By Published On: 24. April 2022Categories: Literaturempfehlungen

Wir alle kennen Märchen als faszinierende Geschichten, bei denen wir als Kinder miterlebten, wie unsere Helden mit Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert wurden, diese meisterten und am Ende das Gute siegte oder Prinz und Prinzessin glücklich vereint von dannen ritten. Aus einem anderen Blickwinkel interpretiert Hans Jelloschek das Grimm´sche Märchen „Der Froschkönig“, indem er dieses analytisch betrachtet und Parallelen zu der Entwicklung von Paarbeziehungen aufzeigt.

Der Autor

Dr. theol. lic. phil. Hans Jelloschek (1939-2021) arbeitete als Eheberater und Transaktionsanalytiker und gründete ein Institut zur Fortbildung für systemische integrative Paartherapie. Neben seiner therapeutischen Arbeit veröffentlichte er zahlreiche Bücher zum Thema Beziehung, Partnerschaft und Liebe.

Aufbau des Buches

Das Buch beginnt mit dem Grimmschen Originaltext des Märchens „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“. In der darauffolgenden Einleitung erzählt Jellouschek wie ihm bei der Arbeit als Paartherapeut auffiel, dass gewisse Paarkonstellationen und Probleme an das Märchen vom Froschkönig erinnerten, was ihn bewog, sich diese Geschichte genauer anzusehen. In den einzelnen Kapiteln werden einzelne Passagen des Märchens der Reihe nach analysiert, interpretiert und mit dem Entwicklungsprozess einer Partnerschaft in Beziehung gesetzt.

Zum Inhalt

Das Märchen „Der Froschkönig“ beschreibt laut Jellouschek „den Prozess eines Paares, das durch Scheitern und Loslassen hindurch gehen muss, um den Weg zu seiner Ganzheitsgestalt als Paar zu finden.“[1]

Da ist zum einen die Königstochter, als Symbol für Frauen, die in einer scheinbar heilen Welt aufwachsen, in der aber das weibliche-mütterliche Prinzip fehlt und damit die Geborgenheit. Sie hat gelernt sich hübsch, brav und hilflos zu zeigen, um die väterliche Anerkennung zu erlangen. Frosch-Männer dagegen erlebten eine Kindheit, in das männlich-väterliche Prinzip fehlte, die Mutter den kleinen „Prinzen“ als Partnerersatz sah und Impulse der Loslösung mit Liebesentzug, Strafen und Schuldzuweisungen bestrafte. Der so von der „mütterlichen Hexe“ als hässlicher Frosch verwünschte Prinz taucht aus seinem Brunnen auf und trifft auf die hilfsbedürftige, hübsche Prinzessin. Auf den ersten Blick scheinen die beiden sehr unterschiedlich zu sein, doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich Ähnlichkeiten. Beide entwickelten Fähigkeiten den Eltern das zu geben, was sie brauchten, haben aber in dieser Rolle nie ihr eigenes Selbst und ihren eigenen Selbstwert fühlen dürfen. Sie leben in einer perfekten Schein-Welt, wissen aber nicht, warum sie manchmal Leere spüren oder traurig sind.

In dieser Situation treffen „Prinzessin-Frau“ und „Frosch-Mann“ aufeinander und gehen einen „geheimen Beziehungsvertrag“ ein, der im Märchen ausgesprochen, im realen Leben aber meist unbewusste und nicht ausgesprochene Erwartungen und Wünsche beinhaltet. Die Versprechen von Liebe, Achtung, Fürsorge scheint das zu sein, was sie suchen und was ihnen in der Kindheit gefehlt hat. Dieser Vertrag ist aber zum Scheitern verurteilt, denn der „Frosch-Mann“, der gelernt hat für seine Hilfe Liebe zu bekommen, fordert diese ein, ohne den Bedürfnissen und Gefühlen der Frau Beachtung zu schenken. Er setzt die Partnerin unter Druck und manipuliert sie. Die „Prinzessin-Frau“ hat gelernt, dass sie ihre eigenen Gefühle zurückstellen muss und nicht eingestehen darf, und sie fühlt sich moralisch verpflichtet, ihr Versprechen zu lieben einzuhalten, den Schein von der perfekten Frau zu wahren. Diese Überforderung führt dazu, dass sie sich immer mehr distanziert, Konflikte provoziert oder wegläuft. Die Wende tritt erst ein, als die Prinzessin ihren Gefühlen freien Lauf lässt und den Frosch an die Wand wirft. Das klare „Nein“ ist die Verwandlung der Prinzessin. Sie verlässt die die verinnerlichten Normen und moralischen Vorstellungen und steht für ihre Gefühle ein. Dieses „Nein“ kann nun auch den Frosch erlösen, wenn er durch den schmerzhaften Prozess der Loslösung erkennt, dass er die Liebe nicht erzwingen kann. Diese Enttäuschung kann zur „Ent-Täuschung“ der Situation führen und er kann sich zum Prinzen verwandeln, indem der Verantwortung für das eigene verletzte Kind übernimmt.

Im letzten Teil des Buches beschreibt Jellouschek den schmerzvollen und oft langwierigen Prozess der „psychologischen Scheidung“ und des möglichen Neubeginns, denn anders als im Märchen sind diese Schritte notwendig, um sich aus alten Beziehungsmustern zu lösen und festzustellen, worin die Beziehung noch besteht, nachdem der alte Beziehungsvertrag aufgelöst ist.

Entsteht eine neue „Symbiose“, in der die Partner sich unterstützen und herausfordern, ist weitere Entwicklung und Wachstum möglich. Den tiefsten Sinn dieser Geschichte beschreibt Jellouschek mit einem Zitat von Erich Fromm: „Unreife Liebe sagt: Ich liebe dich, weil ich dich brauche. Reife Liebe sagt: Ich brauche dich, weil ich dich liebe“

Fazit

Das kleine Büchlein (111 Seiten) ist sehr ansprechend geschrieben und leicht zu lesen.  Auch wenn die Ausgangssituation den beschriebenen Familienkonstellationen nicht auf jeden zutrifft, so wird doch deutlich, dass wir die Rollen, die wir als Kinder unseren Eltern gegenüber übernommen haben, manchmal auf unsere Beziehungen übertragen und dies zu Problemen führen kann. Jellouschek bietet Lösungen an, um aus festgefahrenen Rollenverteilungen auszubrechen und die daraus resultierenden, sich oft wiederholenden Konflikte zu lösen. Es wird klar, dass man nicht immer alles „richtig“ machen muss, damit reife Liebe entstehen kann. Viel wichtiger ist, dass man sich bewusst mit den Erwartungen und Gefühlen als Paar auseinandersetzt, bereit ist daran zu arbeiten und für Veränderungen offen ist.

[1] Jellouscheck (1985), S. 21.


Literaturverzeichnis

Helbing, K. (Hrsg.) (ca. 1975), Grimms Märchen. Kinder- und Hausmärchen, Band 1, Zürich.

Jellouscheck, H. (1985), Der Froschkönig. Ich liebe dich, weil ich dich brauche, 2. Aufl., Zürich.

Beitragsbild: eigene Quelle. Fotographie vom 14.04.2022


Teile diesen Artikel