interessierte „Laien“, die das Buch wie einen Ratgeber nutzen können.

Das Psychotherapieverfahren ACT

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (Acceptance and Commitment Therapy, ACT, ausgesprochen wie das englische Verb „act“) ist ein Psychotherapieverfahren, das verhaltenstherapeutische Techniken mit achtsamkeits- und akzeptanzbasierten Strategien kombiniert. Die Elemente der Achtsamkeit führen dazu, dass an die Stelle der Verhaltensmodifikation und kognitiven Umstrukturierung eine starke Orientierung an bereitwilliger Akzeptanz auch schmerzlicher Dinge tritt („acceptance“), was jedoch nicht zur Resignation führen soll und deshalb gleichzeitig den unbedingten Einsatz für persönliche Werte einschließt („commitment“) (Wengenroth, 2016, S. 12).

Matthias Wengenroth strukturiert seine ausführliche Darstellung des Verfahrens entlang der Therapiebezeichnung ACT (1. Akzeptanz, 2. Commitment, 3. Therapie) und reichert sie mit einprägsamen Bildern und Metaphern an.

1. Akzeptanz

Autopilot
Zur Akzeptanz gehört zunächst die Achtsamkeit: die gezielte Lenkung der Wahrnehmung auf die bewusste Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks (Heidenreich & Michalak, 2009, S. 570). Unser Verstand kann mit dem gegenwärtigen Augenblick sozusagen nicht viel anfangen, sondern analysiert lieber die Vergangenheit oder denkt über die Zukunft nach. Unsere Gedanken sind also meist irgendwo anders, wir fliegen im „Autopilotenmodus“ durchs Leben und verpassen dadurch viel von dem, was das Hier und Jetzt an „Reichtum“ zu bieten hat (Michalak, Heidenreich & Williams, 2022, S. 6+21; Wengenroth, 2016, S. 137-140). Achtsamkeitstechniken können dabei helfen, eine offenere Haltung gegenüber dem Leben einzuüben (Wengenroth, 2016, S. 24-27).

Monster
Wir begegnen hier und jetzt allerdings auch vielen unangenehmen Dingen: äußeren Lebensumständen, negativen Gedanken, schmerzhaften Gefühlen und Empfindungen etc. Wenn wir erkennen, dass wir diese „Monster“ nicht ändern können, ist es nicht hilfreich, gegen sie anzukämpfen. Erst wenn wir die „Monster“ akzeptieren und mit ihnen weitergehen können, werden wieder Energien frei für Dinge, für die es sich lohnt, sich einzusetzen (siehe Abbildung 1). Auf diese Weise verlieren die „Monster“ ihren Schrecken und oft genug verschwinden sie ganz (Wengenroth, 2016, S. 69-84).

Abbildung 1: Das „Monster“ steht im Weg – und wird mitgenommen (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Wengenroth, 2016, S. 73+81)

Denkmaschine
Wenn es um negative Gedanken geht, können wir uns klar machen, dass unsere „Denkmaschine“ im Kopf ständig Gedanken produziert, von denen viele gut und nützlich sind, manche aber auch nicht. Würden wir jeden Gedanken, der auf unserem inneren Bildschirm auftaucht, für valide halten, kämen wir bald in größte Schwierigkeiten. Mit der nötigen Distanz zu den Gedanken verhindern wir, uns von ihnen mitreißen zu lassen, uns mit ihnen zu identifizieren. Den Gedanken „Du bist ein Versager“ müssen wir beispielweise nicht übernehmen, sondern können ihn als „nur“ einen Gedanken akzeptieren („Hallo Gedanke, da bist du ja wieder, dich kenne ich doch schon…“) und sodann loslassen bzw. verwerfen („Den Schuh ziehe ich mir aber nicht an. Tschüss, Gedanke!“) (siehe Abbildung 2) (Wengenroth, 2016, S. 103-106).

Abbildung 2: Ohne und mit Abstand zur „Denkmaschine“ (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Wengenroth, 2016, S. 105)

2. Commitment

Das Commitment ist das, was die Akzeptanz von einer Resignation unterscheidet. Wir brauchen Ziele, um in Bewegung zu kommen. Deshalb sind Fragen wie „Was ist mir im Leben wichtig? Was will ich eigentlich?“ von zentraler Bedeutung. Entscheidend ist hierbei jedoch, die Werte hinter den Zielen zu kennen. Wenn sich jemand beispielweise zum Ziel setzt, mit 30 eine Familie zu gründen, kann es durchaus sein, dass das nicht gelingt. Dieses „Scheitern“ kann er/sie akzeptieren ohne zu kapitulieren, wenn sich das Commitment auf die dahinterstehenden Werte bezieht, die immer wieder auf andere Weise angestrebt werden können (z. B. anderen Menschen nahe sein, Verantwortung übernehmen, ein liebevolles Gegenüber sein etc.) (Wengenroth, 2016, S. 234).

Leuchttürme
Werte können als „Leuchttürme“ dienen, die eine Richtung vorgeben – was vor allem in schwierigen Zeiten wichtig ist, „wenn die See rau und die Sicht schlecht ist“. Menschen, die viel Leid erfahren haben, sich in einer Lebenskrise befinden oder mit Depressionen zu tun haben, zeigen oft eine Resignation und setzen sich keine Ziele mehr oder finden nichts mehr wirklich wichtig. ACT kann helfen, mit solchen inneren Blockaden umzugehen. Letztendlich geht es darum, eine positive Haltung gegenüber dem eigenen Leben einzunehmen (Wengenroth, 2016, S. 203-213).

3. Therapie

Matthias Wengenroth zeigt zum Ende seines Buches hin, wie sich die ACT in der Therapie auf konkrete Störungsbilder anwenden lässt, u. a. auf Panikstörungen, soziale Phobien, generalisierte Angststörungen, Zwangsstörungen, Depressionen und Nikotinabhängigkeiten. Die ACT ist schließlich ein Psychotherapieverfahren, wenngleich sich einzelne Prinzipien im Leben jedes Menschen anwenden lassen (Wengenroth, 2016, S. 263-295).

Fazit

Das Buch ist eine Fundgrube an Ideen, Bildern und Metaphern, die dazu einladen, die Konzepte ins eigene Leben und – im Fall von Therapeuten – auch in das Behandlungsrepertoire zu integrieren. Auf diese Weise kann die Darstellung der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) allen Interessierten helfen, das Leben anzunehmen, zu „akzeptieren“ und sich neu zu „committen“.


Literaturverzeichnis

Heidenreich, T. & Michalak, J. (2009). Achtsamkeit. In: Margraf, J. & Schneider, S. (Hrsg.). Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen (3., vollständig bearbeitete und erweiterte Aufl.) (S. 569-578). Heidelberg: Springer.

Michalak, J., Heidenreich, T. & Williams, J. M. G. (2022). Achtsamkeit (Fortschritte der Psychotherapie, Band 48) (2., überarbeitete Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Wengenroth, M. (2016). Das Leben annehmen: So hilft die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) (3., unveränderte Aufl.). Bern: Hogrefe.

Wengenroth, M. (2023). Über mich. Zugriff am 23.02.2023. Verfügbar unter: http://www.daslebenannehmen.de/Ueber-mich

Bildquelle

Google Books (2016). Das Leben annehmen: So hilft die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) von Matthias Wengenroth. Zugriff am 28.03.2023. Verfügbar unter https://www.google.de/books/edition/Das_Leben_annehmen/jpSrEAAAQBAJ?hl=de&gbpv=0

Teile diesen Artikel